Warum sehe ich in echt besser aus als auf Fotos?

Warum wir alles fotografieren und Selfies lieben

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In einer Welt, in der fast jeder ein hochauflösendes Kamerahandy bei sich trägt, ist das Fotografieren alltäglich geworden. Wir dokumentieren Sonnenuntergänge, Tiere, Architektur, Landschaften und natürlich uns selbst. Kaum ein Tag vergeht, an dem wir nicht den Auslöser drücken. Doch warum haben wir dieses tiefe Bedürfnis, nahezu jeden Moment festzuhalten? Diese Frage beschäftigt viele, insbesondere wenn die schiere Menge an Bildern und Videos zu einer Last wird.

Warum habe ich das Bedürfnis, alles zu fotografieren?
Wir wollen anderen zeigen, was wir vorhaben . Wir wollen gesehen werden. Wir wollen Kontakte knüpfen. Vielleicht hilft es uns, uns weniger einsam zu fühlen; als ob jemand da wäre, der uns beim Gedeihen, Wachsen und Erfolgreichsein beobachtet.

Die Geschichte der Fotografie ist eng mit dem Wunsch verbunden, Erinnerungen zu bewahren. Schon lange bevor Smartphones existierten, nutzten die Menschen Kameras, um wichtige Familienereignisse zu dokumentieren. Das Wiedersehen mit alten Fotoalben oder Videos gleicht dem Öffnen einer Schatzkiste – sie zeigen uns unsere Jugend, unser Wachstum und wertvolle Augenblicke, die sonst verloren wären.

Das Bedürfnis, die Welt zu dokumentieren

Über die reine Erinnerung hinaus gibt es vielfältige Gründe, warum wir das Bedürfnis haben, unsere Umgebung und unser Leben zu fotografieren. Einer der Haupttreiber in der heutigen Zeit ist zweifellos die Ära der sozialen Medien. Seit dem Boom von Plattformen wie Instagram, auf die täglich Millionen von Bildern hochgeladen werden, ist das Teilen unseres Lebens im Internet zu einer regelrechten Obsession geworden.

Wir wollen anderen zeigen, was wir tun. Wir wollen gesehen werden. Wir wollen uns verbinden. Das Teilen von Erlebnissen kann uns helfen, uns weniger einsam zu fühlen, das Gefühl zu haben, dass jemand da ist, der sieht, wie wir uns entwickeln, wachsen und Erfolge erzielen. Es gibt uns das Gefühl, nicht unsichtbar zu sein.

Erlebnisse gewinnen oft an Bedeutung, wenn sie von anderen bezeugt werden. Ein aufregendes Abenteuer, das niemand sieht und das nicht dokumentiert wird, existiert in gewisser Weise nur in unserem eigenen Geist. Wird dasselbe Ereignis jedoch festgehalten und geteilt, kann es Bewunderung hervorrufen, sich verbreiten und einen greifbaren Wert erhalten. Das Aufnehmen von Bildern und Videos gibt uns einen Halt an dem, was passiert ist.

Die Gründe für das Drücken des Auslösers sind zahlreich und komplex:

  • Einen Moment verewigen
  • Etwas Wichtiges festhalten
  • Das eigene Leben chronologisieren
  • Erinnerungen mit anderen teilen
  • Erfolge und Errungenschaften festhalten
  • Um zu lehren oder eine Geschichte zu erzählen
  • Um zu begeistern und zu inspirieren
  • Aus Langeweile
  • Medien verkaufen oder vermarkten
  • Aufmerksamkeit erregen
  • Andere beeindrucken
  • Bestätigung von anderen erhalten
  • Den eigenen Social-Media-Auftritt aufbauen
  • Das Selbstvertrauen stärken
  • Ein Zeugnis des Alters führen
  • Beziehungen dokumentieren
  • Ereignisse sensationslüstern darstellen
  • Informationen (oder Fehlinformationen) verbreiten
  • Zu Beweiszwecken
  • Ein einmaliges Erlebnis für immer festhalten

Interessanterweise stellen viele fest, dass sie die aufgenommenen Bilder und Videos selten wieder ansehen. Sie dienen oft nur dem Moment des Teilens oder einer flüchtigen Selbstreflexion. Dies zeigt, dass das Bedürfnis zu dokumentieren manchmal stärker ist als das Bedürfnis, die Dokumentation später tatsächlich zu nutzen.

