Die Frage „Ist MFT tot?“ geistert schon seit vielen Jahren durch die Foren und Blogs der Fotowelt. Immer wieder gibt es Anlässe, die diese Diskussion neu befeuern. Trotzdem erfreut sich das Micro Four Thirds (MFT)-System, das gemeinsam von Panasonic und OM System (ehemals Olympus) entwickelt wurde, auch im Jahr 2023 weiterhin einer beachtlichen Beliebtheit. Es hat eine treue Fangemeinde, die die spezifischen Vorteile des Systems schätzt. Doch nun gab es eine Nachricht, die erneut Wasser auf die Mühlen der Skeptiker goss: Der Objektivhersteller Sigma zieht sich aus der Neuentwicklung von MFT-Objektiven zurück. Dies hat in der Community für einige Diskussionen gesorgt und die Frage nach der Zukunft des Systems erneut aufgeworfen.

Im Rahmen der Fotomesse CP+ 2023 in Yokohama, Japan, erklärte Kazuto Yamaki, der CEO von Sigma, dass sein Unternehmen keine Pläne habe, neue Objektive speziell für das MFT-System zu entwickeln. Diese Aussage wurde in einem Interview mit der französischen Seite ‘Phototrend.fr‘ getätigt und sorgte schnell für Schlagzeilen. Es ist wichtig zu betonen, dass Sigma nicht angekündigt hat, seine bestehenden MFT-Objektive sofort einzustellen. Das aktuelle, wenn auch kleine, Sortiment soll vorerst weiterhin verfügbar bleiben. Doch die Entscheidung, keine Ressourcen mehr in die Forschung und Entwicklung neuer Optiken für dieses System zu investieren, sendet ein klares Signal über Sigmas Einschätzung des MFT-Marktes.

Sigma zieht sich zurück – Was bedeutet das wirklich?
Die Nachricht von Sigmas Rückzug mag auf den ersten Blick dramatisch klingen, insbesondere für diejenigen, die das MFT-System unterstützen oder nutzen. Doch bei genauerer Betrachtung relativiert sich die Bedeutung dieses Schrittes. Der Hauptgrund, den Kazuto Yamaki für diese Entscheidung nannte, war der „stark zurückgehende“ Bedarf an MFT-Objektiven von Sigma. Dies ist ein entscheidender Punkt: Es geht um die Nachfrage nach *Sigmas* MFT-Objektiven, nicht zwangsläufig um die Gesamtnachfrage im MFT-System.
Sigmas Engagement im MFT-Bereich war ohnehin eher begrenzt. Das Unternehmen hat lediglich drei Objektive mit MFT-Anschluss im Angebot: das 16mm F1.4, das 30mm F1.4 und das 56mm F1.4. Interessanterweise handelt es sich bei diesen Optiken nicht um reine MFT-Entwicklungen. Sie wurden ursprünglich für das APS-C-System konzipiert und lediglich mit einem passenden MFT-Anschluss versehen. Das bedeutet, dass Sigma nie ein breites, speziell auf MFT zugeschnittenes Portfolio aufgebaut hat, wie es beispielsweise im Sony E-Mount (APS-C und Vollformat) oder im L-Mount (Vollformat) der Fall ist.
Angesichts dieses begrenzten Angebots und der Tatsache, dass es sich um adaptierte Designs handelt, ist Sigmas Rückzug aus der Neuentwicklung zwar bedauerlich, aber kein existenzielles Problem für das gesamte MFT-System. Der Einfluss auf die Verfügbarkeit und Auswahl von Objektiven für MFT-Nutzer ist vergleichsweise gering, da die Hauptlast der Objektivangebote von den Systemgründern, OM System und Panasonic Lumix, getragen wird.
Die unbestreitbaren Stärken des Micro Four Thirds Systems
Trotz der Marktverschiebung hin zu größeren Sensoren und Nachrichten wie Sigmas Rückzug hat das Micro Four Thirds System weiterhin viele überzeugende Argumente auf seiner Seite. Einer der am häufigsten genannten und offensichtlichsten Vorteile ist die Kompaktheit. Kameras und insbesondere Objektive für MFT sind im Durchschnitt deutlich kleiner und leichter als ihre Pendants im APS-C- oder gar Vollformat-Bereich. Dies macht MFT-Systeme ideal für Reisen, Street Photography oder für Fotografen, die einfach nicht viel Gewicht mit sich herumtragen möchten. Ein komplettes System mit mehreren Objektiven passt oft in eine kleinere Tasche als eine einzelne Vollformatkamera mit einem Standardzoom.
