Die Langzeitbelichtung ist eine faszinierende Technik in der Fotografie, die es ermöglicht, Bewegung einzufangen und in künstlerische Unschärfe oder Lichtspuren zu verwandeln. Ob seidig glattes Wasser, ziehende Wolken oder die leuchtenden Spuren von Autoscheinwerfern bei Nacht – dieser Effekt verleiht Bildern eine ganz besondere, oft surreale Ästhetik. Lange Zeit war diese Technik den Besitzern von Spiegelreflex- oder spiegellosen Kameras vorbehalten, da sie die manuelle Kontrolle über die Verschlusszeit erfordert. Doch dank cleverer Softwarelösungen und der Weiterentwicklung der iPhone-Kamera ist die Langzeitbelichtung heute auch mit Ihrem Smartphone möglich.

Auch wenn das iPhone technisch bedingt keine klassische manuelle Verschlusszeiteneinstellung wie eine professionelle Kamera bietet, hat Apple einen cleveren Weg gefunden, den Effekt der Langzeitbelichtung zu simulieren. Dieser Weg führt über die sogenannte Live Photo-Funktion, die auf den meisten neueren iPhone-Modellen verfügbar ist. Seit iOS 11 können Sie aufgenommene Live Photos ganz einfach in beeindruckende Langzeitbelichtungen umwandeln. Darüber hinaus gibt es spezielle Apps von Drittanbietern, die ebenfalls die Möglichkeit bieten, diesen Effekt zu erzielen, oft mit zusätzlichen Einstellungsmöglichkeiten. In diesem Artikel zeigen wir Ihnen, wie Sie beide Methoden nutzen können, um einzigartige Langzeitaufnahmen mit Ihrem iPhone zu erstellen.

Langzeitbelichtung mit der Live Photo-Funktion
Die einfachste und zugänglichste Methode, eine Langzeitbelichtung mit dem iPhone zu erzeugen, ist die Umwandlung eines Live Photos. Ein Live Photo ist im Grunde eine kurze Videoaufnahme von etwa drei Sekunden, die das iPhone zusammen mit dem eigentlichen Foto aufnimmt. Diese kurze Sequenz enthält genügend Informationen über die Bewegung im Bild, die die Software dann nutzen kann, um den Langzeitbelichtungseffekt zu berechnen.
So nehmen Sie ein Live Photo auf:
- Öffnen Sie die standardmäßige Kamera-App auf Ihrem iPhone oder iPad.
- Stellen Sie sicher, dass die Live Photo-Funktion aktiviert ist. Sie erkennen dies am Symbol mit den konzentrischen Kreisen oben im Bildschirm. Wenn es gelb ist, ist die Funktion aktiv. Wenn es weiß mit einem Strich ist, tippen Sie darauf, um es zu aktivieren.
- Richten Sie Ihr iPhone auf das Motiv, das Bewegung enthält (z. B. fließendes Wasser, vorbeifahrende Autos, sich bewegende Wolken).
- Drücken Sie den Auslöser, um das Live Photo aufzunehmen. Halten Sie das iPhone dabei so ruhig wie möglich, während die kurze Live Photo-Sequenz aufgenommen wird.
Das war's! Sie haben nun das Rohmaterial für Ihre Langzeitbelichtung aufgenommen.
Live Photo in Langzeitbelichtung umwandeln:
Nachdem Sie das Live Photo aufgenommen haben, ist die Umwandlung in eine Langzeitbelichtung nur noch wenige Schritte entfernt:
- Öffnen Sie die Fotos-App auf Ihrem iPhone.
- Suchen Sie das Live Photo, das Sie gerade aufgenommen haben. Sie erkennen Live Photos am Wort „LIVE“ oben links im Bild, wenn Sie es öffnen.
- Tippen Sie auf das Bild, um es anzuzeigen.
- Wischen Sie auf dem Foto nach oben. Dadurch werden verschiedene Optionen und Effekte angezeigt, die Sie auf Live Photos anwenden können.
- Im Bereich „Effekte“ sehen Sie Optionen wie „Live“, „Endlosschleife“ und „Abpraller“. Wischen Sie hier ganz nach rechts, bis Sie die Option „Langzeitbelichtung“ sehen.
- Tippen Sie auf „Langzeitbelichtung“. Das iPhone berechnet nun aus den Einzelbildern des Live Photos ein einziges Bild mit dem gewünschten Effekt.
