Jeder Fotograf kennt es. Man kommt von einem spannenden Shooting zurück, die Speicherkarte ist voller potenzieller Meisterwerke, aber der Moment der Wahrheit rückt näher: Das Sichten, Bearbeiten, Sortieren und Archivieren. Oder vielleicht haben Sie sich vorgenommen, eine neue Technik zu lernen – sei es die Blitzfotografie, die Bearbeitung in einer neuen Software oder das Erstellen beeindruckender Landschaftspanoramen. Oft bleibt es bei dem guten Vorsatz. Tage vergehen, Wochen, manchmal Monate. Und auf die Frage, ob man denn schon mit der Bildbearbeitung fertig sei oder ob man die neue Kamerafunktion schon ausprobiert habe, lautet die ehrliche Antwort nur allzu oft: „Ich bin noch nicht dazu gekommen.“ Diese kleine Phrase umschreibt ein weit verbreitetes Phänomen im Leben vieler Kreativer und Hobbyisten: das Aufschieben notwendiger oder wünschenswerter Aufgaben. Aber was bedeutet es wirklich, wenn man „noch nicht dazu gekommen ist“, und wie können wir diesen Kreislauf durchbrechen, um unsere fotografische Reise wirklich voranzutreiben?
Die Redewendung „dazu kommen, etwas zu tun“ bedeutet im Grunde, dass man bisher nicht die Gelegenheit, die Zeit oder die Möglichkeit hatte, eine bestimmte Handlung auszuführen. Es impliziert oft, dass die Absicht vorhanden war oder ist, aber äußere Umstände oder innere Widerstände die Ausführung verhindert haben. Im Kontext der Fotografie gibt es unzählige Beispiele dafür. Das Durchsehen und Auswählen der besten Aufnahmen nach einem Urlaub kann überwältigend sein. Das Erlernen komplexer Bearbeitungssoftware wie Adobe Photoshop oder Capture One erscheint wie ein riesiger Berg. Das Organisieren Tausender von Bildern auf Festplatten wird zu einer Mammutaufgabe, die man lieber vor sich herschiebt. Dieses Aufschieben, auch Prokrastination genannt, ist nicht nur ein Zeitproblem. Es ist oft eine Mischung aus mangelnder Motivation, Überforderung, Perfektionismus und schlichtweg der schieren Menge an anderen Dingen, die im Alltag Priorität zu haben scheinen.

Warum schieben wir fotografische Aufgaben auf?
Die Gründe, warum wir uns bestimmten fotografischen Aufgaben nicht widmen, sind vielfältig. Einer der Hauptgründe ist schlichtweg der Mangel an Zeit. Unser Alltag ist oft vollgepackt mit Beruf, Familie, sozialen Verpflichtungen und anderen Hobbys. Die Fotografie mag eine Leidenschaft sein, aber die „Arbeit“, die nach dem eigentlichen Fotografieren anfällt – das Sichten, Bearbeiten, Archivieren – wird oft als lästig empfunden und daher hintenangestellt. Man denkt: „Dafür brauche ich Ruhe und viel Zeit“, und da beides selten gleichzeitig verfügbar ist, wird die Aufgabe verschoben.
Ein weiterer wichtiger Faktor ist die Überforderung. Nach einem intensiven Shooting mit Hunderten oder Tausenden von Bildern kann der Gedanke an die Auswahl und Bearbeitung lähmend wirken. Wo soll man anfangen? Welche Bilder sind wirklich gut? Welche Bearbeitungsstile soll man anwenden? Diese Fragen können dazu führen, dass man die Speicherkarte lieber weglegt und das Problem ignoriert.
Perfektionismus spielt ebenfalls eine Rolle. Viele Fotografen streben nach dem perfekten Bild und der perfekten Bearbeitung. Die Angst, den eigenen Ansprüchen nicht gerecht zu werden, kann dazu führen, dass man gar nicht erst anfängt. Man wartet auf den „richtigen“ Moment, die „richtige“ Stimmung oder die „richtige“ Idee, was oft bedeutet, dass dieser Moment nie kommt.
Manchmal fehlt auch einfach die unmittelbare Belohnung. Das Fotografieren selbst ist oft ein kreativer, befriedigender Prozess, der sofortige visuelle Ergebnisse liefert. Das Bearbeiten oder Archivieren ist dagegen oft mühsam und die Belohnung – ein fertiges Bild, ein aufgeräumtes Archiv – stellt sich erst viel später ein. Das Gehirn bevorzugt oft Aufgaben mit schneller Belohnung, was das Aufschieben unattraktiver Aufgaben begünstigt.
