Ein Messsystem ist mehr als nur ein Gerät. Es ist die komplexe Interaktion zwischen dem Messgerät, dem Menschen, der es bedient, und der Umgebung, in der die Messung stattfindet. Jede dieser Komponenten kann die Messqualität beeinflussen. Die Wahl des passenden Messsystems ist entscheidend für zuverlässige Ergebnisse in der Fertigung, Qualitätssicherung und Forschung. Doch bei der Vielfalt an verfügbaren Technologien stellt sich oft die Frage: Welches System ist das richtige für meine spezifische Anwendung? Dieser Artikel beleuchtet die Eigenschaften verschiedener Messsysteme, mit einem besonderen Fokus auf den Vergleich zwischen taktiler und optischer Messtechnik, um Ihnen die Entscheidung zu erleichtern.

Was genau ist ein Messsystem?
Wie eingangs erwähnt, ist ein Messsystem die Gesamtheit aus Messgerät oder Messmittel, dem bedienenden Menschen und der umgebenden Umwelt. Dieses Zusammenspiel ist entscheidend, da viele Faktoren das Messergebnis beeinflussen können.
Grundsätzlich ist es nicht möglich, völlig fehlerfrei zu messen. Das Messsystem kann die tatsächliche Größe eines Merkmals nicht ohne eine gewisse Abweichung erfassen. Früher sprach man hierbei vom Messfehler, doch die moderne Messtechnik verwendet den präziseren Begriff der Messabweichung. Dies ist die Differenz zwischen dem gemessenen Wert und dem wahren Wert der Messgröße.
Neben der Messabweichung ist die Messunsicherheit ein zentraler Begriff. Sie ist ein Schätzwert, der angibt, in welchem Bereich der wahre Wert der Messgröße liegt, basierend auf dem gemessenen Wert und den bekannten Einflüssen auf das Messsystem. Eine geringe Messunsicherheit deutet auf ein präziseres Messergebnis hin.
Die Qualität und das Ergebnis einer Messung werden von einer Vielzahl von Faktoren beeinflusst. Dazu gehören:
- Art, Alter und Nutzungsintensität des Messmittels oder Messgerätes. Ein gut gewartetes und kalibriertes Gerät liefert in der Regel zuverlässigere Ergebnisse.
- Umgebungsbedingungen wie Temperatur, Luftfeuchtigkeit, Luftströmungen oder Vibrationen. Schwankungen können sich direkt auf das Messergebnis auswirken.
- Die Art der Interaktion zwischen Mensch und Messmittel. Bedienfehler, unterschiedliche Anpresskräfte bei taktilen Systemen oder Parallaxenfehler können zu Abweichungen führen.
- Die Beschaffenheit des zu messenden Objekts selbst, z. B. dessen Oberfläche oder Material.
Diese potenziellen Einflussfaktoren machen die Überwachung von Messsystemen unerlässlich. In der Metrologie, im Qualitätsmanagement und insbesondere in Methoden wie Six Sigma wurden Verfahren zur Kontrolle und Sicherung der Messqualität etabliert. Dazu zählen regelmäßige Eichungen, Kalibrierungen und Justierungen von Messgeräten innerhalb definierter Toleranzen. Ein weiteres wichtiges Werkzeug ist die Messsystemanalyse (MSA), die die Prozessfähigkeit des gesamten Messprozesses, inklusive des Messsystems, untersucht.
Messabweichungen können unterschiedliche Ursachen haben und werden oft in zwei Hauptkategorien eingeteilt:
- Systematische Fehler: Diese sind meist beeinflussbar und reproduzierbar. Beispiele sind ein konstanter Offset (eine Verschiebung aller Messwerte um einen festen Betrag) oder ein Trend bzw. Drift (eine ansteigende oder abfallende Abweichung über die Zeit, z. B. durch Erwärmung des Geräts). Systematische Fehler können oft durch Kalibrierung oder Justierung korrigiert werden.
- Zufällige Fehler: Diese sind oft nicht beeinflussbar und nicht reproduzierbar. Sie entstehen durch unvorhersehbare Schwankungen in der Umgebung oder im System selbst, wie z. B. thermisches Rauschen, geringe Luftunruhe oder minimale Vibrationen. Zufällige Fehler führen zu einer Streuung der Messwerte um den tatsächlichen Wert und bestimmen maßgeblich die Messunsicherheit.
Das Verständnis dieser Konzepte ist grundlegend, um die Leistungsfähigkeit und Grenzen eines Messsystems beurteilen zu können.
