70mm Film: Das verborgene Juwel des Mittelformats?

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Der 70mm Film ist für viele ein Mysterium, für andere eine Leidenschaft. Oft im Schatten des bekannteren 120er Films stehend, wird er von Kennern als potenziell überlegenes Format für die Mittelformatfotografie angesehen. Doch was genau ist 70mm Film, und gehört er wirklich zum Mittelformat? Tauchen wir ein in die Welt dieses faszinierenden Filmformats, das mehr zu bieten hat, als man auf den ersten Blick vermuten mag.

Ist 70 mm ein Mittelformat?
70 mm ist ein professioneller Mittelformatfilm , der aus langen Filmrollen in einer Kassette besteht. Er ist 70 mm hoch und in der Regel 30,5 Meter lang.

Was ist 70mm Film?

Technisch gesehen bezieht sich die Bezeichnung "70mm Film" auf die Breite des Films – exakt 69,85 mm, um genau zu sein. Dies unterscheidet ihn sofort vom standardmäßigen 120er Film, der etwa 60 mm breit ist. Ursprünglich wurde 70mm Film oft für großformatige Kinofilme verwendet (man denke an IMAX, obwohl das eine spezielle Variante ist). In der Stillfotografie fand er vor allem im professionellen Bereich Anwendung, beispielsweise bei Luftaufnahmen, wissenschaftlicher Dokumentation oder in spezialisierten Kamerasystemen wie der Hasselblad mit einem 70mm Rückteil. Der entscheidende Punkt, der zur Verwirrung beiträgt, ist nicht die Filmbreite allein, sondern die Bildgröße, die auf diesem Film belichtet wird. Kameras, die 70mm Film nutzen, erzeugen oft Bildformate wie 6x7 cm, 6x9 cm oder sogar größer, was sie klar in den Bereich des Mittelformats oder sogar des Großformats rückt, abhängig vom spezifischen Kamerasystem.

70mm vs. 120: Ein direkter Vergleich

Der Hauptgrund, warum Fotografen über 70mm als Alternative zu 120 nachdenken, liegt in den praktischen Vorteilen, die es bietet, insbesondere bei intensivem Gebrauch. Hier ein Überblick über die Unterschiede:

Merkmal70mm Film120er Film
Filmbreite69,85 mmca. 60 mm
PerforationJa (oft)Nein
Anzahl der Bilder pro Rolle (typisch)40-90+ (je nach Kamera/Format)10 (6x7), 12 (6x6), 15 (6x4.5)
Verfügbarkeit (Film)Begrenzt, oft SpezialanbieterSehr hoch
Verfügbarkeit (Kameras)Wenige Modelle, oft älterSehr hoch
Verarbeitung (Entwicklung)Spezialisiert, nicht jedes LaborStandard in den meisten Laboren
HandhabungEinfacher zu laden (oft Kassetten), weniger anfällig für FehlwicklungenKann bei Rollenwechsel im Freien schwieriger sein
Kosten (pro Bild)Potenziell niedriger bei hoher Nutzung (mehr Bilder pro Rolle)Potenziell höher bei hoher Nutzung (weniger Bilder pro Rolle)

Der offensichtlichste Vorteil von 70mm ist die deutlich höhere Anzahl an Aufnahmen pro Rolle. Für professionelle Anwendungen, bei denen schnell viele Bilder gemacht werden mussten (z.B. Sport, Events, Luftaufnahmen), war das ein enormer Effizienzgewinn. Man musste seltener den Film wechseln. Zudem ist der perforierte 70mm Film oft robuster und weniger anfällig für Probleme beim Transport oder in der Entwicklung als der unperforierte 120er Film.

Gehört 70mm zum Mittelformat? Eine Klärung

Diese Frage ist nicht ganz einfach mit Ja oder Nein zu beantworten, da die Definition von "Mittelformat" oft auf die Breite des Films (ca. 60mm für 120/220) oder die Größe des Negativs (z.B. 6x6, 6x7, 6x9 cm) abzielt. Da 70mm Film breiter ist als 120/220, könnte man argumentieren, dass er technisch nicht zum "Standard-Mittelformat" gehört, das durch 120er Film definiert wird. Allerdings erzeugen viele Kameras, die für 70mm Film konzipiert wurden (wie die Hasselblad V-System mit 70mm Magazin), Negativgrößen, die eindeutig im Bereich des Mittelformats liegen (z.B. 6x7 cm oder 6x6 cm). Andere Systeme können sogar noch größere Bilder belichten, die schon ins Großformat reichen.

Man kann es so sehen: 70mm Film ist ein Filmformat, das die Möglichkeit bietet, Mittelformat-Bilder (oder größere) auf einer längeren, robusteren Rolle aufzunehmen. Es ist also eher ein "Trägermedium" für Mittelformat (und Großformat) mit spezifischen Vorteilen, insbesondere in Bezug auf die Bildanzahl und Handhabung, als ein eigenes, vom Mittelformat völlig getrenntes Format im Sinne der Negativgröße. Für die praktische Fotografie wird 70mm oft im Kontext des Mittelformats diskutiert, eben weil die resultierenden Bilder typischerweise Mittelformat-Dimensionen haben.