Nicht zuletzt kann auch mangelndes Wissen ein Grund sein. Wenn man nicht genau weiß, wie man ein Problem angehen soll – sei es eine bestimmte Bearbeitungstechnik oder die Struktur eines Bildarchivs – wird die Aufgabe schnell entmutigend und man „kommt nicht dazu“, sich damit zu beschäftigen.
Die Folgen des Aufschiebens in der Fotografie
Das ständige Verschieben von fotografischen Aufgaben hat Konsequenzen, die über das bloße Gefühl des Unerledigten hinausgehen. Eine der offensichtlichsten Folgen ist, dass viele großartige Bilder nie das Licht der Welt erblicken. Sie bleiben auf Speicherkarten oder Festplatten verborgen, unbearbeitet und ungeteilt. Das ist schade für den Fotografen, der die Mühe des Fotografierens auf sich genommen hat, und schade für potenzielle Betrachter, die diese Bilder nie sehen werden.
Ein weiteres Problem ist die mangelnde Weiterentwicklung. Das Bearbeiten von Bildern ist ein integraler Bestandteil des kreativen Prozesses. Hier lernt man oft am meisten über Komposition, Licht und Farbe. Wer seine Bilder nicht bearbeitet, verpasst wertvolle Lernmöglichkeiten. Auch das Erlernen neuer Techniken oder Software wird aufgeschoben, was die eigenen Fähigkeiten und kreativen Möglichkeiten begrenzt.
Chaos und Unordnung sind weitere unvermeidliche Folgen. Unsortierte Bilderberge machen es schwer, bestimmte Aufnahmen wiederzufinden. Verlust von Daten durch fehlende Backups wird wahrscheinlicher. Eine unorganisierte digitale Ablage frustriert und nimmt die Freude am Hobby.
Langfristig kann das Gefühl, „nicht dazu gekommen zu sein“, demotivierend wirken. Die Last der unerledigten Aufgaben hängt wie eine Wolke über der fotografischen Leidenschaft. Man zögert vielleicht sogar, neue Bilder zu machen, weil man weiß, dass die „Arbeit“ danach wartet. Das kann die Freude an der Fotografie schmälern oder sogar ganz zerstören.
Wie Sie endlich „dazu kommen“ – Strategien für Fotografen
Das Gute ist: Man ist diesem Kreislauf nicht hilflos ausgeliefert. Es gibt Strategien, um das Aufschieben zu überwinden und die notwendigen oder gewünschten fotografischen Aufgaben endlich anzugehen. Der Schlüssel liegt oft darin, die Aufgaben weniger einschüchternd zu gestalten und ihnen bewusst Raum im eigenen Leben zu geben.
1. Kleine Schritte machen
Anstatt den gesamten Berg auf einmal erklimmen zu wollen, teilen Sie ihn in kleinere, leichter zu bewältigende Etappen auf. Nehmen Sie sich nach einem Shooting nicht vor, alle 500 Bilder sofort perfekt zu bearbeiten. Nehmen Sie sich vor, heute Abend nur die besten 20 auszuwählen. Morgen widmen Sie sich der grundlegenden Belichtungs- und Farbkorrektur bei 10 Bildern. Übermorgen fügen Sie vielleicht bei 5 Bildern letzte Retuschen hinzu. Kleine, erreichbare Ziele schaffen Erfolgserlebnisse und halten die Motivation aufrecht.
2. Aufgaben fest einplanen
Genauso wie Sie Zeit für das Fotografieren selbst einplanen, planen Sie Zeit für das Danach ein. Blocken Sie sich feste Termine in Ihrem Kalender für die Bildbearbeitung oder das Lernen einer neuen Software. Sehen Sie diese Termine als genauso wichtig an wie andere Verpflichtungen. Eine feste Struktur hilft, das „Ich bin noch nicht dazu gekommen“ zu vermeiden.

