Die Astrofotografie erfreut sich wachsender Beliebtheit. Doch wer gestochen scharfe Aufnahmen von Sternen, Galaxien oder Nebeln mit langen Belichtungszeiten machen möchte, stößt schnell auf eine grundlegende Herausforderung: die Erddrehung. Ohne eine geeignete Technik zur Nachführung würden sich die Himmelskörper während der Belichtungszeit als unschöne Strichspuren abbilden. Hier kommt die parallaktische Montierung ins Spiel – ein unverzichtbares Werkzeug für ambitionierte Astrofotografen.

Im Gegensatz zu einfachen Fotostativen oder azimutalen Montierungen, die sich in horizontaler (Azimut) und vertikaler (Höhe) Richtung bewegen, wurde die parallaktische Montierung speziell entwickelt, um die scheinbare Bewegung der Himmelskörper am Nachthimmel auszugleichen. Ihr Geheimnis liegt in ihrer einzigartigen Ausrichtung.
Wie funktioniert eine parallaktische Montierung?
Das Kernprinzip einer parallaktischen Montierung besteht darin, eine ihrer Rotationsachsen, die sogenannte Stundenachse oder Rektaszensionsachse, exakt parallel zur Erdachse auszurichten. Diesen Vorgang nennt man Polausrichtung. Auf der Nordhalbkugel zeigt diese Achse direkt auf den Himmelspol, der sich in der Nähe des Polarsterns befindet. Die Neigung der Stundenachse gegenüber dem Horizont entspricht dabei genau der geografischen Breite des Beobachtungsortes.
Senkrecht zur Stundenachse steht die zweite Achse, die Deklinationsachse. An dieser Achse wird das Teleskop oder die Kamera befestigt, oft zusammen mit einem Gegengewicht, um das System im Gleichgewicht zu halten. Die Bewegung um die Deklinationsachse dient dazu, das gewünschte Himmelsobjekt unabhängig von seiner Position am Himmel (gemessen in Deklination) anzupeilen.
Der Clou der parallaktischen Montierung ist die Nachführung: Da die Stundenachse parallel zur Erdachse ausgerichtet ist, drehen sich die Himmelskörper scheinbar um diese Achse. Durch eine konstante Drehung um die Stundenachse – mit der gleichen Geschwindigkeit, mit der sich die Erde dreht (der sogenannten Siderialgeschwindigkeit) – kann das angepeilte Objekt exakt im Gesichtsfeld gehalten werden. Diese Nachführung kann manuell erfolgen, wird aber für die Astrofotografie fast immer motorisiert umgesetzt, oft als „Clock Drive“ oder Stundenachsentrieb bezeichnet.

Vorteile der parallaktischen Montierung für die Fotografie
Der größte Vorteil der parallaktischen Montierung, insbesondere für die Astrofotografie, ist die Möglichkeit, Himmelskörper durch Drehung um nur eine einzige Achse (die Stundenachse) präzise nachzuführen. Dies hat mehrere entscheidende Vorteile:
- Vermeidung von Strichspuren: Bei langen Belichtungszeiten, die in der Astrofotografie üblich sind (von Sekunden bis zu vielen Minuten oder sogar Stunden), sorgt die exakte Nachführung dafür, dass Sterne und andere Objekte punktförmig abgebildet werden und nicht als Strichspuren.
- Keine Bildfelddrehung: Dies ist ein kritischer Punkt für die Astrofotografie. Bei azimutalen Montierungen, die sich um Höhe und Azimut bewegen, dreht sich das Bildfeld um das angepeilte Objekt. Dies führt dazu, dass bei längerer Belichtung die Sterne am Rand des Bildes kreisförmige Spuren ziehen, selbst wenn das zentrale Objekt nachgeführt wird. Eine parallaktische Montierung kompensiert die Erddrehung so, dass keine Bildfelddrehung auftritt. Dies ist unerlässlich für scharfe Aufnahmen über das gesamte Bildfeld und besonders wichtig, wenn mehrere Aufnahmen für ein Stack (Überlagerung zur Rauschreduzierung) gemacht werden.
