Die Frage der Videoüberwachung in Bildungseinrichtungen wie Kindergärten, Kindertagesstätten (KiTas) und Schulen gewinnt zunehmend an Bedeutung. Angesichts des gestiegenen Bewusstseins für Datenschutz, insbesondere seit Inkrafttreten der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO), stellt sich die Frage, unter welchen Bedingungen Kameras im Umfeld von Kindern und Jugendlichen eingesetzt werden dürfen. Klar ist: Videoüberwachung ist ein Eingriff in Grundrechte und die Verarbeitung personenbezogener Daten, was strenge Regeln nach sich zieht.

Die datenschutzrechtliche Relevanz der Videoüberwachung ist unbestritten. Sobald „optisch-elektronische Einrichtungen“ zum Einsatz kommen, werden personenbezogene Daten erhoben. Dies gilt unabhängig davon, ob die Bilder lediglich live beobachtet (Videobeobachtung) oder dauerhaft aufgezeichnet und gespeichert werden. Betroffen sind dabei sämtliche Einrichtungen, sei es in staatlicher, kirchlicher oder privater Trägerschaft. Der rechtliche Rahmen und die konkreten Rechtsgrundlagen können sich je nach Art der Einrichtung geringfügig unterscheiden, doch die Grundprinzipien des Datenschutzes gelten überall dort, wo personenbezogene Daten verarbeitet werden.
Arten der Videoüberwachung und ihre datenschutzrechtliche Bewertung
Aus datenschutzrechtlicher Sicht ist es entscheidend, zwischen verschiedenen Arten der Videoüberwachung zu unterscheiden. Die technische Umsetzung und die Art des Einsatzes haben erhebliche Auswirkungen auf die Bewertung der Zulässigkeit. Nicht jede Form der Überwachung stellt den gleichen Eingriff in die Rechte der Betroffenen dar:
- Videobeobachtung (Monitoring) vs. Videoüberwachung mit Aufnahme: Das reine Beobachten ohne Speicherung ist zwar auch eine Datenverarbeitung, aber weniger invasiv als die dauerhafte Aufzeichnung, die eine spätere Auswertung ermöglicht.
- Speicherdauer der Videoaufzeichnungen: Je länger die Aufnahmen gespeichert werden, desto höher das Risiko und desto strenger die Anforderungen an die Rechtfertigung. Eine Speicherung über das unbedingt notwendige Maß hinaus ist in der Regel unzulässsig.
- Aufnahmequalität und Zoom: Kameras mit hoher Auflösung oder Zoom-Funktion ermöglichen eine leichtere Identifizierung von Personen, was den Eingriff intensiviert.
- Technische Erkennungsmaßnahmen: Der Einsatz von Technologien zur automatischen Personenerkennung (z. B. Gesichtserkennung) stellt einen besonders schwerwiegenden Eingriff dar und ist in diesem Kontext meist unzulässig.
- Örtlicher Aufnahmebereich (Winkel): Wird nur ein kleiner, relevanter Bereich (z. B. ein Eingang) oder ein weitläufiges Areal (z. B. ein gesamter Pausenhof) erfasst?
- Zeitlicher Aufnahmebereich: Wird nur zu bestimmten Zeiten (z. B. nach Schulschluss) oder rund um die Uhr (24/7) überwacht?
- Öffentlich zugängliche oder nicht zugängliche Plätze und Räume: Die Überwachung von öffentlich zugänglichen Bereichen (z. B. Eingangsbereich von außen) ist anders zu bewerten als die Überwachung von Innenräumen wie Fluren, Klassenzimmern oder Spielbereichen.
- Offene und heimliche Videoüberwachung: Verdeckte Überwachung ist im Kontext von Schulen und Kitas grundsätzlich ausgeschlossen, da sie jeglicher Transparenz widerspricht und einen massiven Eingriff darstellt.
Diese Unterscheidungen zeigen, dass nicht jede Kamera gleich zu bewerten ist. Eine Videosprechanlage, die nur bei Betätigung der Klingel aktiv wird, ist datenschutzrechtlich unproblematischer als eine dauerhafte 24/7-Überwachung sämtlicher Bereiche mit unbegrenzter Speicherdauer. Auch die Beobachtung einer Krabbelgruppe durch Eltern mittels Webcam, wie es sie tatsächlich gibt, wirft erhebliche datenschutzrechtliche Bedenken auf.