3. Batch-Processing und Effizienz
Nicht jedes Bild braucht eine individuelle, stundenlange Bearbeitung. Nutzen Sie Funktionen zur Stapelverarbeitung (Batch-Processing) in Ihrer Software, um grundlegende Anpassungen (wie Weißabgleich, Belichtung, Objektivkorrekturen) auf eine ganze Serie von Bildern anzuwenden. Entwickeln Sie einen effizienten Workflow, der es Ihnen ermöglicht, schnell durch Bilder zu gehen, schlechte Aufnahmen auszusortieren und vielversprechende Kandidaten für eine detailliertere Bearbeitung zu markieren.
4. Setzen Sie realistische Ziele
Seien Sie ehrlich zu sich selbst, wie viel Zeit und Energie Sie realistisch investieren können. Es ist besser, regelmäßig kleine Fortschritte zu machen, als sich unrealistische Ziele zu setzen und dann entmutigt aufzugeben. Wenn Sie wissen, dass Sie unter der Woche kaum Zeit haben, planen Sie eine längere Session am Wochenende ein. Wenn selbst das schwierig ist, nehmen Sie sich nur 15 Minuten pro Tag vor – das ist besser als gar nichts.
5. Finden Sie Ihre Motivation
Erinnern Sie sich daran, warum Sie überhaupt fotografieren. Was möchten Sie mit Ihren Bildern erreichen? Möchten Sie sie drucken, teilen, verkaufen, oder einfach nur für sich selbst eine schöne Erinnerung schaffen? Das Wissen um den Zweck Ihrer Bilder kann eine starke treibende Kraft sein. Betrachten Sie die Bearbeitung nicht als Last, sondern als den letzten kreativen Schritt, der Ihr Bild vollendet.
6. Organisation als Grundlage
Eine gute Organisation Ihrer Bilder von Anfang an spart später viel Zeit und Nerven. Entwickeln Sie ein klares System zur Benennung von Dateien und Ordnern. Nutzen Sie Schlagwörter oder Bewertungen in Ihrer Software, um Bilder schnell wiederzufinden. Regelmäßige Backups sind unerlässlich, um Datenverlust zu vermeiden und die Gewissheit zu haben, dass Ihre Arbeit sicher ist.
Anwendung auf spezifische Aufgaben
Wie sehen diese Strategien konkret aus, angewendet auf häufig aufgeschobene fotografische Aufgaben?
Bildbearbeitung
Beginnen Sie mit dem Sichten: Gehen Sie schnell durch alle Bilder und löschen Sie sofort die offensichtlich schlechten (verwackelt, falsch belichtet, doppelt). Markieren Sie vielversprechende Bilder. Im nächsten Schritt konzentrieren Sie sich nur auf diese markierten Bilder und nehmen grundlegende Anpassungen vor. Erst danach wählen Sie die besten der besten für eine detaillierte Bearbeitung aus. Nutzen Sie Presets, um einen konsistenten Look zu erzielen und Zeit zu sparen.
Lernen neuer Software/Techniken
Brechen Sie den Lernprozess in kleine Einheiten auf. Nehmen Sie sich vor, heute nur eine bestimmte Funktion der Software zu lernen (z.B. Ebenenmasken in Photoshop oder die Nutzung von Katalogen in Lightroom). Suchen Sie gezielt nach kurzen Tutorials, die sich auf einzelne Aspekte konzentrieren. Versuchen Sie das Gelernte sofort an einem Ihrer eigenen Bilder anzuwenden. Planen Sie regelmäßige, kurze Lernsessions ein, anstatt zu versuchen, alles auf einmal zu lernen.
Bildarchivierung und Backup
Dies ist eine Aufgabe, die viele abschreckt. Beginnen Sie damit, ein klares System zu entwerfen (z.B. Ordner nach Jahr/Monat/Event). Nehmen Sie sich dann vor, jede Woche einen bestimmten Zeitraum (z.B. 30 Minuten) damit zu verbringen, alte Ordner zu sichten und in das neue System zu integrieren. Richten Sie automatische Backups ein, wo immer möglich, um diesen Teil der Aufgabe zu automatisieren.
