Die Internationale Raumstation (ISS) ist heute ein strahlendes Symbol für internationale Kooperation und wissenschaftlichen Fortschritt im Weltraum. Doch ihr Weg ins All war lang und komplex, geprägt von den politischen Spannungen des Kalten Krieges und dem schrittweisen Zusammenfügen einzelner Module in einer Höhe von rund 400 Kilometern über der Erde.

Die Wurzeln im Kalten Krieg: Wettlauf und erste Stationen
Die Idee einer ständig bemannten Raumstation war schon früh ein Ziel der Raumfahrtmächte. Bereits Anfang der 1960er Jahre dachte die NASA über eine Station für zehn bis zwanzig Personen nach. Die Sowjetunion machte jedoch den ersten Schritt und startete am 19. April 1971 mit Saljut 1 die erste Orbitalstation der Menschheit. Dies war ein bedeutender Schritt hin zu einer permanenten Präsenz im Erdorbit.

In den USA konzentrierte man sich nach dem Apollo-Programm zunächst auf das Space Shuttle, startete aber 1973 mit Skylab ebenfalls eine eigene Raumstation. Skylab bot drei Besatzungen insgesamt 171 Tage Aufenthalt für wissenschaftliche Experimente. Während die USA sich auf das Shuttle verlegten, sammelte die Sowjetunion mit weiteren Saljut-Stationen und insbesondere der modularen Raumstation Mir umfangreiche Erfahrung mit Langzeitaufenthalten im All. Mir wurde am 20. Februar 1986 gestartet und erreichte mit ihren später angekoppelten Forschungssegmenten eine Masse von über 120 Tonnen. Sie überstand den Zusammenbruch der Sowjetunion und diente bis zu ihrem kontrollierten Absturz 2001 auch westlichen Wissenschaftlern.
In den 1980er Jahren suchte die NASA nach längerfristigen Erfahrungen im Orbit und sah eine Raumstation auch als Zeichen der friedlichen Zusammenarbeit und technologischen Dominanz des Westens. Auch in Europa, das sich mit der Ariane-Rakete und dem Spacelab-Raumlabor (erstmals mit Ulf Merbold 1983 auf einer US-Shuttle-Mission im Einsatz) den Zugang zum All gesichert hatte, wurde die Idee einer eigenen Raumstation diskutiert.
Vom Wettlauf zur Kooperation: Die Geburt einer internationalen Idee
Die Idee einer gemeinsamen internationalen Station nahm 1983 Gestalt an, als die USA Gespräche mit Partnern in Europa, Japan und Kanada begannen. US-Präsident Ronald Reagan beauftragte die NASA 1984 offiziell mit der Entwicklung einer dauerhaft besetzten Raumstation, die zunächst den Namen Freedom tragen sollte. Geplanter Start war 1992.
Europa, insbesondere Deutschland, Italien und Frankreich, stimmte seine Beiträge ab. Frankreich setzte auf die Weiterentwicklung der Ariane zur Ariane 5 und den Raumgleiter HERMES (später eingestellt), während Deutschland und Italien das Forschungsmodul Columbus in den Mittelpunkt stellten. Die ESA beschloss 1985 die Beteiligung an der amerikanischen Station, 1987 folgte die Bestätigung des Columbus-Programms.
Mehrere Faktoren führten zu Verzögerungen im Freedom-Programm: komplizierte Budgetverhandlungen, unterschiedliche Auffassungen über den Charakter der Station und vor allem der Verlust des Space Shuttles Challenger 1986. Dann, mit dem Fall der Berliner Mauer 1989 und dem Zusammenbruch der Sowjetunion, veränderte sich die weltpolitische Lage grundlegend. Kooperation ersetzte die Konkurrenz des Kalten Krieges.
1993 lud die USA Russland zur Beteiligung am Raumstationsprogramm ein. Die anderen Partner stimmten 1994 zu. Russlands Erfahrung im Bau und Management von Raumstationen (Mir) war von unschätzbarem Wert. Zudem half die Zusammenarbeit, russische Ingenieure mit sensiblem Wissen im Land zu halten. Ein weiterer Partner verteilte zudem die enormen Kosten und stellte mit Sojus und Proton wichtige Trägersysteme bereit. Das ursprüngliche Freedom-Projekt wurde gekürzt, in Space Station Alpha umbenannt und schließlich mit Russlands Beiträgen (basierend auf Plänen für Mir 2) grundlegend überarbeitet. Die Station erhielt den Namen Internationale Raumstation, kurz ISS.

