Was ist die effektive Blendenzahl?

Das Öffnungsverhältnis von Kameraobjektiven

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In der Welt der Fotografie sind Objektive weit mehr als nur Glasstücke. Sie sind das Herzstück, das entscheidet, wie Licht eingefangen und ein Bild geformt wird. Professionelle Fotografen wissen, dass die Wahl des richtigen Objektivs oft wichtiger ist als die der Kamera selbst. Neben der Brennweite, die den Bildausschnitt bestimmt, gibt es eine weitere entscheidende Eigenschaft, die oft unter dem Begriff 'Lichtstärke' bekannt ist, aber physikalisch durch das sogenannte Öffnungsverhältnis beschrieben wird. Was verbirgt sich hinter diesem Begriff und warum ist er so wichtig für Ihre Fotografie?

Was genau ist das Öffnungsverhältnis?

Das Öffnungsverhältnis ist eine fundamentale optische Größe eines Objektivs. Es beschreibt das Verhältnis des Durchmessers der Eintrittspupille (der effektiven Öffnung, durch die Licht in das Objektiv eintritt) zur Brennweite des Objektivs. Man kann es sich als den Kehrwert der bekannteren Blendenzahl vorstellen.

Was bedeutet der f-Wert in der Fotografie?
Eine niedrigere Blendenzahl bedeutet eine größere relative Blendenöffnung und mehr Licht, das in das System eintritt , während eine höhere Blendenzahl eine kleinere relative Blendenöffnung und weniger Licht bedeutet, das in das System eintritt.

Formal wird das Öffnungsverhältnis oft mit 1/κ bezeichnet und definiert sich durch die Formel:

Öffnungsverhältnis = d / f

Wobei:

  • d der Durchmesser der Eintrittspupille ist
  • f die Brennweite des Objektivs ist

Stellen Sie sich ein Objektiv wie einen Trichter vor, der Licht sammelt. Die Öffnung oben am Trichter wäre der Durchmesser der Eintrittspupille (d), und die Länge des Trichters wäre die Brennweite (f). Das Verhältnis dieser beiden Größen sagt uns, wie 'weit offen' der Trichter im Verhältnis zu seiner Länge ist. Ein größerer Wert für d im Vergleich zu f bedeutet, dass der Trichter im Verhältnis kürzer und breiter ist, wodurch mehr Licht gesammelt werden kann.

Das Öffnungsverhältnis und die Blendenzahl: Zwei Seiten einer Medaille

Die meisten Fotografen sind eher mit der Blendenzahl (oft als f-Zahl oder Blendenwert bezeichnet) vertraut als mit dem Öffnungsverhältnis. Die Blendenzahl ist schlichtweg der Kehrwert des Öffnungsverhältnisses:

Blendenzahl (κ) = f / d

Dies erklärt, warum eine *kleine* Blendenzahl (wie f/1.4 oder f/2.8) ein *großes* Öffnungsverhältnis bedeutet, und eine *große* Blendenzahl (wie f/11 oder f/16) ein *kleines* Öffnungsverhältnis. Eine Blendenzahl von f/2.8 bedeutet beispielsweise, dass die Brennweite 2,8-mal so groß ist wie der Durchmesser der Eintrittspupille (f = 2.8 * d), was einem Öffnungsverhältnis von 1/2.8 oder ca. 0.357 entspricht. Eine Blendenzahl von f/8 bedeutet, dass die Brennweite 8-mal so groß ist wie der Durchmesser (f = 8 * d), was einem Öffnungsverhältnis von 1/8 oder 0.125 entspricht. Man sieht: Eine kleinere Blendenzahl (f/2.8) korreliert mit einem größeren Öffnungsverhältnis (0.357) als eine größere Blendenzahl (f/8) mit einem kleineren Öffnungsverhältnis (0.125).

Die Lichtstärke: Das maximale Öffnungsverhältnis

Ein besonders wichtiges Konzept, das direkt mit dem Öffnungsverhältnis zusammenhängt, ist die sogenannte Lichtstärke eines Objektivs. Die Lichtstärke bezeichnet das größtmögliche Öffnungsverhältnis, das ein Objektiv erreichen kann. Da das Öffnungsverhältnis der Kehrwert der Blendenzahl ist, entspricht die Lichtstärke der kleinstmöglichen Blendenzahl eines Objektivs.

