In welcher Einstellung fotografieren?

Die Macht der Totalen: Wirkung & Einsatz

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In der Welt der Fotografie und des Films gibt es unzählige Einstellungen, die ein Bild prägen und eine Geschichte erzählen. Eine der grundlegendsten und wirkungsvollsten ist die sogenannte Totale. Doch was genau verbirgt sich hinter diesem Begriff, und wie wird sie eingesetzt, um beim Betrachter bestimmte Gefühle und Eindrücke hervorzurufen? Die Totale ist weit mehr als nur eine Aufnahme von 'weit weg'. Sie ist ein mächtiges Werkzeug der Bildgestaltung, das den Kontext schafft und oft die Bühne für das Geschehen bereitet.

Welche Einstellungsgrößen gibt es?
Im Allgemeinen werden sechs verschiedene Einstellungsgrößen unterschieden: Total, Halbtotal, Halbnah, Nah, Groß, Detail. Die Angabe der Einstellungsgröße dient der Verständigung zwischen den an den Dreharbeiten beteiligten Personen und zur Beschreibung, wie nah oder distanziert die Kamera das Geschehen verfolgen soll.

Was ist eine Totale? Die grundlegende Definition

Eine Totale ist eine Kameraeinstellung, bei der das Hauptmotiv oder die Hauptfigur vollständig im Bild zu sehen ist, aber nur einen kleinen Teil des gesamten Rahmens einnimmt. Das entscheidende Merkmal der Totalen ist, dass sie das Subjekt in seiner Umgebung zeigt. Die Umgebung spielt hier eine ebenso wichtige, wenn nicht sogar wichtigere Rolle als das Subjekt selbst. Sie etabliert den Ort, die Zeit und oft auch die Atmosphäre der Szene.

Im Gegensatz zu Nahaufnahmen, die sich auf Details und Emotionen konzentrieren, oder Halbnahen, die Interaktionen und Dialoge in den Vordergrund stellen, dient die Totale dazu, einen Überblick zu geben. Sie zeigt das Verhältnis des Subjekts zu seiner Umwelt, sei es eine Person inmitten einer weiten Landschaft, ein Gebäude in seiner städtischen Umgebung oder eine kleine Gruppe in einem riesigen Raum.

Die Wirkung der Totalen: Warum sie so mächtig ist

Die Totale ist nicht einfach nur eine praktische Einstellung, um zu zeigen, wo sich etwas befindet. Sie hat eine starke emotionale und erzählerische Wirkung. Ihre Macht liegt darin, dass sie dem Betrachter sofort ein Gefühl für den Maßstab und den Kontext vermittelt. Hier sind einige ihrer wichtigsten Wirkungen:

  • Etablierung des Ortes: Oft wird die Totale als sogenannte 'Establishing Shot' am Anfang einer Szene oder eines Films verwendet, um dem Publikum zu zeigen, wo die Handlung stattfindet. Sie gibt Orientierung und versetzt den Betrachter mental an den Schauplatz.
  • Vermittlung von Größe und Weite: Die Totale ist ideal, um die Erhabenheit einer Landschaft, die Größe eines Gebäudes oder die Unendlichkeit des Himmels darzustellen. Sie kann Ehrfurcht, Staunen oder auch ein Gefühl der Kleinheit beim Betrachter hervorrufen.
  • Darstellung von Isolation oder Einsamkeit: Wenn eine kleine Figur in einer riesigen, leeren Umgebung gezeigt wird, kann die Totale ein starkes Gefühl der Isolation oder Einsamkeit vermitteln. Das Subjekt wirkt verloren oder unbedeutend im Vergleich zur überwältigenden Umwelt.
  • Schaffung von Atmosphäre und Stimmung: Die Umgebung, wie sie in der Totalen gezeigt wird, prägt maßgeblich die Stimmung. Eine Totale einer stürmischen See wirkt anders als die einer sonnendurchfluteten Blumenwiese. Sie kann Gefahr, Ruhe, Melancholie oder Hoffnung ausdrücken.
  • Hinweis auf Konflikte oder Herausforderungen: Die Umgebung kann auch die Herausforderungen darstellen, denen sich das Subjekt stellen muss, sei es eine unwegsame Berglandschaft, eine unwirtliche Wüste oder eine bedrohliche städtische Kulisse.
  • Zeigen von Beziehungen: Eine Totale kann auch die räumliche Beziehung zwischen mehreren Elementen oder Figuren in einer Szene verdeutlichen, selbst wenn diese weit voneinander entfernt sind.