Taktile Messsysteme: Präzision durch Berührung
Taktile Messsysteme, oft repräsentiert durch Koordinatenmessgeräte (KMG), arbeiten durch physischen Kontakt mit der Oberfläche des zu messenden Objekts. Ein Taster, meist mit einer Kugelspitze ausgestattet, fährt die Kontur oder bestimmte Punkte des Bauteils ab. Die Position des Tasters im Raum wird dabei hochpräzise erfasst.
Die herausragende Stärke der taktilen Messtechnik liegt in ihrer extrem hohen Absolutgenauigkeit. Stationäre KMGs können Messpunkte mit einer Genauigkeit im Bereich von einem Tausendstel Millimeter (einem Mikrometer, 1 µm) oder sogar besser erfassen. Diese Fähigkeit macht sie zur ersten Wahl für die Vermessung von Hochpräzisionsbauteilen, bei denen engste Toleranzen eingehalten werden müssen.
Klassische Anwendungsbereiche für taktile Messungen finden sich beispielsweise in der Automobilindustrie. Bauteile wie Zahnräder, Kurbelwellen oder Motorblöcke erfordern extrem hohe Präzision. Für ein Getriebezahnrad im Automobilbau wird typischerweise eine Genauigkeit von 1 µm oder besser gefordert. Solche Genauigkeitsanforderungen sind mit aktuellen taktilen Systemen realisierbar.

Obwohl taktile Systeme unübertroffen in der Absolutgenauigkeit sind, können sie auch Einschränkungen haben. Die Messung erfolgt punktuell oder linienförmig, was bei komplexen Freiformflächen zeitaufwendig sein kann. Zudem erfordert der physische Kontakt, dass das Material des Bauteils robust genug ist, um nicht verformt oder beschädigt zu werden. Die Zugänglichkeit von Merkmalen kann durch die Größe des Tasters und die Mechanik des Messgeräts eingeschränkt sein.
Optische Messsysteme: Schnelligkeit ohne Kontakt
Optische Messsysteme erfassen die Geometrie eines Objekts berührungslos, meist durch den Einsatz von Licht. Es gibt verschiedene Prinzipien, wie z. B. Streifenprojektion, Laserscanning oder Photogrammetrie. Dabei wird Licht auf die Oberfläche des Bauteils projiziert, und eine Kamera nimmt das reflektierte oder veränderte Licht auf. Aus den Mustern oder Verzerrungen des Lichts wird dann die 3D-Form berechnet.
Der Hauptvorteil der optischen Messtechnik liegt in ihrer Geschwindigkeit und der berührungslosen Erfassung. Ganze Flächen oder Volumina können schnell digitalisiert werden. Dies ist besonders vorteilhaft für die Messung empfindlicher oder flexibler Bauteile, die durch taktilen Kontakt beschädigt werden könnten, oder für die schnelle Erfassung komplexer Formen.
Allerdings erreichen optische 3D-Messsysteme derzeit nicht die absolute Präzision von taktilen Systemen. Während taktile Systeme im Mikrometerbereich messen, liegt die typische Genauigkeit von optischen Systemen eher im Bereich von einigen Hundertstel Millimetern. Für Anwendungen, bei denen die Genauigkeitsanforderung im hundertstel Millimeterbereich liegt, sind optische Systeme jedoch sehr gut geeignet und bieten oft Vorteile in Bezug auf Geschwindigkeit und Flexibilität.
Die Leistung optischer Systeme kann auch von den Oberflächeneigenschaften des Bauteils abhängen. Glänzende, transparente oder sehr dunkle Oberflächen können die Lichtreflexion beeinträchtigen und die Messung erschweren oder spezielle Vorbehandlungen erfordern.
Taktil vs. Optisch: Die richtige Wahl treffen
Die Entscheidung zwischen einem taktilen und einem optischen Messsystem hängt maßgeblich von den Anforderungen der spezifischen Messaufgabe ab. Der wichtigste Faktor ist dabei die benötigte Genauigkeit.
Eine bewährte Faustregel in der Messtechnik besagt, dass die Systemgenauigkeit des Messmittels immer um den Faktor fünf bis zehn besser sein sollte als die engste geforderte Toleranz des zu messenden Merkmals. Beträgt die Toleranz eines Merkmals beispielsweise 0,1 mm (100 µm), sollte das Messgerät eine Genauigkeit von mindestens 0,02 mm (20 µm) haben. Wenn die Toleranz nur 0,01 mm (10 µm) beträgt, wird bereits ein System mit einer Genauigkeit von 0,001 mm (1 µm) benötigt.