1998 wurde ein neues, umfassendes Regierungsübereinkommen unterzeichnet, das den völkerrechtlichen Rahmen schuf. Es basierte auf dem Grundsatz gleichberechtigter Partnerschaft und gilt als wegweisendes Dokument internationaler Zusammenarbeit im All.
Der Aufbau im Orbit: Stück für Stück zum Giganten
Der Aufbau der ISS war ein logistisches und technisches Meisterwerk. Die Station wurde nicht als Ganzes gestartet, sondern modular aufgebaut. Einzelne Baugruppen, oft so groß wie ein Bus oder ein Zugwaggon, wurden von Trägerraketen und Raumfähren in den Erdorbit gebracht und dort von Astronauten bei Weltraumausstiegen (EVAs) und mithilfe von Roboterarmen zusammengefügt. Es waren rund 40 Aufbauflüge nötig, davon 37 mit Space Shuttles bis zu deren Ausmusterung 2011, der Rest mit russischen Proton- und Sojus-Raketen.
Unbemannter Aufbau
Den Anfang machte das von Russland gebaute Fracht- und Antriebsmodul Sarja (russ. „Morgenröte“), das am 20. November 1998 von einer Proton-Rakete gestartet wurde. Zwei Wochen später brachte die Space-Shuttle-Mission STS-88 den ersten Verbindungsknoten Unity (Node 1) ins All, der mit Sarja verbunden wurde. Dieser Knoten verbindet den russischen und den amerikanischen Teil der Station.
Im Sommer 2000 folgte das russische Wohnmodul Swesda (russ. „Stern“), ebenfalls gestartet mit einer Proton-Rakete, das automatisch an Sarja andockte. Swesda ist das zentrale russische Modul mit Steuereinrichtungen, Lebenserhaltungssystemen und Wohnbereichen. Logistikflüge mit Space Shuttles und russischen Progress-Transportern brachten Ausrüstung und Vorräte. Im Oktober 2000 wurde das erste Gittersegment (Integrated Truss Structure Z1) installiert, das vorübergehend Solarzellen aufnahm und Apparaturen zur Lageregelung beherbergte. Am 2. November 2000 zog die erste Langzeitbesatzung, ISS-Expedition 1, auf der Station ein.
Bemannter Aufbau
Mit der Ankunft der ersten Besatzung begann die Phase des bemannten Aufbaus. Wichtige Module und Komponenten wurden nach und nach hinzugefügt:
- Dezember 2000: Das erste große Solarmodul (P6) wird geliefert und installiert, zunächst provisorisch, später an seiner endgültigen Position.
- Februar 2001: Das US-amerikanische Labormodul Destiny wird mit STS-98 gebracht und an Unity angedockt. Es bietet Platz für Experimente in verschiedenen wissenschaftlichen Disziplinen.
- April 2001: Der erste Roboterarm der Station, Canadarm2, wird mit STS-100 geliefert. Er ist entscheidend für den weiteren Aufbau und die Wartung.
- Juli 2001: Die US-Luftschleuse Quest wird geliefert. Sie ermöglicht Weltraumausstiege mit amerikanischen Raumanzügen ohne Shuttle.
- September 2001: Das russische Kopplungsmodul Pirs wird geliefert. Es dient als Andockpunkt und Luftschleuse für russische Raumanzüge (später durch Nauka ersetzt).
- 2002-2007: Weitere Gitterelemente (S0, S1, P1, S3/S4, P3/P4, S5, P5) werden installiert, die das Gerüst der Station bilden und weitere Solarmodule aufnehmen.
- Oktober 2007: Der Verbindungsknoten Harmony (Node 2) wird geliefert. Er bildet den Übergang zu den europäischen und japanischen Laboren.
- Februar 2008: Das europäische Labormodul Columbus wird geliefert und installiert.