- Einfachere motorische Nachführung: Da nur eine Achse mit konstanter Geschwindigkeit angetrieben werden muss, ist die Konstruktion und Steuerung eines Nachführmotors einfacher als bei azimutalen Montierungen, die komplexe Bewegungen um zwei Achsen erfordern.
- Nutzung von Himmelskoordinaten: Viele parallaktische Montierungen verfügen über Teilkreise oder sind mit digitalen Systemen ausgestattet, die es erlauben, Objekte anhand ihrer Rektaszension und Deklination (den Himmelskoordinaten) gezielt anzusteuern. Moderne Go-to-Montierungen machen dies vollautomatisch.
- Autoguiding-Fähigkeit: Für extrem lange Belichtungen und höchste Präzision können parallaktische Montierungen mit einem Autoguider-Port ausgestattet sein. Ein Autoguider verfolgt einen Leitstern im Gesichtsfeld und sendet bei Bedarf Korrekturbefehle an die Montierung, um auch kleinste Nachführfehler, wie zum Beispiel den periodischen Fehler eines Schneckengetriebes, auszugleichen. Dies ermöglicht extrem scharfe Aufnahmen über sehr lange Zeiträume.
Nachteile und Herausforderungen
Trotz ihrer Überlegenheit für die Astrofotografie haben parallaktische Montierungen auch Nachteile:
- Mechanische Komplexität: Der Aufbau ist in der Regel aufwendiger und damit oft teurer und schwerer als bei vergleichbaren azimutalen Montierungen.
- Handhabung: Aufgrund der schrägen Achsen ist die intuitive Bewegung wie bei einem Fotostativ nicht gegeben. Das Schwenken erfordert Übung.
- Meridian-Flip: Bei einigen parallaktischen Montierungsarten (insbesondere der deutschen Montierung) kann es vorkommen, dass das Teleskop an die Montierungsteile stößt, wenn es den Meridian (die gedachte Linie von Nord nach Süd über den Himmel) überquert. Um ein Objekt weiterverfolgen zu können, muss das Teleskop auf die andere Seite der Montierung geschwenkt werden (Meridian-Flip). Dies unterbricht die Beobachtung oder Belichtung und kann bei der Astrofotografie eine Herausforderung darstellen, da das Objekt neu zentriert und die Belichtung fortgesetzt werden muss.
- Position des Okulars/der Kamera: Bei Teleskopen mit seitlichem Einblick (wie Newton-Teleskopen) kann sich die Position des Okulars oder der Kamera je nach Ausrichtung der Montierung und des Tubus in einer ungünstigen, schwer zugänglichen Position befinden. Manchmal ist ein Verdrehen des Tubus in den Rohrschellen notwendig.
- Polausrichtung: Die korrekte Polausrichtung ist für die präzise Nachführung unerlässlich, kann aber besonders für Anfänger oder an unbekannten Beobachtungsorten eine Herausforderung darstellen und Zeit in Anspruch nehmen.
Verschiedene Arten von parallaktischen Montierungen
Im Laufe der Zeit wurden verschiedene Konstruktionsprinzipien für parallaktische Montierungen entwickelt, um unterschiedlichen Anforderungen und Teleskoptypen gerecht zu werden:
- Deutsche Montierung (German Equatorial Mount - GEM): Dies ist der vielleicht bekannteste Typ, entwickelt von Joseph von Fraunhofer. Die Struktur ähnelt einem „T“. Die Stundenachse ist der untere Arm, die Deklinationsachse der obere. Das Teleskop wird am einen Ende der Deklinationsachse befestigt, am anderen Ende ein Gegengewicht. Sie ist in der Amateurastronomie sehr verbreitet. Der Nachteil ist der mögliche Meridian-Flip.
- Gabelmontierung (Open Fork Mount): Bei diesem Typ ist das Teleskop zwischen zwei Armen einer Gabel gelagert, die sich um die Deklinationsachse dreht. Die Gabel wiederum ist an ihrer Basis mit der Stundenachse verbunden. Oft wird eine Gabelmontierung auf einer sogenannten Polhöhenwiege platziert, um die Stundenachse parallel zur Erdachse auszurichten. Dieser Typ eignet sich besonders gut für kurz bauende Teleskope wie Schmidt-Cassegrains oder Maksutovs. Ein Vorteil ist, dass kein Gegengewicht benötigt wird, wenn das Teleskop gut ausbalanciert ist.
