Das Schweizer Urheberrechtsgesetz (URG) schützt geistige Schöpfungen der Literatur und Kunst, die einen individuellen Charakter aufweisen. Für Fachleute im Bereich des Geistigen Eigentums ist das präzise Verständnis dessen, was ein urheberrechtlich geschütztes Werk darstellt, von fundamentaler Bedeutung. Es bildet die Grundlage für die Beurteilung von Schutzansprüchen, die Durchsetzung von Rechten und die Beratung von Klienten. Dieser Artikel taucht tief in den Werkbegriff nach Schweizer Recht ein und beleuchtet die verschiedenen Werkarten, die Schutz geniessen.

Im Kern steht die Definition des Werks in Artikel 2 URG. Ein Werk ist demnach eine geistige Schöpfung mit individuellem Charakter, unabhängig von ihrem Wert oder Zweck. Diese Definition mag auf den ersten Blick einfach erscheinen, birgt aber in der praktischen Anwendung zahlreiche Nuancen und Herausforderungen. Die Auslegung dieser Kriterien ist Gegenstand ständiger rechtlicher Diskussion und Weiterentwicklung durch die Gerichte.
Die zentralen Kriterien des Werkbegriffs
Um als urheberrechtlich geschütztes Werk zu gelten, müssen kumulativ drei Hauptkriterien erfüllt sein:
1. Geistige Schöpfung
Dieses Kriterium bedeutet, dass das Werk das Ergebnis menschlicher kreativer Tätigkeit sein muss. Es muss einen gedanklichen Inhalt oder eine Formgebung aufweisen, die auf der intellektuellen Leistung eines oder mehrerer Menschen beruht. Rein zufällige Ergebnisse oder mechanische Hervorbringungen ohne menschlichen Einfluss gelten nicht als geistige Schöpfungen. Auch rein technische oder funktionale Aspekte, die einzig durch ihre beabsichtigte Funktion bestimmt sind, erfüllen dieses Kriterium in der Regel nicht, es sei denn, sie weisen darüber hinaus eine kreative Gestaltung auf.
2. Individueller Charakter
Dies ist oft das entscheidende und am schwierigsten zu beurteilende Kriterium. Ein Werk hat einen individuellen Charakter, wenn es sich von bereits Bestehendem unterscheidet und eine gewisse Eigenheit aufweist, die auf der Persönlichkeit des Schöpfers beruht. Es geht nicht um absolute Einzigartigkeit, sondern um eine statistische Seltenheit oder eine persönliche Prägung, die über das rein Handwerkliche oder Alltägliche hinausgeht. Die Anforderungen an den individuellen Charakter, oft auch als Schöpfungshöhe bezeichnet, variieren je nach Werkart. Bei Werken der bildenden Kunst oder Musik wird der individuelle Charakter tendenziell eher anerkannt als bei rein informativen Texten oder einfachen Designs. Wichtig ist, dass der individuelle Charakter in der wahrnehmbaren Form des Werks zum Ausdruck kommt und nicht nur in der zugrundeliegenden Idee.
3. Wahrnehmbarkeit
Das Werk muss in einer Form vorliegen, die von Dritten wahrgenommen werden kann. Es muss objektiv fassbar sein, sei es durch Sehen, Hören, Lesen oder eine andere Sinneswahrnehmung. Eine blosse Idee oder ein Konzept, das noch nicht in einer konkreten Form Gestalt angenommen hat, ist nicht urheberrechtlich geschützt. Die Fixierung muss nicht dauerhaft sein (z.B. eine spontane musikalische Improvisation kann geschützt sein), aber sie muss zumindest für die Wahrnehmung durch andere geeignet sein.
Welche Werkarten sind nach URG geschützt?
Das URG listet in Artikel 2 Absatz 2 beispielhaft (nicht abschliessend) verschiedene Werkarten auf. Diese Liste dient zur Veranschaulichung, bedeutet aber nicht, dass nur diese Kategorien Schutz geniessen. Entscheidend ist immer, ob die allgemeinen Kriterien der geistigen Schöpfung und des individuellen Charakters erfüllt sind.
- Literarische Werke: Dazu gehören Texte jeder Art, wie Bücher, Artikel, Gedichte, Drehbücher, Reden, aber auch Software-Quellcodes (als Text).
- Musikwerke: Kompositionen mit oder ohne Text.