Das Prinzip: Verbot mit Erlaubnisvorbehalt
Das grundlegende Prinzip im Datenschutz lautet: Die Verarbeitung personenbezogener Daten ist grundsätzlich verboten, es sei denn, sie ist explizit erlaubt. Dies nennt man das Verbot mit Erlaubnisvorbehalt. Für die Videoüberwachung bedeutet dies, dass sie nur zulässig ist, wenn ein entsprechender Erlaubnistatbestand vorliegt. Dieser kann sich entweder aus der freiwilligen und informierten Einwilligung der betroffenen Personen (Eltern für ihre Kinder, Mitarbeiter) oder aus einer gesetzlichen Grundlage ergeben. Dieses Prinzip gilt für Schulen und KiTas gleichermaßen.
Die Einholung von Einwilligungen ist in der Praxis von Bildungseinrichtungen oft schwierig. Bei Kindern ist die Einwilligung der Erziehungsberechtigten erforderlich, was bei einer Vielzahl von Betroffenen komplex wird. Zudem muss die Einwilligung freiwillig sein, was in einem Abhängigkeitsverhältnis (z. B. Schüler zu Schule) problematisch sein kann.
Die zentrale Frage der Verhältnismäßigkeit
Selbst wenn ein potenzieller Erlaubnistatbestand existiert, muss die Videoüberwachung stets verhältnismäßig sein. Das bedeutet, sie muss geeignet, erforderlich und angemessen sein, um den verfolgten Zweck zu erreichen.
Als Schutzziel mag der Schutz der Kinder und Schüler vor Gewalt oder anderen Gefahren auf den ersten Blick überzeugend erscheinen. Auch die Sorge vor schwerwiegenden Ereignissen wie Amokläufen wird oft als Argument angeführt. Doch hier beginnt die Abwägung:
- Geeignetheit: Ist Videoüberwachung tatsächlich geeignet, das verfolgte Ziel zu erreichen? Eine Kamera mag bei der Aufklärung von Vandalismus helfen, aber verhindert sie wirklich einen Amoklauf? Oft sind technische Systeme allein nicht ausreichend.
- Erforderlichkeit: Gibt es keine milderen, weniger einschneidenden Mittel, um das gleiche Ziel zu erreichen? Mehr Personal, bessere Zugangskontrollen, Präventionsprogramme oder bauliche Maßnahmen könnten alternative oder ergänzende Lösungen sein, die weniger stark in die Grundrechte eingreifen.
- Angemessenheit: Steht der Eingriff in die Rechte der Betroffenen (Recht auf informationelle Selbstbestimmung, Recht am eigenen Bild, allgemeines Persönlichkeitsrecht) im richtigen Verhältnis zum verfolgten Zweck? Hierbei muss auch der eigentliche Auftrag der Einrichtung berücksichtigt werden. Schulen und KiTas haben den Auftrag, die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen zu selbstbestimmten und mündigen Persönlichkeiten zu fördern. Eine ständige Überwachung im Klassenzimmer, auf dem Flur oder dem Pausenhof kann diesem Auftrag zuwiderlaufen und ein Klima des Misstrauens schaffen, das die freie Entfaltung behindert.
Diese Abwägung muss sorgfältig und dokumentiert erfolgen. Es genügt nicht, auf ein allgemeines Sicherheitsgefühl zu verweisen. Es müssen konkrete Gefahren benannt werden, für deren Abwehr die Videoüberwachung das geeignete und erforderliche Mittel darstellt, und es muss dargelegt werden, warum mildere Mittel nicht ausreichen.
Besondere Schutzbereiche: Personalräume
Neben den Kindern und Schülern haben auch die Mitarbeiter – Lehrer, Erzieher, Betreuer, Verwaltungspersonal – Grundrechte, insbesondere das Recht auf informationelle Selbstbestimmung und den Schutz ihrer Persönlichkeit. Die Überwachung von Bereichen, die ausschließlich dem Personal zugänglich sind, wie Lehrerzimmer, Pausenräume oder Büros, ist ohne deren explizite, freiwillige und informierte Einwilligung nahezu immer unzulässig.
Hier greifen neben dem Datenschutzrecht oft auch arbeitsrechtliche und betriebsverfassungsrechtliche Vorschriften. Betriebsräte oder Mitarbeitervertretungen (MAV) haben in der Regel ein Mitbestimmungsrecht bei der Einführung und Ausgestaltung von technischen Überwachungseinrichtungen, die dazu bestimmt sind, das Verhalten oder die Leistung der Mitarbeiter zu überwachen. Eine Videoüberwachung, die diesen Zweck verfolgt, ist nur unter sehr engen Voraussetzungen und in Absprache mit der Arbeitnehmervertretung zulässig.
Transparenz ist Pflicht
Ein weiteres zentrales Prinzip des Datenschutzes ist die Transparenz. Die Betroffenen müssen über die Videoüberwachung informiert werden. Dies geschieht in der Regel durch gut sichtbare Hinweisschilder im Bereich der Kameras. Das bloße Anbringen eines Stickers nach einer bestimmten Norm (wie z.B. DIN 33450) mag ein erster Hinweis sein, genügt den heutigen Anforderungen an die Transparenz aber oft nicht mehr.