- Juni 2008 - Juli 2009: Die Hauptkomponenten des japanischen Kibō-Labors werden installiert, darunter das Hauptmodul, die Experimentierplattform und der Roboterarm.
- März 2009: Das vierte und letzte große US-Solarmodul (S6) wird installiert.
- November 2009: Das russische Kopplungsmodul Poisk wird geliefert.
- Februar 2010: Der Verbindungsknoten Tranquility (Node 3) und die Aussichtskuppel Cupola werden installiert.
- Mai 2010 - März 2011: Weitere russische Module (Rasswet) und logistische Module (PMM Leonardo) werden hinzugefügt.
- Mai 2011: Das Alpha-Magnet-Spektrometer (AMS) wird installiert.
- Juli 2021: Das russische Mehrzweck-Labor-Modul Nauka wird geliefert und installiert.
- November 2021: Das russische Kopplungsmodul Pritschal wird geliefert.
Durch diese schrittweisen Anbauten wuchs die ISS zu ihrer heutigen Größe heran, dem größten künstlichen Satelliten im Erdorbit mit einer Masse von rund 450 Tonnen und einer Ausdehnung vergleichbar der eines Fußballfeldes.
Versorgung und Betrieb
Die Versorgung der ISS mit Lebensmitteln, Wasser, Sauerstoff, Ersatzteilen und Experimenten ist eine kontinuierliche Aufgabe, die von verschiedenen Raumfahrzeugen übernommen wird:
| Raumfahrzeug | Herkunft | Status | Nutzlastkapazität (ca.) | Rücktransport möglich? | Docking-Methode |
|---|---|---|---|---|---|
| Progress | Russland | Aktiv | 2,5 Tonnen | Nein (verglüht) | Automatisch |
| Space Shuttle | USA | Ausgemustert (2011) | Sehr hoch (je nach Konfiguration) | Ja | Manuell/Automatisch |
| ATV (Automated Transfer Vehicle) | ESA (Europa) | Ausgemustert (2014) | 7,5 Tonnen | Nein (verglüht) | Automatisch |
| HTV (H-2 Transfer Vehicle) | JAXA (Japan) | Ausgemustert (2020) | 6 Tonnen | Nein (verglüht) | Eingefangen durch Roboterarm |
| Dragon (Cargo Dragon 2) | SpaceX (USA) | Aktiv | Ca. 6 Tonnen | Ja | Automatisch |
| Cygnus | Northrop Grumman (USA) | Aktiv | Ca. 3,7 Tonnen | Nein (verglüht) | Eingefangen durch Roboterarm |
Die Station wird seit dem 2. November 2000 dauerhaft von Raumfahrern bewohnt. Die Besatzungsgröße variierte über die Jahre und beträgt derzeit sieben Personen. Der Austausch der Besatzungen erfolgt hauptsächlich mit russischen Sojus-Raumschiffen und den amerikanischen Crew Dragon Raumschiffen.
Herausforderungen und das Leben an Bord
Der Betrieb einer Raumstation in der niedrigen Erdumlaufbahn ist technisch anspruchsvoll. Die ISS verliert durch die Reibung mit der dünnen Restatmosphäre ständig an Höhe und muss regelmäßig angehoben werden (Reboost-Manöver), was Treibstoff kostet. Zudem ist die Station der Gefahr durch Weltraumschrott und Mikrometeoroiden ausgesetzt, weshalb Ausweichmanöver oder das Schließen von Schotten bei drohenden Kollisionen notwendig sind.

Das Leben an Bord der ISS erfordert spezielle Anpassungen an die Schwerelosigkeit. Lebenserhaltungssysteme recyceln Wasser (auch Urin und Schweiß) und erzeugen Sauerstoff durch Wasserelektrolyse. Abfälle werden gesammelt und in Frachtern zur Verglühung in der Atmosphäre entsorgt. Um den körperlichen Folgen der Schwerelosigkeit entgegenzuwirken (Muskel- und Knochenschwund), absolvieren die Astronauten täglich zwei Stunden Sport. Auch medizinische Notfallausrüstung und Brandschutzsysteme sind an Bord vorhanden.