Ein weiterer großer Pluspunkt ist das bereits erwähnte Objektivangebot von OM System und Panasonic. Über die Jahre haben beide Unternehmen ein riesiges und vielfältiges Sortiment an Optiken aufgebaut. Dieses reicht von sehr kompakten und erschwinglichen Festbrennweiten und Zooms bis hin zu lichtstarken Pro-Objektiven, die höchste optische Qualität liefern. Es gibt Spezialobjektive wie Fisheyes, Makroobjektive, extrem lichtstarke Primes (z.B. F0.95) und Supertelezooms, die aufgrund des Crop-Faktors des Sensors eine enorme Reichweite bieten, ohne riesig und schwer zu sein. Diese Auswahl übertrifft die von Sigma für MFT angebotenen drei Objektive bei weitem und stellt sicher, dass MFT-Nutzer Zugang zu nahezu jeder Art von Optik haben, die sie benötigen.
Darüber hinaus bietet das MFT-System oft fortschrittliche Funktionen in kompakter Bauweise. Viele MFT-Kameras verfügen über hervorragende Bildstabilisatoren im Gehäuse (IBIS), schnelle Serienbildfunktionen und robuste, wetterfeste Gehäuse. Die Videofunktionen sind bei Panasonic Lumix Kameras traditionell sehr stark, aber auch OM System hat hier aufgeholt. Die Balance aus Größe, Leistung und Funktion macht MFT für viele Anwendungsbereiche attraktiv.
Herausforderungen und der Trend zu größeren Sensoren
Es lässt sich nicht leugnen, dass der Fotomarkt einen klaren Trend hin zu Kameras mit größeren Sensoren, insbesondere Vollformat, erlebt. Viele Hersteller setzen stark auf dieses Segment und bewerben die Vorteile größerer Sensoren wie bessere Leistung bei schlechten Lichtverhältnissen und ein geringeres Schärfentiefenpotenzial (Bokeh). Auch APS-C-Systeme erfreuen sich weiterhin großer Beliebtheit als Kompromiss zwischen Größe, Leistung und Kosten, obwohl auch Yamaki einen Rückgang bei APS-C erwähnt. Dieser allgemeine Markttrend beeinflusst natürlich auch die Nachfrage nach MFT-Systemen und -Objektiven, was letztendlich zu Entscheidungen wie der von Sigma führen kann.
Der geringere Sensor des MFT-Systems (im Vergleich zu APS-C oder Vollformat) hat physikalische Grenzen, insbesondere bei extremen Lichtverhältnissen oder wenn eine sehr geringe Schärfentiefe gewünscht ist. Während moderne MFT-Sensoren eine beeindruckende Leistung liefern, können sie in diesen spezifischen Disziplinen nicht immer ganz mit den besten größeren Sensoren mithalten. Dies ist ein Faktor, der dazu beiträgt, dass einige Fotografen sich für Systeme mit größeren Sensoren entscheiden, wenn diese Eigenschaften für ihre Arbeit oberste Priorität haben.
Hoffnungsschimmer: Positive Entwicklungen bei Panasonic und OM System
Trotz der Herausforderungen und der Nachricht von Sigmas Rückzug gibt es wichtige positive Signale von den Hauptakteuren des MFT-Systems, Panasonic und OM System. Diese Unternehmen investieren weiterhin in die Entwicklung neuer Kameras und Objektive und zeigen damit ihr Engagement für das System.
Eine besonders erfreuliche Nachricht für MFT-Nutzer kam kürzlich von Panasonic: Das Unternehmen plant, sein fortschrittliches Phasen-Detektions-Autofokus-System (PDAF), das es bereits in seinen Vollformatkameras erfolgreich eingeführt hat, auch auf MFT-Modelle auszuweiten. Dies ist eine bedeutende technologische Weiterentwicklung, da der Autofokus, insbesondere bei bewegten Motiven oder Videoaufnahmen, oft als ein Bereich genannt wurde, in dem MFT (insbesondere Panasonic-Kameras mit Kontrast-AF) im Vergleich zu anderen Systemen noch Potenzial hatte. Die Einführung von PDAF verspricht eine deutlich verbesserte Autofokusleistung, was das System für eine breitere Palette von Anwendungen, einschließlich Sport- und Tierfotografie sowie anspruchsvolle Videografie, noch attraktiver machen würde.