- Englische Montierung oder Jochmontierung (English or Yoke Mount): Bei dieser Konstruktion ist die Stundenachse an zwei Punkten gelagert, oft in einem rahmenartigen Joch. Das Teleskop ist in der Mitte des Jochs gelagert und dreht sich um die Deklinationsachse. Ein Nachteil des klassischen englischen Jochs ist, dass die Beobachtung oder Fotografie von Objekten nahe am Himmelspol (Polaris) durch den Rahmen blockiert werden kann.
- Hufeisenmontierung (Horseshoe Mount): Diese ist eine Weiterentwicklung der englischen Montierung, die das Problem der eingeschränkten Polnähe löst. Anstelle eines geschlossenen Lagers am oberen Ende der Stundenachse wird ein offenes Hufeisenlager verwendet. Das bekannteste Beispiel ist die Montierung des 5-Meter-Hale-Teleskops am Palomar Observatory.
- Kreuzachsenmontierung (Cross-axis Mount / English Cross Axis Mount): Diese ähnelt einem großen „Plus“-Zeichen. Die Stundenachse ist an beiden Enden gelagert, und die Deklinationsachse ist etwa in der Mitte angebracht. Das Teleskop sitzt an einem Ende der Deklinationsachse, am anderen ein Gegengewicht.
- Äquatoriale Plattform (Equatorial Platform): Dies ist keine Montierung im klassischen Sinne, sondern eine Plattform, die unter eine azimutale Montierung gestellt wird (oft bei Dobson-Teleskopen verwendet). Die Plattform selbst bewegt sich über eine kurze Zeitspanne (z. B. eine Stunde) äquatorial nach, sodass das darauf stehende Teleskop das Objekt nachführt, ohne dass das Teleskop selbst auf einer parallaktischen Montierung sitzt. Dies ist eine einfache Möglichkeit, azimutalen Teleskopen eine Nachführfähigkeit für die visuelle Beobachtung oder kurzzeitige Fotografie zu verleihen.
Parallaktisch vs. Azimutal: Der entscheidende Unterschied
Die Wahl zwischen einer parallaktischen und einer azimutalen Montierung hängt stark vom Verwendungszweck ab. Während azimutale Montierungen oft einfacher, leichter und intuitiver in der Bedienung sind (vergleichbar mit einem Fotostativ), sind sie für die Astrofotografie mit langen Belichtungszeiten nur bedingt geeignet, es sei denn, es kommt eine aufwendige Derotationsoptik zum Einsatz.
Hier ist ein kurzer Vergleich:
| Merkmal | Parallaktische Montierung | Azimutale Montierung |
|---|---|---|
| Achsen | Eine Achse (Stundenachse) parallel zur Erdachse, eine senkrecht dazu (Deklinationsachse). | Eine Achse vertikal (Höhe/Altitude), eine horizontal (Azimut). |
| Nachführung | Nachführung durch konstante Bewegung um nur eine Achse (Stundenachse). | Nachführung erfordert gleichzeitige, variable Bewegung um beide Achsen. |
| Astrofotografie (lange Belichtung) | Ideal. Vermeidet Strichspuren und Bildfelddrehung. | Nicht ideal. Führt zu Strichspuren am Bildrand durch Bildfelddrehung, es sei denn, eine spezielle Derotationsoptik wird verwendet. |
| Bedienung | Komplexer in der Einrichtung (Polausrichtung). Schwenken erfordert Übung. | Intuitiver, wie ein Fotostativ. |
| Mechanik | Oft komplexer, schwerer, teurer. | Oft einfacher, leichter, günstiger. |
| Polausrichtung nötig? | Ja, unbedingt für präzise Nachführung. | Nein. |
| Meridian-Flip? | Möglich bei bestimmten Bauarten (z.B. deutsche Montierung). | Nicht nötig. |
| Moderne Steuerung | Motorische Nachführung, Go-to, Autoguiding weit verbreitet. | Motorische Nachführung und Go-to möglich, erfordert aber komplexere Steuerung beider Achsen. |
Für die visuelle Beobachtung ist eine azimutale Montierung oft ausreichend und angenehmer zu bedienen. Sobald aber Astrofotografie mit Belichtungszeiten von mehr als wenigen Sekunden ins Spiel kommt, ist die parallaktische Montierung aufgrund ihrer Fähigkeit, die Bildfelddrehung zu eliminieren und eine präzise Nachführung zu ermöglichen, klar im Vorteil.