Vergleich: Aufschieben vs. Anpacken
Betrachten wir die Auswirkungen des Aufschiebens und des Anpackens am Beispiel der Bildbearbeitung:
Aufgabe: Bildbearbeitung | Wenn Sie „nicht dazu kommen“ | Wenn Sie es anpacken |
---|---|---|
Ergebnis | Bilder bleiben unbearbeitet auf der Festplatte. | Fertige, optimierte Bilder zum Teilen, Drucken, etc. |
Lernkurve | Stagnation, keine Verbesserung der Bearbeitungsfähigkeiten. | Kontinuierliche Verbesserung der Bearbeitungs- und Bildsprache. |
Archiv | Unsortiert, schwer zu durchsuchen, Risiko des Verlusts. | Organisiert, leicht zugänglich, sicher (mit Backup). |
Motivation | Frustration, Gefühl der Überforderung, potenzielle Demotivation. | Erfolgserlebnisse, Stolz auf fertige Werke, gesteigerte Freude am Hobby. |
Zeitaufwand (kumuliert) | Oft höher, da Suchen und Sortieren später mehr Zeit kostet. | Effizienter durch regelmäßige, strukturierte Arbeit. |
Die Konsequenz des Aufschiebens mag kurzfristig Erleichterung verschaffen, langfristig führt sie jedoch zu mehr Arbeit, verpassten Chancen und potenzieller Frustration. Das Anpacken mag anfangs Überwindung kosten, führt aber zu besseren Ergebnissen, mehr Freude und einem Gefühl der Kontrolle über das eigene Hobby.
Häufig gestellte Fragen zum Thema Aufschieben
F: Ich habe wirklich keine Zeit. Was soll ich tun?
A: Oft ist es nicht der absolute Mangel an Zeit, sondern die Priorisierung. Versuchen Sie, auch nur 15-30 Minuten pro Tag oder ein oder zwei Stunden am Wochenende freizuschaufeln. Nutzen Sie „tote“ Zeiten, z.B. beim Pendeln (wenn Sie öffentliche Verkehrsmittel nutzen) zum Planen oder Sichten auf einem Tablet. Kleine, regelmäßige Einheiten sind effektiver als der Versuch, einmal im Monat einen ganzen Tag freizublocken.
F: Ich fühle mich von der Menge der Bilder einfach erschlagen.
A: Das ist normal. Beginnen Sie mit dem Ausmisten. Gehen Sie schnell durch die Bilder und löschen Sie alles, was nicht gut ist. Das reduziert die Menge sofort drastisch. Konzentrieren Sie sich dann nur auf die besten Bilder. Erinnern Sie sich an die 80/20-Regel: Oft sind 20% der Bilder für 80% der „Hits“ verantwortlich. Konzentrieren Sie Ihre Energie auf diese besten Bilder.
F: Ich weiß nicht, wo ich mit der Bearbeitung anfangen soll.
A: Wenn Sie neu in der Bearbeitung sind, suchen Sie sich einfache Tutorials für grundlegende Anpassungen wie Belichtung, Kontrast und Weißabgleich. Beginnen Sie mit einem oder zwei Bildern und versuchen Sie, diese Schritte nachzuvollziehen. Setzen Sie sich das Ziel, nur diese grundlegenden Anpassungen für eine Serie von Bildern zu machen. Komplexere Techniken können später folgen.
F: Mir fehlt die Motivation, mich nach einem langen Tag noch an den Computer zu setzen.
A: Versuchen Sie, eine feste Routine zu etablieren, die für Sie passt. Vielleicht ist es besser, 30 Minuten am Morgen zu arbeiten, bevor der Tag richtig losgeht. Oder machen Sie es sich abends gemütlich, hören Sie Musik und machen Sie die Bearbeitung zu einem entspannten Teil Ihres Abends. Finden Sie heraus, was Ihre Motivation steigert – das Betrachten inspirierender Bilder anderer Fotografen, das Setzen kleiner Belohnungen für erreichte Ziele oder das Teilen Ihrer fertigen Bilder mit anderen.
Fazit
Die Phrase „Ich bin noch nicht dazu gekommen“ ist mehr als nur eine Ausrede; sie beschreibt eine reale Herausforderung im Leben vieler Fotografen. Das Aufschieben von Aufgaben wie Bildbearbeitung, Organisation und Lernen kann die Freude am Hobby mindern und die eigene Entwicklung behindern. Indem wir die Gründe für das Aufschieben verstehen und proaktive Strategien wie das Teilen großer Aufgaben in kleine Schritte, das feste Einplanen von Zeit, die Nutzung effizienter Workflows und das Setzen realistischer Ziele anwenden, können wir lernen, endlich „dazu zu kommen“. Es erfordert Disziplin und bewusste Anstrengung, aber die Belohnung – fertige, präsentierbare Bilder, ein aufgeräumtes Archiv und stetige Weiterentwicklung – ist es allemal wert. Packen Sie es an!
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