Wie hängt Wolfgang Tillmans seine Fotos auf?

Wolfgang Tillmans: Einblicke in sein Werk

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Wolfgang Tillmans, geboren 1968 in Remscheid, ist unbestreitbar eine Schlüsselfigur in der zeitgenössischen Fotografie und Kunst. Er lebt und arbeitet zwischen Berlin und London und hat sich durch einen Ansatz ausgezeichnet, der sowohl die aufmerksame Beobachtung seiner unmittelbaren Umwelt als auch die tiefgehende Erforschung der grundlegenden Prinzipien der Fotografie umfasst. Seine Arbeit hat ihm internationale Anerkennung eingebracht, darunter im Jahr 2000 als erster Fotograf und Nicht-Engländer die Verleihung des renommierten Turner Prize.

Welche Kamera nutzt Wolfgang Tillmans?
Nachdem Tillmans über zwei Jahrzehnte lang praktisch ausschließlich eine analoge Spiegelreflex-Kleinbildkamera der Marke Contax mit einem 50-mm-Objektiv verwendet hatte, wandte er sich um 2009 der digitalen Fotografie zu.

Schon während seiner Schulzeit zeigte Tillmans ein starkes Interesse an der Fotografie und verschiedenen Layout-Formen. Er begann, Fotografien zu sammeln und wurde durch Besuche in Museen in Düsseldorf und im Kölner Museum Ludwig früh mit der fotobasierten Kunst von Größen wie Gerhard Richter, Sigmar Polke, Robert Rauschenberg und Andy Warhol konfrontiert. Diese Künstler zählen zu seinen prägendsten frühen Einflüssen. Ein Aufenthalt als Sprachschüler in England im Jahr 1983 öffnete ihm die Augen für die britische Jugendkultur und die dortigen Style- und Musikzeitschriften wie i-D, die seinen Blick nachhaltig beeinflussten.

Frühe Karriere und die Dokumentation einer Subkultur

Von 1987 bis 1990 lebte Wolfgang Tillmans in Hamburg. In dieser Zeit fanden seine ersten Einzelausstellungen in lokalen Orten wie dem Café Gnosa, Front und Fabrik-Foto-Forum statt. Eine entscheidende Begegnung war die mit der lokalen Rave-Szene im Jahr 1988. Fasziniert von dieser aufkommenden Subkultur, begann er, sie mit seiner Kamera zu dokumentieren. Seine Schnappschüsse und Porträts junger Menschen, oft Musiker, wurden schnell in führenden Magazinen der Zeit veröffentlicht, darunter i-D, Tempo, Spex und Prinz. Für kurze Zeit war er sogar Mitherausgeber der Spex.

Diese frühen Arbeiten zeugen bereits von seinem Talent, eine Atmosphäre einzufangen und eine Verbindung zu seinen Subjekten herzustellen. Er dokumentierte nicht nur die Oberfläche, sondern schien das Gefühl des Zusammenseins, die Energie und die Intimität dieser Momente festzuhalten. Später studierte er von 1990 bis 1992 am Bournemouth & Poole College of Art and Design in Südengland, nachdem ein früherer Versuch an einer Kunsthochschule in Deutschland nur sechs Wochen dauerte.

Zwischen London, New York und der Lehre

Nach seinem Studium zog Tillmans zunächst nach London, verbrachte dann aber ein Jahr (1994) in New York. Dort traf er den Maler Jochen Klein, mit dem er 1995 nach London zurückkehrte und zusammenlebte. Kleins Tod im Jahr 1997 an den Folgen seiner AIDS-Erkrankung war ein einschneidendes Erlebnis in Tillmans' Leben und floss indirekt in seine Arbeit ein.

Neben seiner künstlerischen Tätigkeit engagierte sich Tillmans auch in der Lehre. Er hatte Gastprofessuren an der Hochschule für bildende Künste Hamburg (1998–1999) und war Honorary Fellowship am Arts Institute in Bournemouth (2001). Von 2003 bis 2006 war er Professor für interdisziplinäre Kunst an der Städelschule in Frankfurt am Main. Diese akademische Verankerung unterstreicht sein Interesse an der theoretischen Auseinandersetzung mit Kunst und Fotografie.

Projekte, Preise und politisches Engagement

Wolfgang Tillmans hat im Laufe seiner Karriere zahlreiche Projekte realisiert und Ehrungen erhalten. 2001 gewann er einen Wettbewerb der Stadt München zur Gestaltung eines AIDS-Memorials am Sendlinger Tor. 2002 drehte er einen Videoclip für die Pet Shop Boys, der Mäuse in der Londoner U-Bahn zeigte – ein Beispiel für seinen Blick auf das Unscheinbare im Alltag.

Ein wichtiges persönliches Projekt ist der nichtkommerzielle Ausstellungsraum „Between Bridges“, den er 2006 in London eröffnete. Später zog der Raum nach Berlin um. Hier zeigt Tillmans vor allem politisch relevante Kunst und Positionen von Künstlern, die seiner Meinung nach mehr Aufmerksamkeit verdienen. Seit 2017 ist Between Bridges auch eine Stiftung, die sich für Humanismus, Solidarität und gegen die Verharmlosung der Demokratie einsetzt. Sie fördert Künste, unterstützt LGBT-Rechte und anti-rassistische Arbeit – ein klares Bekenntnis zu seinen Werten.