Die Information muss klar, verständlich und umfassend sein. Sie sollte mindestens folgende Angaben enthalten:
- Die Tatsache der Videoüberwachung
- Wer ist der Verantwortliche (Name und Kontaktdaten der Einrichtung)
- Die Zwecke der Verarbeitung (Warum wird überwacht?)
- Die Rechtsgrundlage für die Überwachung
- Informationen über die Speicherdauer der Aufnahmen
- Hinweis auf die Betroffenenrechte (Auskunft, Löschung, Widerspruch etc.)
- Kontaktdaten des Datenschutzbeauftragten (falls vorhanden)
- Hinweis auf das Beschwerderecht bei der zuständigen Aufsichtsbehörde
Diese Informationen können entweder direkt auf dem Schild oder durch einen Verweis (z. B. QR-Code, Link zu einer Webseite, Aushang an zentraler Stelle) bereitgestellt werden. Wichtig ist, dass die Information für Kinder und Erwachsene gleichermaßen verständlich ist, soweit dies möglich ist.
Hohe Kosten bei Verstößen
Verstöße gegen die Datenschutzvorschriften bei der Videoüberwachung können erhebliche Konsequenzen haben und teuer werden. Die DSGVO sieht „abschreckende“ Sanktionen in Form von Bußgeldern vor (Art. 84 Abs. 2 DSGVO). Die Höhe der Bußgelder kann je nach Schwere des Verstoßes und Art der Einrichtung (öffentlich vs. nicht-öffentlich) variieren, aber sie können empfindlich sein und in die Tausende oder gar Millionen Euro gehen.
Neben datenschutzrechtlichen Bußgeldern können auch andere rechtliche Probleme entstehen. Wenn beispielsweise zweckgebundene Spenden oder Fördergelder für die Installation von Kameras verwendet werden, die datenschutzrechtlich unzulässig sind, kann dies zur Rückforderung der Gelder führen. Im schlimmsten Fall droht Geschäftsführern oder Verantwortlichen sogar eine strafrechtliche Verfolgung wegen Untreue oder anderer Delikte. Die persönliche Haftung im Rahmen der Geschäftsführerhaftung ist ebenfalls ein zu berücksichtigendes Risiko.

Darüber hinaus können Betroffene (Eltern, Mitarbeiter) zivilrechtliche Ansprüche auf Unterlassung oder Schadensersatz geltend machen, wenn ihre Rechte durch eine unzulässige Videoüberwachung verletzt wurden.
Vergleich: Unterschiedliche Bereiche in der Einrichtung
Die datenschutzrechtliche Bewertung hängt stark vom konkreten Bereich ab, der überwacht werden soll. Hier eine vereinfachte Gegenüberstellung:
Bereich | Typische Begründung für Überwachung | Datenschutzrechtliche Bewertung | Herausforderungen / Einschränkungen |
---|---|---|---|
Außenbereich/Eingang | Schutz vor Vandalismus, unbefugtem Zutritt, Sicherheit auf dem Schulweg | Eher zulässig als Innenbereiche, da öffentlicher oder halböffentlicher Raum. | Muss auf das Notwendigste beschränkt sein, darf keine Nachbargrundstücke oder öffentlichen Gehwege erfassen. Informationspflicht! |
Flure/Treppenhäuser | Schutz vor Vandalismus, Gewalt, Aufklärung von Vorfällen | Problematischer als Außenbereiche, da überwiegend von Betroffenen (Schülern, Personal) frequentiert. | Hohe Anforderungen an Verhältnismäßigkeit. Ständiges Überwachen des Aufenthaltsortes von Schülern/Personal meist unzulässig. |
Klassenzimmer/Gruppenräume | Schutz der Kinder, Dokumentation des Unterrichts (letzteres sehr selten) | In der Regel unzulässig! Massiver Eingriff in die Persönlichkeitsrechte der Kinder/Schüler und Lehrkräfte. Beeinträchtigung des Lernklimas. | Nur in extremen Ausnahmefällen und unter strengsten Voraussetzungen denkbar (z.B. bei konkreter Bedrohung, aber auch dann fraglich). |
Pausenhof/Außengelände | Schutz vor Gewalt, Vandalismus, Aufklärung von Unfällen | Ähnlich wie Flure/Treppenhäuser, aber im Freien. | Muss auf das Notwendigste beschränkt sein. Darf nicht das Spielverhalten der Kinder oder die Pausen der Lehrer umfassend überwachen. |
Personalräume (Lehrerzimmer etc.) | (Keine zulässige Standardbegründung) | Nahezu immer unzulässig ohne ausdrückliche, freiwillige Einwilligung aller Betroffenen. | Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats/MAV. |
Parkplätze | Schutz vor Diebstahl, Vandalismus | Eher zulässig, wenn der Parkplatz zur Einrichtung gehört. | Muss auf den Parkplatz beschränkt sein. Informationspflicht! |
Häufige Fragen zur Videoüberwachung in Kitas und Schulen
Die Unsicherheit bezüglich der Videoüberwachung in Bildungseinrichtungen ist groß. Hier einige Antworten auf häufig gestellte Fragen:
Ist Videoüberwachung in Kitas generell verboten?