Das Ergebnis sollte nun die bewegten Elemente im Bild unscharf oder als Spuren darstellen, während die statischen Teile scharf bleiben. Wenn Ihnen das Ergebnis nicht gefällt, können Sie jederzeit zum ursprünglichen Live Photo zurückkehren, indem Sie die Schritte wiederholen und unter „Effekte“ wieder „Live“ auswählen.
Warum ein Stativ für Langzeitbelichtung entscheidend ist
Egal, ob Sie die Live Photo-Methode oder eine Drittanbieter-App verwenden, um den Effekt der Langzeitbelichtung zu erzielen, ein Faktor ist für gute Ergebnisse von entscheidender Bedeutung: Stabilität. Das iPhone muss während der Aufnahme der Bilderserie oder des Live Photos absolut ruhig gehalten werden. Schon kleinste Bewegungen der Hand führen dazu, dass nicht nur die bewegten Objekte unscharf werden, sondern auch der eigentlich statische Hintergrund. Das Ergebnis ist dann oft ein verwackeltes, unansehnliches Bild, bei dem nichts wirklich scharf ist.
Die beste Lösung, um dies zu vermeiden, ist die Verwendung eines Stativs. Es gibt kostengünstige und kompakte Smartphone-Stative, die sich leicht transportieren lassen und eine sichere Klemmvorrichtung für Ihr iPhone bieten. Ein Stativ gewährleistet, dass das iPhone während der gesamten Aufnahmezeit (egal ob 3 Sekunden Live Photo oder länger mit einer App) millimetergenau an derselben Position bleibt. Dadurch kann die Software die bewegten Elemente präzise vom statischen Hintergrund trennen und den Langzeitbelichtungseffekt sauber berechnen. Selbst wenn Sie kein Stativ zur Hand haben, versuchen Sie, das iPhone auf einer festen Oberfläche abzulegen oder es an eine Wand oder einen Baum zu lehnen, um die Handbewegungen so weit wie möglich zu minimieren.

Ein weiterer Tipp zur Reduzierung von Verwacklungen, besonders bei der Live Photo-Methode, ist die Verwendung des Selbstauslösers. Stellen Sie den Selbstauslöser in der Kamera-App auf 3 oder 10 Sekunden ein, bevor Sie das Foto aufnehmen. Dadurch haben Sie Zeit, das iPhone auf dem Stativ zu positionieren und Ihre Hand wegzunehmen, bevor die Aufnahme beginnt, was zusätzliche Stabilität gewährleistet.
Alternative: Langzeitbelichtung mit Apps von Drittanbietern
Während die Live Photo-Methode sehr einfach ist, bietet sie nur begrenzte Kontrolle über den Grad des Effekts. Wenn Sie mehr Einfluss auf die Simulation der Langzeitbelichtung nehmen möchten oder ein älteres iPhone-Modell besitzen, das keine Live Photos unterstützt (z. B. iPhone 5s oder älter), sind spezielle Apps eine hervorragende Alternative. Diese Apps simulieren die lange Belichtungszeit, indem sie, ähnlich wie die Live Photo-Funktion, eine schnelle Serie von Einzelbildern aufnehmen und diese dann zu einem einzigen Bild zusammenfügen. Der Vorteil dieser Apps liegt oft in den erweiterten Einstellungsmöglichkeiten.
Beliebte Apps für Langzeitbelichtung auf dem iPhone:
- Slow Shutter Cam: Diese App ist eine der bekanntesten und am besten bewerteten für die Simulation langer Verschlusszeiten auf dem iPhone. Sie bietet verschiedene Aufnahmemodi, darunter einen für Bewegungsunschärfe, einen für Lichtspuren und einen für rauscharme Aufnahmen bei schwachem Licht. Ein großer Vorteil ist die Echtzeit-Vorschau, die es Ihnen ermöglicht, die Einstellungen anzupassen und sofort zu sehen, wie sich dies auf den Effekt auswirkt. Sie können die „Verschlusszeit“ (bzw. die Dauer der Bilderserie) einstellen und die Empfindlichkeit anpassen. Ideal für seidiges Wasser oder Lichtspuren.
- ProCam 7: Diese leistungsstärkere Kamera-App bietet eine breite Palette an manuellen Steuerelementen, ähnlich wie bei einer Spiegelreflexkamera. Neben der Möglichkeit, Langzeitbelichtungen zu simulieren, können Sie Fokus, Weißabgleich, ISO-Wert und andere Parameter manuell einstellen. Die App unterstützt auch die Aufnahme im RAW-Format, was Ihnen mehr Spielraum bei der Nachbearbeitung gibt. ProCam 7 ist eine gute Wahl für ambitionierte Smartphone-Fotografen, die maximale Kontrolle wünschen.