Seine Liste der Auszeichnungen ist lang und beeindruckend: Kulturpreis der Deutschen Gesellschaft für Fotografie (2009), Mitgliedschaften in der Akademie der Künste Berlin (2012) und der Royal Academy of Arts London (2013), der Hasselblad Foundation International Award in Photography (2015), das Bundesverdienstkreuz (2018) und der Goslarer Kaiserring (2018). Diese Ehrungen zeugen von seiner herausragenden Stellung in der Kunstwelt.

Tillmans engagierte sich auch politisch prominent. Im Vorfeld des Brexit-Referendums gestaltete er eine Plakatkampagne gegen den Austritt Großbritanniens aus der EU. Angesichts europäischer Rechtsrucke folgte die Kampagne „Protect the European Union“ in 23 Sprachen. Zur Bundestagswahl 2017 setzte er sich mit Anzeigen und Plakaten gegen Rechtsnationalismus und für höhere Wahlbeteiligung ein. Gemeinsam mit Stephan Petermann und Rem Koolhaas rief er Künstler zur Teilnahme an einer Kampagne für die Europawahl 2019 auf. Das Projekt „2020Solidarity“ während der COVID-19-Pandemie unterstützte Kulturorte und soziale Projekte durch den Verkauf von Künstler-Postern.

Welche Kamera nutzt Wolfgang Tillmans?
Nachdem Tillmans über zwei Jahrzehnte lang praktisch ausschließlich eine analoge Spiegelreflex-Kleinbildkamera der Marke Contax mit einem 50-mm-Objektiv verwendet hatte, wandte er sich um 2009 der digitalen Fotografie zu.

Seit 1997 lebt Tillmans mit HIV. Er machte seine Infektion erst später öffentlich, um seine Kunst zu schützen und nicht als Opfer betrachtet zu werden. Eine Ausstellung im Jahr 2015 zeigte ein Foto seines Medikamentenvorrats („17 years’ supply“), was von der New York Times als Teil einer Entwicklung hin zu „totaler Transparenz“ interpretiert wurde.

Die einzigartige Präsentation seiner Werke

Ein charakteristisches Merkmal der Arbeit von Wolfgang Tillmans, das in Ausstellungen wie „To look without fear“ deutlich wird, ist seine unkonventionelle Art der Präsentation. Viele seiner Fotografien werden nicht gerahmt, sondern direkt mit Scotch Tape oder Binder Clips an der Wand befestigt. Diese Methode wirkt auf den ersten Blick improvisiert und ungezwungen, ist aber bis ins Detail genau geplant. Die Bilder hängen in verschiedenen Größen, manchmal dicht gedrängt, manchmal mit viel Leerraum dazwischen, auf unterschiedlichen Höhen und sogar um Ecken oder auf Metallträgern.

Diese Art der Installation zwingt den Betrachter, sich physisch auf die Ausstellung einzulassen – sich zu bücken, zurückzutreten, den Kopf zu neigen. Es entsteht ein immersives Erlebnis, bei dem der Raum selbst Teil des Kunstwerks wird. Tillmans betrachtet jeden Print als ein „distinct physical fact“, eine eigenständige physische Tatsache. Er sagt, dass ein Foto „actually a body“ ist, ein Körper. Die Schatten, die die ungerahmten Abzüge auf die Wand werfen, sind für ihn Teil dieses Körpers und betonen die Materialität des Bildes.

Diese Präsentationsform bricht mit traditionellen Konventionen und schafft eine Intimität und Unmittelbarkeit, die gut zu vielen seiner Sujets passt, seien es Szenen aus Clubs, private Momente oder Stillleben. Es ist eine bewusste Entscheidung, die die Hierarchien aufbricht und dem Betrachter erlaubt, eigene Verbindungen zwischen den Bildern herzustellen.

Vielfalt der Sujets und künstlerische Philosophie

Das Werk von Wolfgang Tillmans ist von einer bemerkenswerten Vielfalt geprägt. Er fotografiert Porträts von bekannten Persönlichkeiten wie Frank Ocean, Kate Moss und Chloë Sevigny, aber auch Momentaufnahmen von Freunden, Liebhabern und Unbekannten. Seine berühmten Bilder aus der Clubkultur der 90er-Jahre fangen die Energie und das Gefühl des Zusammenseins auf der Tanzfläche ein. Aber er widmet sich auch Stillleben von Alltagsgegenständen, Früchten, Blumen oder Meeresfrüchten mit einer ähnlichen Intensität. Abstrakte Kompositionen, oft durch Experimente im Dunkelkammerprozess entstanden, erweitern sein Spektrum.