Die Totale zwingt den Betrachter, das große Ganze zu sehen, bevor er sich auf Details konzentriert. Sie ist die Leinwand, auf der sich die kleineren Einstellungen später entfalten können.

Die Totale im Kontext: Vergleich mit anderen Kameraeinstellungen

Um die Einzigartigkeit der Totalen vollständig zu verstehen, ist es hilfreich, sie mit anderen gängigen Kameraeinstellungen zu vergleichen. Jede Einstellung hat ihren spezifischen Zweck und trägt auf unterschiedliche Weise zur Erzählung bei.

EinstellungBeschreibungTypische Wirkung/Einsatz
TotaleDas Subjekt ist vollständig sichtbar, nimmt aber nur einen kleinen Teil des Bildes ein. Die Umgebung dominiert.Etablierung des Ortes, Darstellung von Maßstab, Weite, Isolation, Kontext.
Halbtotale (Medium Full Shot)Das Subjekt ist von Kopf bis Fuß im Bild, die Umgebung ist noch erkennbar, aber weniger dominant als bei der Totalen.Zeigt die gesamte Körperaktion, Bewegung, Interaktion mehrerer Personen.
Amerikanische Einstellung (American Shot / Cowboy Shot)Das Subjekt ist etwa von den Knien oder der Mitte des Oberschenkels bis knapp über den Kopf sichtbar.Ursprünglich für Western (sichtbares Holster), heute oft bei Dialogen, zeigt Oberkörperaktion und etwas Umgebung.
Halbnahe Einstellung (Medium Shot)Das Subjekt ist etwa von der Taille bis zum Kopf sichtbar.Ideal für Dialoge, zeigt Körpersprache und Emotionen im oberen Bereich, fokussiert auf Interaktion.
Nahe Einstellung (Close-up)Das Subjekt füllt einen großen Teil des Bildes, oft nur Kopf und Schultern.Betonung von Emotionen, Mimik, Details, schafft Intimität oder Intensität.
Detailaufnahme (Extreme Close-up)Zeigt nur einen sehr kleinen Teil des Subjekts oder Objekts (z.B. Auge, Hand, ein wichtiger Gegenstand).Maximale Dramatik, Fokus auf kleinste Details, symbolische Bedeutung, intensive Emotion.

Wie die Tabelle zeigt, unterscheidet sich die Totale fundamental von Einstellungen, die näher am Subjekt sind. Während nähere Einstellungen den Fokus auf die Person und ihre unmittelbaren Gefühle legen, lenkt die Totale die Aufmerksamkeit bewusst weg vom Individuum hin zum größeren Kontext.

Das Beispiel Western: Weite, Isolation und "The Hateful Eight"

Western-Filme nutzen die Kraft der Totalen auf meisterhafte Weise. Die weiten, oft menschenleeren Landschaften des Wilden Westens sind prädestiniert für diese Einstellung. Sie vermitteln das Gefühl von Freiheit, Abenteuer, aber auch von Einsamkeit und Gefahr. Die Figuren wirken oft klein und verletzlich inmitten dieser riesigen, ungezähmten Natur.