Hier zeigt sich der entscheidende Unterschied: Für Toleranzen im Mikrometerbereich, wie sie oft bei kritischen Bauteilen im Maschinenbau oder der Automobilindustrie (z. B. Getrieberäder mit Toleranzen von 1 µm oder besser) gefordert sind, ist die taktile Messtechnik aufgrund ihrer überlegenen Absolutgenauigkeit nahezu alternativlos.
Liegen die Genauigkeitsanforderungen jedoch im Bereich von Hundertstel Millimetern oder mehr, bieten optische Messsysteme oft signifikante Vorteile. Ihre Geschwindigkeit bei der Erfassung von Geometrien, die Möglichkeit der berührungslosen Messung empfindlicher Teile und die schnelle Digitalisierung komplexer Formen können den Messprozess erheblich beschleunigen und vereinfachen.

Weitere Kriterien für die Wahl sind:
- Komplexität des Bauteils: Freiformflächen lassen sich oft schneller optisch erfassen. Merkmale in schwer zugänglichen Bereichen sind manchmal besser taktil messbar, wenn ein geeigneter Taster verwendet werden kann.
- Material und Oberfläche: Empfindliche Materialien oder spezielle Oberflächen (glänzend, transparent) können die Wahl beeinflussen.
- Messvolumen und Flexibilität: Manche optischen Systeme sind portabler und flexibler als große, stationäre KMGs.
- Kosten: Anschaffungs- und Betriebskosten können je nach System stark variieren.
Vergleich: Taktile vs. Optische Messtechnik
Um die Unterschiede zu verdeutlichen, hier eine vergleichende Übersicht:
Merkmal | Taktile Messtechnik | Optische Messtechnik |
---|---|---|
Messprinzip | Physischer Kontakt (Taster) | Berührungslos (Licht, Kamera) |
Absolutgenauigkeit | Sehr hoch (Mikrometer und besser) | Typischerweise geringer (Hundertstel Millimeter) |
Geschwindigkeit | Oft langsamer (punktuell/linienförmig) | Oft schneller (Flächen, Volumina) |
Geeignet für | Hochpräzisionsbauteile, enge Toleranzen (z. B. Automotive-Antriebsteile) | Bauteile mit Toleranzen im 1/100 mm Bereich, empfindliche Teile, komplexe Formen |
Oberflächeneinfluss | Gering | Kann beeinflusst werden (Glanz, Transparenz, Farbe) |
Kontakt erforderlich | Ja | Nein |
Anwendungsbeispiele | Zahnräder, Kurbelwellen, Motorblöcke | Blechteile, Kunststoffe, Gussstücke, Gehäuse |
Faktoren, die die Messgenauigkeit beeinflussen
Unabhängig vom Messprinzip (taktil oder optisch) gibt es universelle Faktoren, die die Genauigkeit eines Messsystems beeinflussen und bei der Planung und Durchführung von Messungen berücksichtigt werden müssen:
- Kalibrierung und Wartung: Regelmäßige Kalibrierung stellt sicher, dass das Gerät innerhalb seiner Spezifikationen misst. Abnutzung oder Verschmutzung können die Genauigkeit beeinträchtigen.
- Umgebungsbedingungen: Temperaturschwankungen können zur thermischen Ausdehnung von Bauteil und Messgerät führen. Vibrationen können die Messung stören, besonders bei hochpräzisen Systemen.
- Spannung und Fixierung des Bauteils: Das Bauteil muss stabil und korrekt positioniert sein, um Verformungen oder Verrutschen während der Messung zu vermeiden.
- Bedienereinfluss: Die Erfahrung und Sorgfalt des Bedieners sind entscheidend. Eine korrekte Handhabung, das Einhalten von Messstrategien und die Vermeidung von Parallaxenfehlern (beim Ablesen von Skalen) minimieren menschliche Fehler.
- Messstrategie: Die Wahl der Messpunkte, die Reihenfolge der Messung und die Auswertemethoden können das Ergebnis beeinflussen.
Diese Faktoren unterstreichen, dass ein Messsystem als Ganzes betrachtet werden muss – die Kombination aus Technologie, Prozess und Mensch.