- Camera+: Eine weitere beliebte und benutzerfreundliche Kamera-App, die ebenfalls Funktionen zur Simulation langer Belichtungszeiten bietet. Camera+ zeichnet sich durch eine intuitive Bedienung mit Schiebereglern für Einstellungen wie Verschlusszeit (simuliert), Fokus und Weißabgleich aus. Die App enthält auch eine gute Auswahl an Bearbeitungswerkzeugen direkt in der App.
Bei der Verwendung dieser Apps ist ein Stativ ebenfalls unerlässlich, um scharfe Ergebnisse zu erzielen. Die Apps funktionieren, indem sie über einen bestimmten Zeitraum (den Sie oft einstellen können) Bilder sammeln und diese dann verrechnen, um den Effekt zu erzeugen. Jede Bewegung während dieser Zeit würde das gesamte Bild ruinieren.
Welche Motive eignen sich für Langzeitbelichtung mit dem iPhone?
Die Langzeitbelichtung eröffnet kreative Möglichkeiten für viele Motive. Hier sind einige Ideen, die Sie mit Ihrem iPhone ausprobieren können:
- Fließendes Wasser: Wasserfälle, Flüsse oder Wellen am Meer erhalten eine weiche, seidige oder neblige Textur. Dies ist ein klassisches Motiv für Langzeitbelichtung.
- Bewegte Wolken: An einem windigen Tag können Sie die Bewegung der Wolken über dem Himmel als weiche Schlieren festhalten.
- Lichtspuren: Bei Nacht oder in der Dämmerung können die Lichter von Autos, Zügen oder anderen Fahrzeugen als leuchtende Linien abgebildet werden. Eine Brücke über einer viel befahrenen Straße ist hierfür ein ideales Motiv.
- Menschenmengen: An belebten Orten können Sie die stationäre Architektur scharf festhalten, während sich bewegende Personen zu gespenstischen Schatten oder Unschärfen werden.
- Feuerwerk: Langzeitbelichtung kann die gesamte Flugbahn von Raketen und die Explosionen als leuchtende Spuren festhalten.
- Sternspuren (bedingt): Mit speziellen Apps und einem sehr stabilen Stativ an einem dunklen Ort ist es prinzipiell möglich, die Bewegung der Sterne am Nachthimmel als Spuren festzuhalten. Dies erfordert jedoch oft längere Belichtungszeiten, die die Live Photo-Methode nicht leisten kann, und die Ergebnisse sind in der Regel nicht mit denen einer Kamera mit großem Sensor und lichtstarkem Objektiv vergleichbar.
Vergleich: Live Photo vs. App-Methode
Beide Methoden haben ihre Vor- und Nachteile:
| Merkmal | Live Photo-Effekt | Drittanbieter App |
|---|---|---|
| Einfachheit der Anwendung | Sehr hoch | Mittel (Installation & Einarbeitung) |
| Benötigt Live Photo | Ja (auf neueren iPhones) | Nein |
| Benötigt zusätzliche App | Nein (Standardfunktionen) | Ja (App Store) |
| Kontrolle über den Effekt | Gering (Ein/Aus) | Hoch (Dauer, Modus, Einstellungen) |
| Flexibilität bei Motiven | Gut (für typische Effekte) | Sehr gut (auch für längere/speziellere Effekte) |
| Qualität des Ergebnisses | Gut (für Live Photo-Dauer) | Potenziell höher (abhängig von App & Einstellungen) |
| Kompatibilität | iPhones mit Live Photos (ab iPhone 6s, iOS 11) | Variiert je App (oft breitere Kompatibilität) |
Für die meisten Nutzer, die schnell und einfach den Effekt der Langzeitbelichtung ausprobieren möchten, ist die Live Photo-Methode die ideale Wahl. Sie ist direkt in das System integriert und erfordert keine zusätzlichen Käufe oder Installationen. Wenn Sie jedoch mehr Kontrolle wünschen, spezifische Effekte wie sehr lange Lichtspuren erzielen möchten oder ein älteres Gerät besitzen, sind Apps die bessere Option.
Häufig gestellte Fragen zur iPhone-Langzeitbelichtung
Kann ich die Verschlusszeit auf meinem iPhone manuell einstellen?