Nein, sie ist nicht generell verboten, aber sie unterliegt einem strikten Verbot mit Erlaubnisvorbehalt. Das bedeutet, sie ist nur zulässig, wenn eine klare Rechtsgrundlage oder die wirksame Einwilligung aller Betroffenen vorliegt und sie verhältnismäßig ist.
Dürfen Kameras im Klassenzimmer oder Gruppenraum sein?
Die Überwachung von Unterrichts- oder Gruppenräumen ist in der Regel unzulässig. Der Eingriff in die Persönlichkeitsrechte der Kinder/Schüler und der Lehrkräfte ist hier besonders schwerwiegend und steht im Konflikt mit dem Bildungs- und Erziehungsauftrag.
Was ist mit Kameras im Außenbereich oder an Eingängen?
Eine Überwachung von Außenbereichen oder Eingängen ist eher denkbar, z. B. zum Schutz vor unbefugtem Zutritt oder Vandalismus. Aber auch hier müssen die Prinzipien der Verhältnismäßigkeit und Datensparsamkeit beachtet werden. Es darf nur der notwendige Bereich erfasst werden, und die Information der Betroffenen ist unerlässlich.
Müssen Eltern oder Mitarbeiter zustimmen?
Einwilligung kann eine Rechtsgrundlage sein, ist aber in diesem Kontext oft schwierig (Freiwilligkeit, Umgang mit Minderjährigen). Bei Mitarbeitern in nicht öffentlich zugänglichen Räumen ist eine Überwachung ohne deren explizite Einwilligung nahezu immer unzulässig.
Wie lange dürfen Aufnahmen gespeichert werden?
Aufnahmen dürfen nur so lange gespeichert werden, wie es für den konkreten Zweck unbedingt erforderlich ist. Bei Sicherheitsüberwachung liegt dieser Zeitraum oft nur zwischen 24 und 72 Stunden, es sei denn, es gibt einen konkreten Vorfall, der eine längere Speicherung zu Beweiszwecken rechtfertigt.
Fazit und Ausblick
Videoüberwachung in Kindergärten und Schulen ist unter datenschutzrechtlichen Gesichtspunkten ein komplexes Thema. Sie ist nicht pauschal verboten, aber nur unter sehr strengen Voraussetzungen zulässig. Der Einsatz muss auf ein gesundes Maß beschränkt bleiben und bedarf einer sorgfältigen Planung und Abwägung.
Entscheidend sind dabei die klare Bestimmung der konkreten Zwecke, die Durchführung einer umfassenden Verhältnismäßigkeitsprüfung (Geeignetheit, Erforderlichkeit, Angemessenheit), die Berücksichtigung der Rechte von Kindern/Schülern und Mitarbeitern sowie die volle Transparenz gegenüber allen Betroffenen.
Angesichts der rechtlichen Komplexität und der möglichen gravierenden Folgen bei Verstößen empfiehlt es sich dringend, die Einführung von Videoüberwachung in Bildungseinrichtungen rechtlich prüfen zu lassen. Ein im Datenschutzrecht versierter Jurist kann wertvolle Unterstützung bei der Bewertung, Gestaltung und Implementierung einer datenschutzkonformen Lösung bieten.
Neben dem Datenschutz im engeren Sinne darf auch der Aspekt der Datensicherheit nicht vernachlässigt werden. Die erhobenen Videodaten müssen vor unbefugtem Zugriff, Verlust oder Manipulation geschützt werden. Dies erfordert entsprechende technische und organisatorische Maßnahmen.
Die Herausarbeitung der genauen Ziele und Anforderungen an die Videoüberwachung hat übrigens auch einen praktischen Vorteil bei der Beschaffung der Technik. Nur wer weiß, was er genau überwachen möchte und darf, kann die passende Kamera auswählen, die sowohl für den zulässigen Zweck geeignet als auch technisch sicher ist.
Hat dich der Artikel Videoüberwachung in Kita & Schule: Erlaubt? interessiert? Schau auch in die Kategorie Ogólny rein – dort findest du mehr ähnliche Inhalte!