Warum habe ich das Bedürfnis, alles zu fotografieren?
Wir wollen anderen zeigen, was wir vorhaben . Wir wollen gesehen werden. Wir wollen Kontakte knüpfen. Vielleicht hilft es uns, uns weniger einsam zu fühlen; als ob jemand da wäre, der uns beim Gedeihen, Wachsen und Erfolgreichsein beobachtet.

Die Welt der Selfies: Mehr als nur Eitelkeit

Ein besonderes Phänomen innerhalb der Fotografie ist das Selfie – das Selbstporträt, meist mit dem Smartphone aufgenommen. Oft wird das Selfie-Machen vorschnell als Zeichen von Eitelkeit oder Selbstverliebtheit abgetan. Während dies ein Aspekt sein mag, insbesondere wenn die Bilder öffentlich geteilt werden, ist es nur ein kleiner Teil des Mosaiks.

Warum machen Menschen Selfies, immer und immer wieder? Es gibt vielschichtige psychologische Gründe:

  • Selbstwahrnehmung und Existenzbeweis: Manchmal müssen wir uns selbst direkt vor Augen führen, wer wir sind und dass wir noch da sind – noch existieren. Es ist eine Form der Auseinandersetzung mit sich selbst. Das Sehen des eigenen Bildes kann helfen, die eigene Wahrnehmung zu überprüfen und zu erkennen, dass man nicht so negativ aussieht, wie es innere Gedankenmonster einem vielleicht einreden wollen.
  • Selbstannahme und Selbstwert: Selfies können uns helfen, schöne Seiten an uns zu entdecken und uns daran zu erinnern, dass wir es verdienen, gemocht und geliebt zu werden. Sie können den eigenen Selbstwert stärken und ein Weg zurück zur Selbstliebe sein.
  • Ausdruck der Lebendigkeit: Selfies fangen Momente ein – glückliche, traurige, gerührte. Sie sind ein Zeichen der eigenen Lebendigkeit und helfen uns zu verdeutlichen, wer wir sind und wie wir fühlen. Sie sind ein Beweis: „ICH war DA. In diesem Moment.“
  • Identität bestätigen: Für manche, wie Mütter, kann ein Selfie auch bedeuten, sich daran zu erinnern, dass sie auch noch eine Frau sind, abseits ihrer Rolle. Es geht darum, die eigene Identität in all ihren Facetten zu sehen und anzuerkennen.
  • Verbindung herstellen: Im Kontext von Blogs oder Social Media können Selfies auch dazu dienen, eine persönlichere Verbindung zum Publikum aufzubauen. Sie machen die Person hinter den Worten greifbarer.

Es geht beim Selfie-Machen oft nicht nur darum, attraktiv auszusehen, sondern zu zeigen, dass man einfach IST – ein Mensch, ein Jemand, ein eigenständiges Ich.

Selfies und die Tücken der Wahrnehmung

Ein häufiges Phänomen ist, dass wir uns auf Fotos oft weniger attraktiv finden als in unserem Spiegelbild. Dabei sehen wir uns doch eigentlich gleich aus – oder?

Die Wissenschaft liefert hier eine interessante Erklärung: den sogenannten Mere-Exposure-Effekt (Effekt der bloßen Darbietung). Dieser besagt, dass wir Dinge, mit denen wir häufiger konfrontiert sind, mit der Zeit positiver bewerten. Unser Spiegelbild sehen wir meist mehrmals täglich. Wir sind an diese spiegelverkehrte Ansicht gewöhnt und finden sie daher oft ansprechender.

Auf Fotos sehen wir uns so, wie uns andere sehen – also nicht spiegelverkehrt. Diese ungewohnte Ansicht kann dazu führen, dass wir uns auf Fotos zunächst weniger gefallen. Manche Smartphone-Kameras speichern Selfies standardmäßig gespiegelt ab, um diesem Effekt entgegenzuwirken, was dazu führt, dass wir das Selfie selbst besser finden, andere aber irritiert sein können.