Auch OM System erzielt laut Kazuto Yamaki „gute Resultate mit ihren neuen Kameras und Objektiven“. Modelle wie die OM-1 haben gezeigt, dass OM System weiterhin innovative Technologien in kompakten MFT-Gehäusen umsetzen kann, wie z.B. fortschrittliche Computer-Fotografie-Funktionen oder eine extrem schnelle Performance. Dieses anhaltende Engagement und die Entwicklung neuer, leistungsfähiger Produkte von beiden Systemgründern sind starke Indikatoren dafür, dass das MFT-System alles andere als tot ist. Sie zeigen, dass OM System und Panasonic weiterhin an das Potenzial und die Relevanz von Micro Four Thirds glauben und bereit sind, darin zu investieren.
Ist MFT also tot? Eine Zusammenfassung
Um es klar zu sagen: Nein, das Micro Four Thirds System ist nicht tot. Die Nachricht von Sigmas Rückzug aus der Neuentwicklung ist zwar bedauerlich und ein Symptom für die Marktverschiebung, aber sie ist kein Todesstoß. Sigma war im MFT-Bereich nur mit einer sehr kleinen Anzahl von adaptierten Objektiven vertreten. Das Herzstück des Systems bilden die umfangreichen Objektivangebote und die kontinuierliche Entwicklung durch OM System und Panasonic.
MFT hat nach wie vor seine Berechtigung und seine spezifischen Stärken, allen voran die unübertroffene Kompaktheit des Gesamtsystems bei gleichzeitig hoher Bildqualität und Leistung. Es bedient erfolgreich eine Nische von Fotografen und Videografen, die Wert auf Mobilität legen, aber nicht auf Vielseitigkeit verzichten möchten.
Die positiven Entwicklungen bei Panasonic, wie die geplante Einführung von PDAF, zeigen, dass Innovationen im MFT-System weiterhin stattfinden und es technologisch relevant bleibt. OM System bringt ebenfalls regelmäßig neue Produkte auf den Markt, die die Leistungsfähigkeit des Systems unter Beweis stellen.
Häufig gestellte Fragen zur Zukunft von MFT
Warum gab es die Meldung, dass Sigma die MFT-Entwicklung einstellt?
Sigma-CEO Kazuto Yamaki erklärte, dass die Nachfrage nach Sigmas MFT-Objektiven stark zurückgegangen sei. Da Sigma ohnehin nur wenige, adaptierte Objektive im MFT-Sortiment hatte, entschieden sie sich, keine neuen spezifischen MFT-Optiken mehr zu entwickeln. Es geht also um Sigmas Geschäftsperspektive im MFT-Bereich, nicht um eine allgemeine Aussage über die Gesundheit des gesamten Systems.
Wird das Micro Four Thirds System von Panasonic und OM System weiterhin unterstützt?
Ja, definitiv. Sowohl Panasonic als auch OM System (ehemals Olympus) sind die Gründer und Hauptstützen des MFT-Systems. Sie investieren weiterhin in die Entwicklung neuer Kameras und Objektive. Panasonics Plan, PDAF in MFT zu integrieren, und OM Systems fortlaufende Produktinnovationen sind klare Beweise dafür, dass sie an das System glauben und es aktiv vorantreiben.
Was sind die Hauptvorteile von MFT im Vergleich zu anderen Systemen?
Die größten Vorteile sind die Kompaktheit und das geringe Gewicht des gesamten Systems (Kamera plus Objektive), das riesige und vielfältige Objektivangebot von OM System und Panasonic für nahezu jeden Anwendungsbereich, sowie fortschrittliche Technologien wie effektive Bildstabilisierung und (zukünftig verbesserter) Autofokus in vielen Modellen. Es bietet eine exzellente Balance zwischen Größe, Leistung und Preis.
Lohnt sich der Einstieg in das MFT-System im Jahr 2023 noch?
Wenn Sie Wert auf ein sehr kompaktes und leichtes System legen, eine riesige Auswahl an Objektiven benötigen und die spezifischen Stärken von MFT (wie Tele-Reichweite, exzellente Videofunktionen bei Panasonic oder fortschrittliche Features bei OM System) schätzen, dann lohnt sich der Einstieg in das MFT-System auch im Jahr 2023 absolut. Es ist ein ausgereiftes System mit einer soliden Basis und vielversprechenden zukünftigen Entwicklungen.
Das Micro Four Thirds System mag vielleicht nicht den gleichen Marktanteil wie Vollformat oder APS-C beanspruchen, aber es ist ein lebendiges, sich entwickelndes System mit klaren Vorteilen für eine bestimmte Zielgruppe. Nachrichten wie der Rückzug eines Drittherstellers wie Sigma mögen Anlass zur Sorge geben, aber sie spiegeln oft eher die spezifische Situation dieses Herstellers wider als den Zustand des gesamten Ökosystems. Solange Panasonic und OM System innovative Produkte liefern und in die Entwicklung investieren, hat MFT eine gesicherte Zukunft.
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