Häufige Fragen zur parallaktischen Montierung
Warum ist die Polausrichtung so wichtig?
Die Polausrichtung ist absolut entscheidend. Nur wenn die Stundenachse exakt parallel zur Erdachse ausgerichtet ist, drehen sich die Himmelskörper scheinbar exakt um diese Achse. Eine präzise Nachführung durch Drehung um nur diese eine Achse ist dann möglich. Fehler bei der Polausrichtung führen zu einem Drift des Objekts im Gesichtsfeld, der durch Nachführung um die Deklinationsachse korrigiert werden müsste, oder – schlimmer noch – zu einer Bildfelddrehung, die Langzeitbelichtungen für die Fotografie unbrauchbar macht.
Ist eine parallaktische Montierung nur für Astrofotografie geeignet?
Nein, sie kann auch für die visuelle Beobachtung verwendet werden. Der Vorteil ist auch hier die einfache Nachführung. Das Objekt bleibt im Gesichtsfeld stehen, indem man nur eine Achse nachführt (manuell oder motorisch). Bei azimutalen Montierungen muss man ständig beide Achsen nachführen, um das Objekt im Okular zu halten.
Sind parallaktische Montierungen kompliziert zu bedienen?
Die anfängliche Einrichtung (Polausrichtung) erfordert etwas Übung und Verständnis. Die intuitive Bedienung ist anders als bei einem Fotostativ. Moderne Go-to-Montierungen vereinfachen das Auffinden von Objekten erheblich. Mit etwas Einarbeitungszeit sind sie aber gut beherrschbar.

Brauche ich immer ein Gegengewicht?
Bei der deutschen Montierung ist ein Gegengewicht notwendig, um das System auszubalancieren. Der Schwerpunkt aller beweglichen Teile sollte im Schnittpunkt der Stunden- und Deklinationsachse liegen. Dies reduziert die Belastung der Motoren und Getriebe und ermöglicht eine ruhigere Nachführung. Bei Gabelmontierungen ist oft kein Gegengewicht nötig, wenn das Teleskop gut in der Gabel ausbalanciert ist.
Kann ich meine azimutale Montierung in eine parallaktische umwandeln?
Nicht wirklich die Montierung selbst, aber man kann eine azimutale Montierung (insbesondere Gabelmontierungen) auf eine Polhöhenwiege setzen. Diese Wiege kippt die gesamte Montierung, sodass die Azimutachse parallel zur Erdachse ausgerichtet wird und somit als Stundenachse fungiert. So erhält man eine äquatoriale Nachführung.
Gibt es Unterschiede in der Stabilität?
Ja, die Stabilität ist bei Montierungen entscheidend, insbesondere für die Astrofotografie. Eine unterdimensionierte Montierung führt zu Vibrationen und ungenauer Nachführung. Eine gute parallaktische Montierung sollte das Gewicht des Teleskops und der Kamera problemlos tragen und auch bei leichten Windböen stabil bleiben. Die Tragfähigkeit ist ein wichtiges Kriterium beim Kauf.
Fazit
Für jeden, der ernsthaft in die Astrofotografie einsteigen möchte, ist eine parallaktische Montierung eine unumgängliche Investition. Sie löst das fundamentale Problem der Erddrehung auf elegante und effektive Weise und ermöglicht die Aufnahme von beeindruckenden Bildern des Kosmos, die mit anderen Montierungstypen so nicht möglich wären. Auch wenn die Einrichtung anfangs etwas aufwendiger sein mag und die Handhabung Übung erfordert, überwiegen die Vorteile für die Langzeitbelichtungsfotografie bei weitem. Ob deutsche Montierung, Gabelmontierung oder ein anderer Typ – die parallaktische Montierung ist das Arbeitstier für die himmlische Fotopirsch.
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