Überwachung und Sicherung der Messqualität
Um die Zuverlässigkeit von Messergebnissen langfristig zu gewährleisten, sind systematische Methoden zur Überwachung und Sicherung der Messqualität unerlässlich. Dazu gehören:
- Eichung: Eine gesetzlich vorgeschriebene Prüfung von Messgeräten, die im geschäftlichen oder amtlichen Verkehr verwendet werden, um die Einhaltung von Genauigkeitsanforderungen zu bestätigen.
- Kalibrierung: Die Feststellung der Abweichung eines Messgeräts von einem Normal (Referenzwert). Sie dokumentiert die Genauigkeit zu einem bestimmten Zeitpunkt, nimmt aber keine Veränderung am Gerät vor.
- Justierung: Das Einstellen oder Abgleichen eines Messgeräts, sodass die Abweichung so klein wie möglich wird. Dies erfolgt oft nach einer Kalibrierung, wenn die Abweichung außerhalb der zulässigen Grenzen liegt.
- Messsystemanalyse (MSA): Ein statistisches Verfahren zur Bewertung der Eignung eines Messsystems für eine bestimmte Messaufgabe. Dabei werden verschiedene Aspekte untersucht, wie z. B. die Wiederholbarkeit (Streuung bei wiederholter Messung desselben Merkmals durch denselben Bediener mit demselben Gerät), die Reproduzierbarkeit (Streuung bei Messung desselben Merkmals durch verschiedene Bediener oder unter verschiedenen Bedingungen), die Linearität (Genauigkeit über den gesamten Messbereich) und die Stabilität (Veränderung der Genauigkeit über die Zeit).
Durch die konsequente Anwendung dieser Methoden kann sichergestellt werden, dass die Messergebnisse verlässlich sind und die Grundlage für qualitätsrelevante Entscheidungen bilden können.
Häufig gestellte Fragen (FAQs)
Was ist der Unterschied zwischen Messabweichung und Messunsicherheit?
Die Messabweichung ist die konkrete Differenz zwischen einem gemessenen Wert und dem wahren Wert. Die Messunsicherheit ist ein geschätzter Bereich, der angibt, wie weit der wahre Wert vom gemessenen Wert wahrscheinlich entfernt ist, basierend auf allen bekannten Einflussfaktoren.
Wann sollte ich ein taktiles Messsystem wählen?
Sie sollten ein taktiles System wählen, wenn Ihre Anwendung eine sehr hohe Absolutgenauigkeit im Mikrometerbereich oder besser erfordert und wenn das Bauteil robust genug für den physischen Kontakt ist. Dies ist typisch für Hochpräzisionsbauteile wie Zahnräder in der Automobilindustrie.
Wann ist ein optisches Messsystem besser geeignet?
Ein optisches System ist oft besser geeignet, wenn die erforderliche Genauigkeit im Bereich von Hundertstel Millimetern liegt, wenn Sie empfindliche oder flexible Teile messen müssen, große Flächen schnell erfassen möchten oder wenn die berührungslose Messung Vorteile bietet.
Wie genau muss mein Messsystem sein?
Als Faustregel sollte die Systemgenauigkeit Ihres Messmittels fünf- bis zehnmal besser sein als die engste Toleranz des Merkmals, das Sie messen möchten.
Welche Faktoren beeinflussen die Messgenauigkeit neben dem Gerät selbst?
Neben dem Gerät beeinflussen auch die Umgebungstemperatur, Luftströmungen, Vibrationen, die Art der Bedienung durch den Menschen (z. B. Parallaxe) und die Beschaffenheit des zu messenden Objekts die Genauigkeit.
Fazit
Die Wahl des richtigen Messsystems ist eine kritische Entscheidung, die direkten Einfluss auf die Qualität und Effizienz von Prozessen hat. Während taktile Systeme unübertroffene Präzision für die anspruchsvollsten Messaufgaben bieten, glänzen optische Systeme durch Geschwindigkeit und Flexibilität bei etwas geringeren Genauigkeitsanforderungen. Es gibt kein universell „bestes“ System; die optimale Wahl hängt stets von den spezifischen Anforderungen der Anwendung, der benötigten Genauigkeit, den Eigenschaften des Messobjekts und den Umgebungsbedingungen ab. Ein tiefes Verständnis der verschiedenen Technologien und der Faktoren, die die Messqualität beeinflussen, sowie die Implementierung robuster Überwachungsprozesse wie Kalibrierung und MSA sind unerlässlich, um zuverlässige und nachvollziehbare Messergebnisse zu erzielen.
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