Zukunft der ISS und Nachfolgeprojekte
Ursprünglich bis 2020 geplant, wurde der Betrieb der ISS mehrfach verlängert. Aktuell planen die beteiligten Raumfahrtagenturen den Betrieb bis mindestens 2028, die NASA, ESA und CSA streben eine Nutzung bis 2030 an. Russland prüft eine Verlängerung seiner Systeme bis 2030, plant aber gleichzeitig den Ausstieg aus der ISS „nach 2024“ und den Aufbau einer eigenen russischen Orbitalstation (ROSS).
Nach dem Ende der ISS ist ein gezielter Wiedereintritt in die Erdatmosphäre geplant, um Trümmer im unbewohnten Teil des Südpazifiks zu versenken. Russische Progress-Transporter und ein geplanter US-Deorbit Vehicle sollen den nötigen Bremsschub liefern.
Als Nachfolgeprojekte werden in den USA privat betriebene Raumstationen angestrebt, die von der NASA gefördert werden, darunter das Axiom Segment, das zunächst an die ISS angebaut werden soll, und die geplante Starlab-Station.
Häufig gestellte Fragen zur ISS
Wie wurde die ISS ins All gebracht?
Die ISS wurde nicht als Ganzes gestartet, sondern in einzelnen Modulen und Komponenten. Diese wurden über viele Jahre hinweg mit verschiedenen Trägerraketen (Proton, Sojus, Ariane 5 - für ATV) und vor allem mit dem Space Shuttle in den Erdorbit transportiert. Dort wurden die Teile von Astronauten bei Außenbordeinsätzen und mithilfe von Roboterarmen zusammengefügt.
Was gab es vor der ISS?
Vor der ISS gab es verschiedene Raumstationen, die von einzelnen Nationen betrieben wurden. Die Sowjetunion/Russland betrieb die Saljut-Reihe und die modulare Raumstation Mir. Die USA betrieben die Station Skylab. Diese früheren Stationen lieferten wichtige Erfahrungen für den Bau und Betrieb der ISS.

Wer hat die ISS gebaut?
Die ISS ist ein Gemeinschaftsprojekt von 16 Staaten, repräsentiert durch fünf Raumfahrtagenturen: NASA (USA), Roskosmos (Russland), ESA (Europa), CSA (Kanada) und JAXA (Japan). Jede Agentur war für den Bau und Betrieb bestimmter Module oder Komponenten verantwortlich.
Wie groß und schwer ist die ISS?
Nach ihrer Fertigstellung hat die ISS eine Ausdehnung von etwa 109 m Länge, 51 m Breite und 73 m Höhe. Ihre Masse beträgt rund 450 Tonnen.
Wie lange soll die ISS noch betrieben werden?
Derzeit ist geplant, die ISS bis mindestens 2028 zu betreiben. Die Raumfahrtagenturen NASA, ESA und CSA streben eine Nutzung bis 2030 an. Russland plant, nach 2024 aus dem Projekt auszusteigen und eine eigene Station zu errichten.
Wie schnell fliegt die ISS und wie hoch ist ihre Umlaufbahn?
Die ISS kreist in einer Höhe von typischerweise 370 bis 460 km mit einer Geschwindigkeit von etwa 28.800 km/h. Sie umrundet die Erde etwa alle 93 Minuten.
Was passiert mit der ISS am Ende ihrer Lebensdauer?
Am Ende ihrer Nutzungsdauer soll die ISS gezielt in die Erdatmosphäre eintreten. Die meisten Teile werden dabei verglühen. Nicht verglühte Trümmer sollen kontrolliert im unbewohnten Teil des Südpazifiks versenkt werden.
Die Internationale Raumstation ist ein beeindruckendes Beispiel dafür, was erreicht werden kann, wenn Nationen zusammenarbeiten. Ihre Geschichte von den Anfängen im Kalten Krieg bis zum heutigen Symbol der globalen Forschungskooperation ist einzigartig und zeigt den unermüdlichen Geist der menschlichen Erkundung des Weltraums.
Hat dich der Artikel Wie die ISS den Orbit eroberte interessiert? Schau auch in die Kategorie Ogólny rein – dort findest du mehr ähnliche Inhalte!