Einstieg in die 70mm Fotografie: Weniger Furcht, mehr Freude

Der Einstieg in die 70mm Fotografie mag auf den ersten Blick einschüchternd wirken. Historisch bedingt gab es weniger zugängliche Informationen als für 120er Film, und die Ausrüstung war oft teuer und professionellen Anwendern vorbehalten. Doch heute, mit dem Internet und einer wachsenden Community, ist es einfacher denn je, sich diesem Format zu nähern. Der erste Schritt ist oft die Beschaffung einer geeigneten Kamera oder eines 70mm Magazins für ein bestehendes Mittelformatsystem (wie z.B. für Hasselblad V-System oder einige Mamiya RB/RZ Modelle). Diese findet man meist auf dem Gebrauchtmarkt.

Die Verfügbarkeit von 70mm Film war lange Zeit ein Problem, doch auch hier gibt es positive Entwicklungen. Einige Spezialanbieter konfektionieren 70mm Film von Großrollen bekannter Emulsionen. Es ist nicht so einfach wie der Gang zum nächsten Fotogeschäft für 120er Film, erfordert aber nur ein wenig Recherche. Die Entwicklung ist der nächste Punkt. Nicht jedes Standardlabor kann 70mm Film verarbeiten, da er andere Spulen und Tanks erfordert. Es gibt jedoch spezialisierte Labore, die diesen Service anbieten, oder man lernt die Selbstentwicklung, was mit der richtigen Ausrüstung und Anleitung durchaus machbar ist.

Was ist die Mattscheibe einer Kamera?
Eine Mattscheibe ist ein flaches, lichtdurchlässiges Material, entweder eine Mattscheibe oder eine Fresnel-Linse, das in Systemkameras verbaut ist und dem Benutzer die Vorschau des Bildausschnitts im Sucher ermöglicht . Mattscheiben sind oft in Varianten mit unterschiedlichen Markierungen für verschiedene Zwecke erhältlich.

Das Scannen der Negative ist ähnlich wie bei 120er Film, erfordert aber eventuell einen Scanner mit einem passenden Filmhalter oder die Verwendung von Nassmontage, um die oft perforierten Ränder und die Breite zu handhaben. Mit den richtigen Werkzeugen und ein wenig Übung ist auch dieser Schritt gut zu meistern.

Der Aufwand mag anfangs höher erscheinen, aber die Vorteile – insbesondere die hohe Anzahl an Bildern pro Rolle und die oft sehr gute Planlage des Films – können die Mühe wert sein. Es ist ein Format, das zur bewussten Fotografie einlädt und oft zu beeindruckenden Ergebnissen führt.

Die praktischen Vorteile von 70mm im Alltag

Abgesehen von den reinen Spezifikationen bietet 70mm Film handfeste Vorteile für den Fotografen im Feld:

  • Weniger Filmwechsel: Mit 40, 50 oder sogar über 70 Bildern pro Rolle (je nach Kamera und Format) können Sie deutlich länger fotografieren, ohne den Film wechseln zu müssen. Das ist besonders wertvoll in Situationen, in denen jede Sekunde zählt oder wenn das Wechseln des Films umständlich wäre.
  • Effizienz: Weniger Filmwechsel bedeuten einen flüssigeren Workflow und mehr Zeit, sich auf das Motiv zu konzentrieren.
  • Robustheit: Der perforierte 70mm Film ist in der Regel stabiler als 120er Film und weniger anfällig für Risse oder Kratzer, insbesondere während der Verarbeitung.
  • Zuverlässigkeit: Kassettenbasierte 70mm Systeme (wie bei Hasselblad) sind oft sehr zuverlässig und minimieren das Risiko von Lichteinfall oder Fehlwicklungen im Vergleich zum Laden von 120er Rollen im Freien.
  • Einzigartigkeit: Die Arbeit mit einem weniger verbreiteten Format kann inspirierend sein und verleiht Ihrer Fotografie eine zusätzliche Dimension.

Diese Vorteile erklären, warum 70mm Film im professionellen Bereich so geschätzt wurde und warum er auch heute noch für enthusiastische Fotografen attraktiv ist.

Mehr als nur Film: Eine wachsende 70mm Community

Wie der ursprüngliche Gedanke hinter der Informationssammlung zeigt, ist eine blühende Gemeinschaft entscheidend für die Zukunft der 70mm Fotografie. Da Informationen und Ressourcen nicht so weit verbreitet sind wie bei 120er Film, ist der Austausch unter Gleichgesinnten von unschätzbarem Wert. In einer Community können Erfahrungen geteilt, Fragen beantwortet und Lösungen für Herausforderungen bei der Beschaffung, Entwicklung oder dem Scannen gefunden werden.