Ein bemerkenswertes Beispiel, das auch in der bereitgestellten Information erwähnt wurde, ist Quentin Tarantinos Film "The Hateful Eight". In diesem Film gelingt es, die Totalen nicht nur zur Schau der Landschaft zu nutzen, sondern sie direkt in die erzählerische und emotionale Struktur einzubinden. Wie Escobar erklärt:

„In The Hateful Eight gelingt das wirklich gut. Wenn man diese weiten Aufnahmen von dieser Gegend im Westen der USA sieht, kann man erkennen, wie kalt es ist. Es ist nichts und niemand in der Nähe. Man ist isoliert und allein.“

Diese Totalen zeigen nicht nur Schnee und Berge; sie vermitteln physische Kälte und emotionale Isolation. Sie unterstreichen die prekäre Lage der Figuren, die der unwirtlichen Natur ausgeliefert sind. Das Gefühl, abgeschnitten zu sein, weit weg von jeder Zivilisation, wird durch diese Einstellungen physisch spürbar gemacht. Escobar fährt fort:

„Und man fühlt mit diesen Figuren, die einfach nur in eine Art Zivilisation gelangen müssen, ohne dort draußen festzusitzen.“

Die Weite und Leere der Totalen verstärken das Gefühl der Sehnsucht nach Sicherheit und Gemeinschaft. Die Umgebung wird so zu einem aktiven Element der Geschichte, das den inneren Zustand und die Motivationen der Figuren widerspiegelt und beeinflusst.

Interessanterweise steht dieser effektive Einsatz der Totale im Western im Kontrast zu einer anderen ikonischen Einstellung des Genres: dem sogenannten American Shot oder Cowboy Shot. Ironischerweise ist diese Einstellung, die von den Knien oder Oberschenkeln bis zum Kopf reicht, eine relativ nahe Einstellung im Vergleich zur Totalen. Sie wurde populär, um das Ziehen einer Waffe oder andere Aktionen mit dem Unterkörper zu zeigen, während gleichzeitig die Mimik des Schauspielers sichtbar bleibt. Dies verdeutlicht, dass selbst innerhalb eines Genres unterschiedliche Einstellungen für verschiedene erzählerische Zwecke genutzt werden, und die Totale behält ihre spezifische Rolle bei der Darstellung von Umgebung und Maßstab.

Technische Aspekte: Objektivwahl und Fokus

Obwohl eine Totale durch den Bildinhalt definiert wird (Subjekt klein, Umgebung dominant), wird sie oft mit bestimmten technischen Mitteln umgesetzt. Am häufigsten kommen dafür Weitwinkelobjektive (Objektive mit kurzer Brennweite) zum Einsatz. Diese haben einen großen Bildwinkel und sind ideal, um viel von der Umgebung einzufangen und ein Gefühl von Raum und Tiefe zu erzeugen.

Bei Totalen ist es typisch, eine große Schärfentiefe anzustreben, sodass sowohl das Subjekt als auch die Umgebung scharf abgebildet werden. Dies wird oft durch die Wahl einer kleineren Blendenöffnung (höhere Blendenzahl) und durch den relativ großen Abstand zum Subjekt erreicht. So kann der Betrachter die Details sowohl der Figur als auch ihrer Umgebung gleichzeitig wahrnehmen, was für das Verständnis des Kontexts entscheidend ist. Es ist jedoch auch möglich, eine Totale mit geringer Schärfentiefe zu gestalten, um beispielsweise die Umgebung zu verschwimmen und das Gefühl der Isolation oder des Fokus auf das Subjekt innerhalb der Weite zu verstärken, auch wenn dies weniger typisch ist.

Häufig gestellte Fragen (FAQ) zur Totalen

Ist eine Totale dasselbe wie eine Weitwinkelaufnahme?

Nein, das ist ein häufiges Missverständnis. Eine Weitwinkelaufnahme bezieht sich auf das verwendete Objektiv (mit kurzer Brennweite), das einen großen Bildwinkel hat. Eine Totale bezieht sich auf die Größe des Subjekts im Verhältnis zur Umgebung im Bild. Eine Totale wird oft mit einem Weitwinkelobjektiv aufgenommen, weil dieses viel Umgebung einfangen kann, aber nicht jede Weitwinkelaufnahme ist eine Totale (z.B. eine Nahaufnahme mit einem extremen Weitwinkel für einen verzerrten Effekt) und theoretisch könnte man eine Totale auch mit einem längeren Objektiv aufnehmen, wenn man sehr weit vom Subjekt entfernt ist.

Wird die Totale nur im Film verwendet?