Was all diese unterschiedlichen Sujets verbindet, ist Tillmans' Wunsch, festzuhalten, „so there is a record of it“ – damit es eine Aufzeichnung davon gibt. Er möchte die „community of being together“ einfangen, das Gefühl der Gemeinschaft, sei es als Paar, als Freunde, als Gruppe oder als Masse. Für ihn bedeutet dieses Zusammensein auch immer Solidarität zu teilen, die Schwierigkeiten und Freuden des Lebens gemeinsam zu schultern und wertzuschätzen.

Seine Serie „truth study center“ zeigt eine andere Facette seiner Arbeit. Hier sammelt und präsentiert er auf Tischen Zeitungsartikel, wissenschaftliche Berichte und andere Medienfragmente, die die Realität konstruieren, nach der unser Leben regiert wird. Diese Installationen erinnern den Betrachter daran, dass unter den intimen Szenen des Lebens stets größere Machtstrukturen und historische Kräfte wirken.

Tillmans' Blick auf die Geschichte ist ebenfalls bezeichnend. Für ihn ist Geschichte nicht etwas Vergangenes, sondern „right here and now“. Wir müssen uns um diesen Moment kümmern. Diese Philosophie spiegelt sich in seiner Arbeit wider, die stets versucht, die Gegenwart in all ihren Facetten festzuhalten, vom Persönlichen bis zum Politischen, vom Flüchtigen bis zum Fundamentalen.

Häufig gestellte Fragen zu Wolfgang Tillmans

Was ist der Turner Prize?
Der Turner Prize ist eine der wichtigsten Auszeichnungen für zeitgenössische Kunst in Großbritannien. Wolfgang Tillmans war im Jahr 2000 der erste Fotograf und der erste nicht-britische Künstler, dem dieser Preis verliehen wurde, was seine internationale Bedeutung unterstreicht.
Was ist „Between Bridges“?
„Between Bridges“ begann als nichtkommerzieller Ausstellungsraum, der von Wolfgang Tillmans in London und später in Berlin betrieben wurde. Seit 2017 ist es eine Stiftung, die sich für Humanismus, Solidarität und gegen antidemokratische Tendenzen einsetzt, Kunst fördert und sich für LGBT-Rechte und Antirassismus engagiert.
Welche Themen behandelt Wolfgang Tillmans in seiner Fotografie?
Seine Themen sind sehr vielfältig und reichen von Porträts, Szenen aus der Clubkultur, intimen Momenten und Stillleben bis hin zu abstrakten Kompositionen und Installationen, die sich mit politischen und gesellschaftlichen Fragen auseinandersetzen. Ein wiederkehrendes Thema ist das Festhalten des Gefühls des Zusammenseins und die Beobachtung der Welt um ihn herum.
Wie präsentiert Wolfgang Tillmans seine Fotografien in Ausstellungen?
Er ist bekannt für seine unkonventionelle Präsentation, bei der viele Bilder ungerahmt mit Klebeband oder Binder Clips direkt an der Wand befestigt werden. Die Installationen variieren stark in Größe und Anordnung und schaffen ein einzigartiges, immersives Raumerlebnis.

Wolfgang Tillmans hat das Medium der Fotografie maßgeblich erweitert und neu definiert, sowohl durch die Vielfalt seiner Sujets und seinen Blick für das Wesentliche als auch durch seine innovative Art, Bilder im Raum zu präsentieren. Seine Arbeit ist ein Spiegelbild der zeitgenössischen Welt, die persönliche Intimität mit globalen politischen Fragen verbindet und den Betrachter auffordert, genau hinzusehen und sich des Moments bewusst zu werden.

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Andenmatten Soltermann

Hallo! Ich bin Andenmatten Soltermann, ein Schweizer Fotograf, der leidenschaftlich die Essenz der Welt durch seine Linse einfängt. Geboren und aufgewachsen in den majestätischen Schweizer Alpen, haben die deutsche Sprache und atemberaubende Landschaften meine kreative Vision geprägt. Meine Liebe zur Fotografie begann mit einer alten analogen Kamera, und seitdem widme ich mein Leben der Kunst, visuelle Geschichten zu erzählen, die berühren und verbinden.In meinem Blog teile ich praktische Tipps, Techniken und Erfahrungen, um dir zu helfen, deine fotografischen Fähigkeiten zu verbessern – egal, ob du ein neugieriger Anfänger oder ein erfahrener Profi bist. Von der Beherrschung des natürlichen Lichts bis hin zu Ratschlägen für wirkungsvolle Bildkompositionen ist es mein Ziel, dich zu inspirieren, die Welt mit neuen Augen zu sehen. Mein Ansatz verbindet Technik mit Leidenschaft, immer auf der Suche nach dem Funken, der ein Foto unvergesslich macht.Wenn ich nicht hinter der Kamera stehe, findest du mich auf Bergpfaden, auf Reisen nach neuen Perspektiven oder beim Genießen der Schweizer Traditionen, die mir so am Herzen liegen. Begleite mich auf dieser visuellen Reise und entdecke, wie Fotografie die Art und Weise, wie du die Welt siehst, verändern kann.

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