In der standardmäßigen Kamera-App des iPhones können Sie die Verschlusszeit nicht direkt in Sekunden oder Bruchteilen davon einstellen, wie es bei einer Spiegelreflex- oder spiegellosen Kamera möglich ist. Das iPhone arbeitet mit automatischen Belichtungseinstellungen. Die Langzeitbelichtungseffekte, die Sie mit Live Photos oder Apps erzielen, sind das Ergebnis von Software-Algorithmen, die mehrere Bilder kombinieren, um den Effekt einer langen Belichtungszeit zu simulieren.

Wie lange ist die Belichtungszeit bei der Live Photo-Langzeitbelichtung?
Die Live Photo-Funktion nimmt eine kurze Videosequenz von etwa 3 Sekunden Länge auf. Der Langzeitbelichtungseffekt wird dann aus diesen 3 Sekunden Bewegungsdaten berechnet. Es handelt sich also nicht um eine tatsächliche Belichtung von 3 Sekunden im traditionellen Sinn, sondern um eine Verrechnung der Bildinformationen über diesen Zeitraum.
Kann ich mit meinem iPhone eine Langzeitbelichtung von 10 oder 30 Sekunden aufnehmen?
Mit der standardmäßigen Live Photo-Methode ist dies nicht möglich, da die Aufnahmedauer auf die ca. 3 Sekunden eines Live Photos begrenzt ist. Bestimmte Drittanbieter-Apps ermöglichen jedoch die Simulation längerer Belichtungszeiten, indem sie über einen längeren Zeitraum (z. B. 10 Sekunden, 30 Sekunden oder sogar länger, je nach App und Einstellungen) Bilder sammeln und verrechnen. Ob eine App tatsächlich 30 Sekunden oder länger effektiv simulieren kann und wie gut das Ergebnis ist, hängt stark von der App, den Lichtverhältnissen und vor allem von der absoluten Stabilität des iPhones (Stativ!) ab.
Ist ein Stativ wirklich notwendig?
Um wirklich gute und scharfe Langzeitbelichtungen zu erzielen, bei denen der Hintergrund scharf bleibt und nur die Bewegung verschwimmt, ist ein Stativ dringend empfohlen. Ohne Stativ führen selbst kleinste Handbewegungen zu Unschärfe im gesamten Bild. Sie können versuchen, das iPhone auf einer festen Oberfläche abzulegen, aber ein Stativ bietet die größte Stabilität und Flexibilität bei der Wahl des Bildausschnitts.
Was ist der Unterschied zwischen der iPhone-Langzeitbelichtung und einer „echten“ Langzeitbelichtung mit einer Kamera?
Bei einer Kamera mit manueller Steuerung wird der Sensor für eine bestimmte Zeit (die Verschlusszeit) dem Licht ausgesetzt. Während dieser Zeit zeichnet der Sensor die gesamte Bewegung auf. Beim iPhone (sowohl Live Photo als auch die meisten Apps) werden stattdessen viele einzelne Bilder in schneller Folge aufgenommen und dann mithilfe von Software zu einem Bild kombiniert, das den Effekt einer langen Belichtungszeit simuliert. Das Ergebnis kann visuell sehr ähnlich sein, aber die technische Umsetzung ist unterschiedlich. Kameras mit größerem Sensor und echtem Langzeit-Modus bieten oft mehr Flexibilität, bessere Bildqualität bei schlechten Lichtverhältnissen und die Möglichkeit für extrem lange Belichtungen (Minuten oder Stunden, z. B. für Astrofotografie).
Fazit
Die Langzeitbelichtung ist eine beeindruckende Technik, die Ihren iPhone-Fotos eine neue Dimension verleihen kann. Dank der integrierten Live Photo-Funktion und leistungsfähiger Drittanbieter-Apps ist sie für iPhone-Nutzer leichter zugänglich als je zuvor. Egal, ob Sie fließendes Wasser in seidige Strukturen verwandeln, die Bewegung von Wolken festhalten oder die Lichter der Stadt in abstrakte Muster verwandeln möchten – mit einem stabilen Untergrund (idealerweise einem Stativ) und der richtigen Methode können Sie beeindruckende Ergebnisse erzielen.
Beginnen Sie am besten mit der einfachen Live Photo-Methode, um ein Gefühl für den Effekt zu bekommen. Wenn Sie mehr Kontrolle wünschen oder spezielle Anforderungen haben, erkunden Sie die Welt der Drittanbieter-Apps. Haben Sie keine Angst zu experimentieren; die Langzeitbelichtung lebt vom Ausprobieren verschiedener Motive, Einstellungen und Lichtverhältnisse. Viel Spaß beim Entdecken dieses kreativen Aspekts der iPhone-Fotografie!
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