Wenn Sie die Spezifikationen eines Objektivs lesen, sehen Sie oft Angaben wie '50mm f/1.8' oder '70-200mm f/2.8'. Die Zahl nach dem 'f/' (hier 1.8 und 2.8) gibt die Lichtstärke des Objektivs an, also die kleinste Blendenzahl und somit das größte Öffnungsverhältnis, das bei der angegebenen Brennweite (oder über den gesamten Zoombereich bei Zoomobjektiven) erreicht werden kann.

Ein Objektiv mit einer Lichtstärke von f/1.8 wird als 'lichtstark' bezeichnet, weil es im Vergleich zu einem Objektiv mit einer maximalen Blende von f/4 bei gleicher Brennweite eine deutlich größere Lichtmenge auf den Sensor lässt. Genauer gesagt, die Lichtmenge verhält sich quadratisch zur Blendenzahl. Von f/4 zu f/2.8 halbiert sich die Blendenzahl fast, was bedeutet, dass die Fläche der Öffnung und damit die eingelassene Lichtmenge sich vervierfacht (da die Fläche proportional zum Quadrat des Durchmessers ist, und der Durchmesser proportional zum Kehrwert der Blendenzahl ist). Dies ist ein enormer Unterschied.

Warum ist die Lichtstärke (das maximale Öffnungsverhältnis) so wichtig?

Die Lichtstärke eines Objektivs hat direkte Auswirkungen auf zwei zentrale Aspekte der Fotografie:

1. Leistung bei wenig Licht

Ein lichtstarkes Objektiv mit einem großen maximalen Öffnungsverhältnis (kleine Blendenzahl) lässt mehr Licht auf den Kamerasensor. Dies ist entscheidend, wenn Sie bei schlechten Lichtverhältnissen fotografieren, z.B. in Innenräumen oder bei Dämmerung, ohne einen Blitz verwenden zu wollen. Mehr Licht bedeutet, dass Sie kürzere Belichtungszeiten wählen können, um Bewegungsunschärfe zu vermeiden, oder eine niedrigere ISO-Einstellung verwenden können, um Bildrauschen zu reduzieren. Dies erweitert Ihre kreativen Möglichkeiten erheblich.

2. Kontrolle über die Schärfentiefe

Die Blendenzahl (und somit das Öffnungsverhältnis) ist der primäre Faktor zur Steuerung der Schärfentiefe. Die Schärfentiefe ist der Bereich im Bild, der scharf abgebildet wird. Eine kleine Blendenzahl (großes Öffnungsverhältnis) führt zu einer geringen Schärfentiefe. Das bedeutet, dass nur ein kleiner Bereich um den Fokuspunkt herum scharf ist, während der Vorder- und Hintergrund unscharf werden (der sogenannte 'Bokeh'-Effekt).

Dieser Effekt wird oft gezielt eingesetzt, um das Motiv vom Hintergrund abzuheben und eine angenehme ästhetische Unschärfe zu erzeugen. Ein lichtstarkes Objektiv ermöglicht eine extrem geringe Schärfentiefe und ist daher oft die bevorzugte Wahl für Porträts, bei denen das Gesicht scharf sein soll, der Hintergrund aber weich verschwimmt.

Eine große Blendenzahl (kleines Öffnungsverhältnis) hingegen führt zu einer großen Schärfentiefe, bei der ein größerer Bereich des Bildes von vorne bis hinten scharf ist. Dies ist oft bei Landschaftsaufnahmen oder Gruppenfotos gewünscht.

Die Möglichkeit, die Blende weit zu öffnen (kleine Blendenzahl / großes Öffnungsverhältnis), gibt dem Fotografen also mehr kreative Kontrolle über die Bildgestaltung.

Öffnungsverhältnis im Vergleich zu anderen Objektiv-Eigenschaften

Es ist wichtig, das Öffnungsverhältnis bzw. die Lichtstärke nicht mit anderen optischen Eigenschaften zu verwechseln, die ebenfalls in der Objektivspezifikation eine Rolle spielen:

  • Objektkontrast: Dies beschreibt den Dynamikbereich, den die Kamera (in Verbindung mit dem Objektiv) wiedergeben kann, also den Unterschied zwischen hellsten und dunkelsten Bereichen. Das Öffnungsverhältnis beeinflusst die *Menge* des Lichts, nicht den *Kontrastumfang*.
  • Optische Auflösung: Dies bezieht sich auf die Fähigkeit des Objektivs (und des Sensors), feine Details aufzulösen. Während ein qualitativ hochwertiges Objektiv oft auch eine gute Lichtstärke besitzt, sind dies unterschiedliche Messgrößen.
  • Opazität: Dieser Begriff beschreibt die Lichtundurchlässigkeit eines Materials und wird eher im Zusammenhang mit Scans oder Dichte von Filmen verwendet, nicht direkt für die Lichtdurchlässigkeit des Objektivs im Sinne des Öffnungsverhältnisses.