Zusätzlich sind Fotos unbewegliche Momentaufnahmen. Details, die wir nicht mögen, stechen uns eher ins Auge, da wir uns darauf konzentrieren können. Im Spiegel sehen wir uns in Bewegung und können uns unbewusst so drehen, wie wir uns am besten finden. Ein Foto ist statisch.

Auch die verwendete Kameralinse kann zu Verzerrungen führen, insbesondere bei Selfies, die oft mit Weitwinkelobjektiven aus geringer Entfernung aufgenommen werden. Dies kann dazu führen, dass Gesichtspartien, die näher an der Kamera sind (wie Nase und Kinn), vergrößert erscheinen. Studien haben gezeigt, dass Selfies aus 30 cm Entfernung die Nasengröße um bis zu 30% verzerren können, während Aufnahmen aus 1,5 Metern Entfernung diese Verzerrung minimieren.

Wie nennt man eine Person, die gerne Fotos von sich selbst macht?
Selfitis ist eine Erkrankung, die als zwanghaftes Aufnehmen von Selfies beschrieben wird, obwohl sie derzeit im DSM-5 nicht als psychische Störung aufgeführt ist. Es wurde festgestellt, dass das zwanghafte Aufnehmen von Selfies und das Posten in sozialen Medien mit vielen Symptomen verbunden ist, die bei psychischen Störungen häufig auftreten.

Um sich an das eigene Aussehen auf Fotos zu gewöhnen und den Mere-Exposure-Effekt umzukehren, kann es helfen, sich häufiger auf Fotos zu sehen und diese anzuschauen. Dieser Effekt funktioniert übrigens auch mit der eigenen Stimme auf Aufnahmen, die wir oft als ungewohnt empfinden.

Risiken und Schattenseiten der Selfie-Kultur

Die Faszination für Selfies hat auch eine dunkle Seite. Die Suche nach dem einzigartigen Bild kann zu gefährlichen Situationen führen. Traurigerweise gab es bereits zahlreiche Verletzungen und sogar Todesfälle im Zusammenhang mit dem Versuch, Selfies an riskanten Orten oder in gefährlichen Posen aufzunehmen (z.B. Stürze, Unfälle mit Waffen oder in der Nähe von Zügen).

Ein weiteres Thema ist die psychische Gesundheit. Eine übermäßige, obsessive Beschäftigung mit dem Aufnehmen und Teilen von Selfies wird manchmal als „Selfitis“ bezeichnet. Obwohl dies derzeit keine anerkannte psychische Störung im DSM-5 ist, wird ein solches Verhalten mit Symptomen wie Narzissmus, geringem Selbstwertgefühl, Einsamkeit und Aufmerksamkeitsbedürfnis in Verbindung gebracht.

Die Verzerrungen auf Selfies können zudem die Wahrnehmung des eigenen Gesichts verändern und in einigen Fällen sogar zu einer erhöhten Nachfrage nach Schönheitsoperationen, wie Nasenkorrekturen, führen, da Menschen versuchen, ihr Aussehen auf Fotos zu „verbessern“.

Die Kamera ist ein mächtiges Werkzeug – sie kann Schönheit oder Schrecken einfangen, Geheimnisse enthüllen, die menschliche Existenz dokumentieren, aber auch für Aufmerksamkeitssuche oder sogar die Verbreitung von Falschinformationen missbraucht werden.

Häufig gestellte Fragen (FAQs)

Warum fotografiere ich so viel?
Die Gründe sind vielfältig: das Festhalten von Erinnerungen, das Teilen von Erlebnissen, der Wunsch, gesehen und bestätigt zu werden, das Dokumentieren des eigenen Lebens, Langeweile oder auch professionelle Zwecke.

Warum fotografiert man sich selbst?
Wir Menschen machen Selfies, um uns selbst vor Augen zu halten, dass da auf dem Bild gar kein Loser erscheint, sondern ein Mensch, der es verdient hat, gemocht und geliebt zu werden! Und wir machen Selfies, um uns selbst mitten in dem Leben zu SEHEN, in dem wir uns befinden – und um wieder an uns glauben zu können.