Absolut nicht. Die Totale ist eine grundlegende Einstellung, die in allen visuellen Medien verwendet wird, einschließlich der Fotografie. Insbesondere in der Landschaftsfotografie, Architekturfotografie oder Reisefotografie ist die Totale unverzichtbar, um das Motiv in seinem geografischen oder strukturellen Kontext zu präsentieren und ein Gefühl für den Ort zu vermitteln. Sie ist genauso wichtig für einen Fotografen, der eine Geschichte mit einem einzigen Bild erzählen möchte, wie für einen Filmemacher, der eine Szene einleitet.

Kann ich eine Totale mit jedem Objektiv machen?

Technisch ja, aber praktisch wird die Art des Objektivs das Ergebnis stark beeinflussen. Wie erwähnt, sind Weitwinkelobjektive am gebräuchlichsten, da sie es ermöglichen, viel Umgebung einzufangen, ohne extrem weit weg vom Subjekt zu sein. Ein Teleobjektiv (lange Brennweite) könnte ebenfalls eine Totale erzeugen, indem man das Subjekt aus sehr großer Entfernung aufnimmt, aber der Bildeindruck wäre anders – oft komprimierter und mit weniger offensichtlicher Tiefe als bei einem Weitwinkel.

Was ist der Unterschied zwischen einer Totalen und einer Panoramaaufnahme?

Eine Totale beschreibt den *Inhalt* und den *Maßstab* einer Aufnahme – sie zeigt ein Subjekt klein innerhalb seiner Umgebung. Eine Panoramaaufnahme beschreibt eine *Technik* oder ein *Format*, bei dem ein sehr breites Bild erstellt wird, oft durch das Zusammenfügen (Stitching) mehrerer Einzelbilder. Eine Panoramaaufnahme kann eine Totale sein, wenn sie ein kleines Subjekt in einer riesigen Landschaft zeigt, aber nicht jede Totale ist ein Panorama (sie kann ein normales 3:2 oder 16:9 Format haben), und nicht jedes Panorama enthält notwendigerweise ein spezifisches, kleines Subjekt; es kann einfach eine sehr breite Landschaftsaufnahme sein.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Totale eine unverzichtbare Einstellung in der visuellen Erzählung ist. Sie ist der Pinselstrich, der die Leinwand vorbereitet, der Atemzug, der die Größe des Raumes spürbar macht. Ob in einem epischen Western oder einem Stillleben in der Natur – die Totale spricht eine eigene Sprache der Weite, des Kontexts und der Beziehung zwischen Subjekt und Welt.

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Andenmatten Soltermann

Hallo! Ich bin Andenmatten Soltermann, ein Schweizer Fotograf, der leidenschaftlich die Essenz der Welt durch seine Linse einfängt. Geboren und aufgewachsen in den majestätischen Schweizer Alpen, haben die deutsche Sprache und atemberaubende Landschaften meine kreative Vision geprägt. Meine Liebe zur Fotografie begann mit einer alten analogen Kamera, und seitdem widme ich mein Leben der Kunst, visuelle Geschichten zu erzählen, die berühren und verbinden.In meinem Blog teile ich praktische Tipps, Techniken und Erfahrungen, um dir zu helfen, deine fotografischen Fähigkeiten zu verbessern – egal, ob du ein neugieriger Anfänger oder ein erfahrener Profi bist. Von der Beherrschung des natürlichen Lichts bis hin zu Ratschlägen für wirkungsvolle Bildkompositionen ist es mein Ziel, dich zu inspirieren, die Welt mit neuen Augen zu sehen. Mein Ansatz verbindet Technik mit Leidenschaft, immer auf der Suche nach dem Funken, der ein Foto unvergesslich macht.Wenn ich nicht hinter der Kamera stehe, findest du mich auf Bergpfaden, auf Reisen nach neuen Perspektiven oder beim Genießen der Schweizer Traditionen, die mir so am Herzen liegen. Begleite mich auf dieser visuellen Reise und entdecke, wie Fotografie die Art und Weise, wie du die Welt siehst, verändern kann.

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