- Werke der bildenden Kunst: Gemälde, Skulpturen, Zeichnungen, Grafiken, Installationen etc. Auch Werke des Kunsthandwerks können geschützt sein, wenn sie einen ausreichenden individuellen Charakter aufweisen.
- Fotografische Werke: Seit der Revision des URG im Jahr 2020 explizit als eigene Kategorie genannt und geniessen Schutz unabhängig von ihrem künstlerischen oder wissenschaftlichen Wert, sofern sie individuell sind. Die Schwelle für den individuellen Charakter ist hier tendenziell niedrig.
- Filmwerke: Spielfilme, Dokumentarfilme, Werbefilme etc.
- Werke mit wissenschaftlichem oder technischem Inhalt: Dazu zählen insbesondere Zeichnungen, Pläne, Karten (technischer oder wissenschaftlicher Art), Tabellen, Modelle und Grafiken.
- Werke der Baukunst: Gebäude, Brücken, Innenarchitekturen, Gartenarchitekturen, sofern sie individuell gestaltet sind.
- Werke der angewandten Kunst: Designs für Gegenstände des täglichen Gebrauchs, Mode, Schmuck etc., wenn sie den erforderlichen individuellen Charakter aufweisen.
- Computerprogramme: Geniessen als literarische Werke Schutz, wobei hier oft die funktionale Gestaltung im Vordergrund steht und der individuelle Charakter eher in der Struktur, Organisation und dem Code selbst gesucht wird.
Bearbeitungen und Sammelwerke
Auch Bearbeitungen bestehender Werke (z.B. Übersetzungen, musikalische Arrangements, Verfilmungen, Anpassungen von Software) sowie Sammelwerke (z.B. Anthologien, Datenbanken) können urheberrechtlich geschützt sein. Voraussetzung ist, dass die Bearbeitung oder die Auswahl und Anordnung des Materials im Sammelwerk selbst einen individuellen Charakter aufweist (Art. 4 URG). Der Schutz einer Bearbeitung oder eines Sammelwerks beeinträchtigt nicht den Schutz der darin enthaltenen Originalwerke.
Was ist nicht urheberrechtlich geschützt?
Nicht alles, was das Ergebnis menschlicher Arbeit ist, geniesst Urheberrechtsschutz. Insbesondere sind folgende Punkte in der Regel nicht geschützt:
- Ideen, Konzepte, Theorien: Das Urheberrecht schützt die konkrete Form, in der eine Idee ausgedrückt wird, nicht die Idee selbst.
- Reine Fakten oder Daten: Eine blosse Sammlung von Fakten oder Daten ohne individuelle Auswahl oder Anordnung ist nicht geschützt.
- Amtliche Erlasse und Entscheidungen: Gesetze, Verordnungen, Gerichtsurteile etc. sind grundsätzlich gemeinfrei (Art. 5 URG).
- Nachrichten des Tages: Reine Informationen über Tagesereignisse sind nicht geschützt (Art. 5 URG).
- Werke ohne individuellen Charakter: Alltägliche oder triviale Gestaltungen, die jeder ähnlich machen würde, erreichen die erforderliche Schöpfungshöhe nicht.
Abgrenzung zu anderen Schutzrechten
Für IP-Profis ist die Abgrenzung des Urheberrechts zu anderen Schutzrechten essenziell. Ein Logo kann beispielsweise urheberrechtlich geschützt sein, wenn es einen individuellen Charakter aufweist, gleichzeitig aber auch markenrechtlichen Schutz geniessen, wenn es als Kennzeichen für Waren oder Dienstleistungen dient. Technische Erfindungen werden durch Patente geschützt, Designs von Produkten können Designschutz geniessen. Datenbanken, die keinen ausreichenden individuellen Charakter in Auswahl oder Anordnung haben, können unter Umständen durch verwandte Schutzrechte (Leistungsschutzrechte) geschützt sein, wenn für deren Erstellung ein wesentlicher Aufwand erforderlich war (Art. 35 URG).