Warum machen Menschen Selfies?
Selfies dienen nicht nur der Eitelkeit. Sie können helfen, die eigene Existenz und Identität zu bestätigen, das Selbstwertgefühl zu stärken, die eigene Lebendigkeit auszudrücken und Momente aus der eigenen Perspektive festzuhalten. Sie können auch ein Weg zur Selbstliebe sein.

Wie nennt man eine Person, die gerne Fotos von sich selbst macht?
Eine Person, die häufig Selbstporträts mit dem Handy macht, nimmt Selfies auf. Eine potenziell obsessive Beschäftigung damit wird manchmal als „Selfitis“ bezeichnet, obwohl dies keine offizielle Diagnose ist.

Warum sehe ich auf Fotos anders aus als im Spiegel?
Im Spiegel sehen wir uns spiegelverkehrt, eine Ansicht, an die wir durch den Mere-Exposure-Effekt gewöhnt sind und die wir daher oft bevorzugen. Fotos zeigen uns, wie andere uns sehen (nicht spiegelverkehrt), was ungewohnt ist. Zudem sind Fotos statische Momentaufnahmen, während wir uns im Spiegel bewegen können. Auch die Perspektive und Linsenverzerrungen, insbesondere bei Selfies aus kurzer Distanz, beeinflussen das Aussehen auf Fotos.

Sind Selfies gefährlich?
Ja, die Suche nach dem perfekten Selfie hat leider bereits zu zahlreichen Unfällen, Verletzungen und Todesfällen geführt, wenn Menschen für das Foto unnötige Risiken eingehen. Auch eine obsessive Beschäftigung mit Selfies kann auf psychische Probleme hinweisen.

Spiegelbild vs. Foto: Ein Vergleich

MerkmalSpiegelbildFoto
AnsichtSpiegelverkehrtWie andere uns sehen (nicht spiegelverkehrt)
BewegungFließend, dynamisch (wir können uns anpassen)Statische Momentaufnahme
WahrnehmungseffektBevorzugt durch Mere-Exposure-Effekt (Gewöhnung)Kann ungewohnt wirken
VerzerrungKeine LinsenverzerrungMöglich durch Perspektive und Objektiv (besonders bei Selfies aus kurzer Distanz)
RealitätGewohnte, aber nicht tatsächliche Ansicht für andereTatsächliche Ansicht für andere, aber ungewohnt für uns

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass das Fotografieren und insbesondere das Selfie-Machen tief in menschlichen Bedürfnissen verwurzelt sind – dem Wunsch nach Erinnerung, Verbindung, Bestätigung und Selbsterkundung. Es ist ein komplexes Phänomen, das sowohl positive als auch negative Auswirkungen haben kann und das die Art und Weise, wie wir uns selbst und unsere Welt wahrnehmen, maßgeblich beeinflusst hat.

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Andenmatten Soltermann

Hallo! Ich bin Andenmatten Soltermann, ein Schweizer Fotograf, der leidenschaftlich die Essenz der Welt durch seine Linse einfängt. Geboren und aufgewachsen in den majestätischen Schweizer Alpen, haben die deutsche Sprache und atemberaubende Landschaften meine kreative Vision geprägt. Meine Liebe zur Fotografie begann mit einer alten analogen Kamera, und seitdem widme ich mein Leben der Kunst, visuelle Geschichten zu erzählen, die berühren und verbinden.In meinem Blog teile ich praktische Tipps, Techniken und Erfahrungen, um dir zu helfen, deine fotografischen Fähigkeiten zu verbessern – egal, ob du ein neugieriger Anfänger oder ein erfahrener Profi bist. Von der Beherrschung des natürlichen Lichts bis hin zu Ratschlägen für wirkungsvolle Bildkompositionen ist es mein Ziel, dich zu inspirieren, die Welt mit neuen Augen zu sehen. Mein Ansatz verbindet Technik mit Leidenschaft, immer auf der Suche nach dem Funken, der ein Foto unvergesslich macht.Wenn ich nicht hinter der Kamera stehe, findest du mich auf Bergpfaden, auf Reisen nach neuen Perspektiven oder beim Genießen der Schweizer Traditionen, die mir so am Herzen liegen. Begleite mich auf dieser visuellen Reise und entdecke, wie Fotografie die Art und Weise, wie du die Welt siehst, verändern kann.

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