Darüber hinaus hat eine engagierte Gruppe von 70mm Fotografen das Potenzial, die Verfügbarkeit des Formats positiv zu beeinflussen. Eine höhere Nachfrage kann Hersteller ermutigen, 70mm Film wieder in größeren Mengen oder sogar mit neuen Emulsionen anzubieten. Ebenso können spezialisierte Labore eher Dienstleistungen für 70mm anbieten, wenn sie wissen, dass es eine aktive Nutzerbasis gibt. Eine Community bietet auch moralische Unterstützung und Inspiration, was besonders hilfreich ist, wenn man sich mit einem weniger verbreiteten Format beschäftigt.

Häufig gestellte Fragen zu 70mm Film

Kann ich 70mm Film in meiner normalen 120er Kamera verwenden?
Nein. 70mm Film ist breiter und erfordert spezielle Kameras oder Kamerarückteile (Magazine), die für dieses Format ausgelegt sind.
Wo bekomme ich 70mm Film?
Die Verfügbarkeit ist begrenzt. Sie finden 70mm Film am ehesten bei spezialisierten Händlern oder Anbietern, die Film von Großrollen umkonfektionieren. Eine Suche online nach "70mm film for still photography" oder in Foren kann helfen.
Kann ich 70mm Film selbst entwickeln?
Ja, das ist möglich. Sie benötigen jedoch spezielle Entwicklungsdosen und Spulen, die für die Breite und Länge des 70mm Films ausgelegt sind. Die Chemie und der Prozess sind ähnlich wie bei 120er Film.
Ist 70mm Fotografie teuer?
Die Anschaffungskosten für Kameras oder Magazine können variieren. Der Film selbst ist pro Rolle oft teurer als 120er Film, aber da Sie deutlich mehr Bilder pro Rolle erhalten, können die Kosten pro Bild potenziell niedriger sein, besonders bei hohem Aufnahmevolumen. Die Entwicklung in einem Speziallabor kann ebenfalls Kosten verursachen.
Welche Kameras verwenden 70mm Film?
Historisch waren es viele professionelle Kameras, darunter einige Luftbildkameras. Am bekanntesten sind wahrscheinlich die Hasselblad V-System Kameras mit den speziellen 70mm Magazinen (A70 oder E70). Auch für einige Mamiya RB/RZ Systeme gab es Adapter.

Fazit: 70mm Film – Ein Format mit Potenzial

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass 70mm Film zwar technisch breiter ist als das standardmäßige 120er Mittelformat, aber in der Praxis oft genau dafür – für Mittelformat-Fotografie – genutzt wird. Seine Hauptvorteile liegen in der deutlich höheren Anzahl von Aufnahmen pro Rolle und der Robustheit des Films. Obwohl die Verfügbarkeit von Ausrüstung und Film sowie die Verarbeitung spezialisiert sind, ist 70mm Film für engagierte Fotografen, die bereit sind, sich ein wenig einzuarbeiten, eine faszinierende und lohnende Option. Es bietet eine andere Herangehensweise an die Mittelformatfotografie und kann, wie der Autor des ursprünglichen Textes meint, in vieler Hinsicht als das überlegene Format angesehen werden, insbesondere für bestimmte Anwendungen. Wenn Sie neugierig sind und bereit für eine kleine Herausforderung, könnte 70mm Film genau das Richtige sein, um Ihre Mittelformat-Erfahrung auf die nächste Stufe zu heben.

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Andenmatten Soltermann

Hallo! Ich bin Andenmatten Soltermann, ein Schweizer Fotograf, der leidenschaftlich die Essenz der Welt durch seine Linse einfängt. Geboren und aufgewachsen in den majestätischen Schweizer Alpen, haben die deutsche Sprache und atemberaubende Landschaften meine kreative Vision geprägt. Meine Liebe zur Fotografie begann mit einer alten analogen Kamera, und seitdem widme ich mein Leben der Kunst, visuelle Geschichten zu erzählen, die berühren und verbinden.In meinem Blog teile ich praktische Tipps, Techniken und Erfahrungen, um dir zu helfen, deine fotografischen Fähigkeiten zu verbessern – egal, ob du ein neugieriger Anfänger oder ein erfahrener Profi bist. Von der Beherrschung des natürlichen Lichts bis hin zu Ratschlägen für wirkungsvolle Bildkompositionen ist es mein Ziel, dich zu inspirieren, die Welt mit neuen Augen zu sehen. Mein Ansatz verbindet Technik mit Leidenschaft, immer auf der Suche nach dem Funken, der ein Foto unvergesslich macht.Wenn ich nicht hinter der Kamera stehe, findest du mich auf Bergpfaden, auf Reisen nach neuen Perspektiven oder beim Genießen der Schweizer Traditionen, die mir so am Herzen liegen. Begleite mich auf dieser visuellen Reise und entdecke, wie Fotografie die Art und Weise, wie du die Welt siehst, verändern kann.

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