Das Öffnungsverhältnis/die Lichtstärke konzentriert sich rein auf die Fähigkeit des Objektivs, Licht effektiv auf den Sensor zu leiten und somit die Belichtung und die Schärfentiefe zu beeinflussen.

Zoomobjektive vs. Festbrennweiten

Bei Festbrennweiten-Objektiven ist die Lichtstärke (das maximale Öffnungsverhältnis) über die gesamte Brennweite konstant. Ein 50mm f/1.8 hat bei 50mm eine maximale Blende von f/1.8.

Bei Zoomobjektiven kann die Lichtstärke entweder konstant sein (z.B. ein 70-200mm f/2.8, das über den gesamten Bereich von 70mm bis 200mm eine maximale Blende von f/2.8 bietet) oder variabel (z.B. ein 18-55mm f/3.5-5.6, bei dem die maximale Blende bei 18mm f/3.5 beträgt, aber bei 55mm nur noch f/5.6). Objektive mit konstanter Lichtstärke sind in der Regel komplexer, größer, schwerer und teurer, bieten aber den Vorteil, dass sich die Belichtungseinstellungen beim Zoomen nicht ändern und man über den gesamten Zoombereich von der maximalen Lichtstärke profitieren kann.

Tabelle: Typische Lichtstärken (Maximale Öffnungsverhältnisse) verschiedener Objektivtypen

ObjektivtypTypische BrennweitenTypische maximale Blendenzahl (Lichtstärke)Typisches maximales Öffnungsverhältnis (Kehrwert der Blendenzahl)Bedeutung für die Fotografie
Super-Telezoom100-400mm, 150-600mmf/4.5-6.3, f/5.6-8ca. 1/5 - 1/8Oft weniger lichtstark, da große Brennweiten große Frontlinsen für hohe Lichtstärke erfordern.
Telezoom (Professionell)70-200mmf/2.8 (konstant)ca. 1/2.8Sehr lichtstark, gut für Sport, Porträts, wenig Licht.
Telezoom (Einsteiger/Mittelklasse)55-250mm, 70-300mmf/4-5.6, f/4.5-6.3 (variabel)ca. 1/4 - 1/6.3Gutes Preis-Leistungs-Verhältnis, aber bei längeren Brennweiten weniger Lichtstärke.
Standardzoom (Professionell)24-70mmf/2.8 (konstant)ca. 1/2.8Sehr vielseitig und lichtstark, gut für viele Situationen.
Standardzoom (Kit-Objektiv)18-55mmf/3.5-5.6 (variabel)ca. 1/3.5 - 1/5.6Kompakt und günstig, aber weniger lichtstark.
Normal-Festbrennweite50mm, 85mmf/1.8, f/1.4, f/1.2ca. 1/1.8 - 1/1.2Sehr lichtstark, oft sehr scharf, exzellent für Porträts und wenig Licht, tolles Bokeh.
Weitwinkel-Festbrennweite24mm, 35mmf/2.8, f/2, f/1.4ca. 1/2.8 - 1/1.4Kann sehr lichtstark sein, gut für Landschaften, Street Photography, Innenräume.
Makro-Objektiv50mm, 100mmf/2.8, f/3.5ca. 1/2.8 - 1/3.5Oft lichtstark, optimiert für Nahaufnahmen, aber auch für andere Zwecke nutzbar.

Häufig gestellte Fragen zum Öffnungsverhältnis

Ist das Öffnungsverhältnis dasselbe wie die Blendenzahl?

Nein, nicht ganz. Die Blendenzahl ist der Kehrwert des Öffnungsverhältnisses. Wenn das Öffnungsverhältnis 1/κ ist, dann ist die Blendenzahl κ. Fotografen sprechen im Alltag meist von der Blendenzahl (f/2.8, f/8 etc.), aber physikalisch ist das Öffnungsverhältnis (d/f) die zugrunde liegende Größe, die beschreibt, wie 'offen' das Objektiv im Verhältnis zur Brennweite ist.

Was bedeutet ein 'großes' Öffnungsverhältnis?