Übersicht über Werkarten und Kriterien
Werkart | Beispiele | Anforderungen an den individuellen Charakter |
---|---|---|
Literarische Werke (Texte) | Roman, Fachartikel, Gedicht, Software-Code | Ausdrucksweise, Struktur, Stil; bei Software: Struktur, Organisation, Code-Gestaltung jenseits der reinen Funktionalität |
Musikwerke | Sinfonie, Song, Jingle | Melodie, Harmonie, Rhythmus, Struktur |
Fotografische Werke | Porträt, Landschaftsaufnahme, Produktfoto | Bildkomposition, Lichtführung, Perspektive, Momentaufnahme (seit URG 2020 tendenziell niedrige Schwelle) |
Werke der bildenden Kunst | Gemälde, Skulptur, Grafik | Formgebung, Farbgebung, Komposition, Technik, persönlicher Stil |
Werke der Baukunst | Gebäude, Brücke, Innenraum | Architektonische Gestaltung, Raumkonzept, Materialwahl, Ästhetik (jenseits der reinen Funktionalität) |
Computerprogramme | Anwendungssoftware, Betriebssystem, App | Struktur, Organisation des Codes, Algorithmen (soweit nicht rein funktional), Quellcode-Gestaltung |
Häufig gestellte Fragen (FAQ)
Muss ein Werk in der Schweiz registriert werden, um geschützt zu sein?
Nein. Der Urheberrechtsschutz entsteht in der Schweiz automatisch mit der Schaffung des Werks, sofern es die Kriterien der geistigen Schöpfung, des individuellen Charakters und der Wahrnehmbarkeit erfüllt. Es gibt kein Register für Urheberrechte.
Wie lange ist ein Werk in der Schweiz geschützt?
Die Schutzdauer beträgt in der Regel 70 Jahre nach dem Tod des Urhebers (Art. 29 URG). Für Computerprogramme und fotografische Werke, die nicht als Werke der bildenden Kunst gelten, beträgt die Schutzdauer 50 Jahre nach dem Tod des Urhebers. Bei Werken mit mehreren Urhebern beginnt die Frist nach dem Tod des längstlebenden Urhebers.
Sind Logos urheberrechtlich geschützt?
Ja, ein Logo kann urheberrechtlich geschützt sein, wenn es die Kriterien eines Werks erfüllt, insbesondere einen ausreichenden individuellen Charakter aufweist. Viele Logos sind jedoch zu einfach oder rein funktional, um als Werke geschützt zu sein. Unabhängig vom Urheberrecht kann ein Logo als Marke geschützt werden.
Sind Datenbanken geschützt?
Eine Datenbank als solche ist urheberrechtlich geschützt, wenn die Auswahl oder Anordnung der darin enthaltenen Daten einen individuellen Charakter aufweist (Sammelwerk). Auch einzelne in der Datenbank enthaltene Elemente können urheberrechtlich geschützt sein. Zudem gibt es in der Schweiz ein verwandtes Schutzrecht für Datenbankhersteller, das den Schutz von Datenbanken mit wesentlichem Investitionsaufwand, aber ohne individuellen Charakter in der Struktur, abdeckt (Art. 35 URG).
Kann eine Idee geschützt werden?
Nein, Ideen und Konzepte sind nach Schweizer Urheberrecht nicht geschützt. Geschützt ist nur die konkrete Form oder Ausdrucksweise, in der eine Idee realisiert wird.
Was bedeutet "individueller Charakter" in der Praxis?
Der individuelle Charakter ist erfüllt, wenn das Werk im Vergleich zu bereits bestehenden Werken eine gewisse Eigenheit aufweist, die Ausdruck der Persönlichkeit des Urhebers ist. Es muss sich von der Masse des Alltäglichen abheben. Die Schwelle ist nicht sehr hoch, aber sie existiert. Ein rein generisches oder nach Vorlage erstelltes Werk hat keinen individuellen Charakter.
Fazit
Das Verständnis des Werkbegriffs ist für IP-Professionelle in der Schweiz unverzichtbar. Die Beurteilung, ob eine Schöpfung urheberrechtlichen Schutz geniesst, erfordert die sorgfältige Prüfung der Kriterien der geistigen Schöpfung, des individuellen Charakters und der Wahrnehmbarkeit. Die Vielfalt der geschützten Werkarten zeigt die Breite des Anwendungsbereichs des URG, wobei die Abgrenzung zu nicht geschützten Inhalten und anderen Schutzrechten stets zu beachten ist. Dieses Wissen ermöglicht eine fundierte Beratung und strategische Planung im Umgang mit kreativen und künstlerischen Leistungen.
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