Ein großes Öffnungsverhältnis (z.B. 1/1.4 oder 1/2.8) bedeutet, dass der Durchmesser der Eintrittspupille im Verhältnis zur Brennweite groß ist. Dies entspricht einer kleinen Blendenzahl (f/1.4 oder f/2.8). Ein großes Öffnungsverhältnis lässt viel Licht durch das Objektiv und ermöglicht eine geringe Schärfentiefe.

Was bedeutet ein 'kleines' Öffnungsverhältnis?

Ein kleines Öffnungsverhältnis (z.B. 1/11 oder 1/16) bedeutet, dass der Durchmesser der Eintrittspupille im Verhältnis zur Brennweite klein ist. Dies entspricht einer großen Blendenzahl (f/11 oder f/16). Ein kleines Öffnungsverhältnis lässt weniger Licht durch das Objektiv und führt zu einer großen Schärfentiefe.

Ist die Lichtstärke dasselbe wie das Öffnungsverhältnis?

Die Lichtstärke eines Objektivs ist das *größtmögliche* Öffnungsverhältnis, das dieses Objektiv erreichen kann. Sie wird üblicherweise durch die *kleinstmögliche* Blendenzahl angegeben (z.B. f/1.8 als Lichtstärke). Also ist die Lichtstärke ein spezifischer Wert des Öffnungsverhältnisses – nämlich der maximale Wert.

Wie beeinflusst das Öffnungsverhältnis die Belichtung?

Ein größeres Öffnungsverhältnis (kleinere Blendenzahl) lässt mehr Licht auf den Sensor fallen. Bei gleicher ISO-Einstellung und gleichem Motiv können Sie daher eine kürzere Belichtungszeit wählen, als mit einem Objektiv mit kleinerem Öffnungsverhältnis (größerer Blendenzahl). Dies ist besonders nützlich, um Bewegungsunschärfe zu vermeiden.

Fazit

Auch wenn Fotografen im täglichen Sprachgebrauch eher von der Blendenzahl und der Lichtstärke sprechen, ist das Öffnungsverhältnis (d/f) die grundlegende physikalische Größe, die beschreibt, wie viel Licht ein Objektiv im Verhältnis zu seiner Brennweite sammeln kann. Das maximale Öffnungsverhältnis eines Objektivs ist seine Lichtstärke und hat einen enormen Einfluss auf die Leistung bei wenig Licht und die kreative Kontrolle über die Schärfentiefe. Das Verständnis dieses Zusammenhangs ist entscheidend, um das Potenzial Ihrer Objektive voll auszuschöpfen und bewusste Entscheidungen bei der Ausrüstungswahl und Bildgestaltung zu treffen. Denken Sie daran: Ein gutes Objektiv, oft charakterisiert durch eine hohe Lichtstärke (also ein großes maximales Öffnungsverhältnis), ist eine der besten Investitionen, die ein Fotograf tätigen kann.

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Andenmatten Soltermann

Hallo! Ich bin Andenmatten Soltermann, ein Schweizer Fotograf, der leidenschaftlich die Essenz der Welt durch seine Linse einfängt. Geboren und aufgewachsen in den majestätischen Schweizer Alpen, haben die deutsche Sprache und atemberaubende Landschaften meine kreative Vision geprägt. Meine Liebe zur Fotografie begann mit einer alten analogen Kamera, und seitdem widme ich mein Leben der Kunst, visuelle Geschichten zu erzählen, die berühren und verbinden.In meinem Blog teile ich praktische Tipps, Techniken und Erfahrungen, um dir zu helfen, deine fotografischen Fähigkeiten zu verbessern – egal, ob du ein neugieriger Anfänger oder ein erfahrener Profi bist. Von der Beherrschung des natürlichen Lichts bis hin zu Ratschlägen für wirkungsvolle Bildkompositionen ist es mein Ziel, dich zu inspirieren, die Welt mit neuen Augen zu sehen. Mein Ansatz verbindet Technik mit Leidenschaft, immer auf der Suche nach dem Funken, der ein Foto unvergesslich macht.Wenn ich nicht hinter der Kamera stehe, findest du mich auf Bergpfaden, auf Reisen nach neuen Perspektiven oder beim Genießen der Schweizer Traditionen, die mir so am Herzen liegen. Begleite mich auf dieser visuellen Reise und entdecke, wie Fotografie die Art und Weise, wie du die Welt siehst, verändern kann.

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