Seit den Anfängen der Fotografie hat das Medium eine besondere Faszination ausgeübt. Es schien, als könne die Kamera nicht nur das Sichtbare festhalten, sondern auch einen Zugang zum Unsichtbaren eröffnen. Diese Vorstellung, dass die Fotografie eine Art „wahre Retina des Gelehrten“ oder ein „vorrangiges Hilfsmittel des menschlichen Auges“ sei, führte zu zahlreichen Experimenten, um Phänomene jenseits des alltäglich Wahrnehmbaren abzubilden. Aus dieser Zeit stammen Versuche, „Lichtschwingungen der Seele“ oder „vitale Kraft“ zu visualisieren, wie etwa bei Hippolyte Baraduc, oder die neuartige Betrachtung des Turiner Grabtuchs durch das Negativ seiner Fotografie. Auch Behauptungen, Emotionen oder Zustände bei Tieren und sogar unbelebten Objekten fotografisch festhalten zu können, zeugen von der damaligen Suche nach dem „Unsichtbaren“. In diesem Kontext entstand auch die Kirlianfotografie, eine Technik, die durch die Erzeugung elektrischer Entladungen beeindruckende, auraähnliche Bilder hervorbringt.

Die Kirlianfotografie ist eine spezifische Methode innerhalb dieses breiteren Feldes der Versuche, Übersinnliches oder Paranormales fotografisch zu dokumentieren. Während frühere Ansätze oft auf weniger definierte oder gar nicht dokumentierte Verfahren setzten, basiert die Kirlianfotografie auf einem klaren physikalischen Prinzip: der Erzeugung von Korona- oder Glimmentladungen mittels Hochspannung. Diese Technik wurde 1937 von Semjon Kirlian entdeckt und später zusammen mit seiner Frau Valentina weiterentwickelt.
Was ist Kirlianfotografie und wie funktioniert sie?
Im Kern der Kirlianfotografie steht die Nutzung von Hochspannung, um sichtbare elektrische Entladungen um Objekte herum zu erzeugen. Wenn ein Objekt, sei es ein Metallstück oder ein lebender Organismus, auf eine leitfähige Platte gelegt und Hochspannung angelegt wird, kommt es zu einer Ionisierung des umgebenden Gases (meist Luft). Dies führt zu einer sogenannten Koronaentladung oder Glimmentladung. Diese Entladungen sind nicht nur elektrisch, sondern auch optisch sichtbar – sie erscheinen als schillernde, oft farbige Lichthöfe oder strahlenförmige Muster um das Objekt herum.
Die optischen Erscheinungen, die im Kirlianfoto festgehalten werden, sind im Grunde selbstleuchtende Entladungskanäle, die durch die Gasentladung hervorgerufen werden. Es handelt sich um ein physikalisches Phänomen, das technisch auch in anderen Bereichen genutzt wird, beispielsweise in Glimmlampen oder den bekannten Spielzeugen namens Plasmalampe. Die Intensität, Farbe und Form dieser Entladungen hängen von verschiedenen Faktoren ab, darunter die angelegte Spannung, die Frequenz des elektrischen Feldes, die Eigenschaften der Oberfläche des Objekts (wie Leitfähigkeit, Feuchtigkeit, Druck) und die Zusammensetzung des umgebenden Gases.
Technische Aspekte und Sicherheit
Die Technik erfordert eine spezielle Ausrüstung, die in der Lage ist, Hochspannung zu erzeugen und sicher zu applizieren. Obwohl hohe Spannungen verwendet werden, ist die Stromstärke bei der Kirlianfotografie meist gering. Dies macht die Methode für die meisten Menschen relativ ungefährlich. Es gibt jedoch Ausnahmen und Vorsichtsmaßnahmen sind geboten. Personen mit Herzschrittmachern oder bestimmten Herzschwächen sollten den Kontakt mit solchen Feldern meiden. Darüber hinaus kann die Ionisierung der Luft durch hohe Spannungen (insbesondere ab etwa 5 kV) zur Bildung schädlicher Gase wie Stickstoffdioxid oder Ozon führen. Dies ist ein bekanntes Phänomen, das beispielsweise auch bei älteren Fotokopierern auftreten konnte.
Das Ergebnis der Kirlianfotografie ist ein Bild, das die Muster dieser elektrischen Entladungen zeigt. Diese Muster werden oft als „Aura“ des Objekts interpretiert, insbesondere wenn es sich um lebende Organismen handelt. Die faszinierende Optik der Kirlianbilder hat maßgeblich zu ihrer Bekanntheit beigetragen.
Interpretationen: Esoterik trifft Wissenschaft
Die auraähnlichen Abbildungen, die durch die Kirlianfotografie entstehen, haben insbesondere in der Esoterik große Beachtung gefunden. Hier werden sie oft mit Konzepten wie dem Energiekörper, der Aura oder dem Bioplasma in Verbindung gebracht, wie sie beispielsweise in der Theosophie oder Anthroposophie beschrieben werden. Einige esoterische Praktiker haben versucht, die Kirlianfotografie zur Abbildung der Meridiane des Körpers oder zur Diagnose des menschlichen Gesundheitszustandes zu nutzen. Die Idee ist, dass Veränderungen in der „Aura“ auf körperliche oder energetische Zustände hinweisen könnten.
Allerdings ist die Anwendung der Kirlianfotografie zur medizinischen Diagnostik wissenschaftlich mehrfach widerlegt worden. Die medizinische Gemeinschaft erkennt die Kirlianbilder nicht als zuverlässiges Diagnosewerkzeug an. Die Muster auf den Kirlianfotos werden aus wissenschaftlicher Sicht in erster Linie durch die bereits erwähnten physikalischen Faktoren erklärt, die die elektrische Entladung beeinflussen.
Die Diskrepanz zwischen der esoterischen Interpretation und der wissenschaftlichen Erklärung ist ein zentraler Punkt in der Diskussion um die Kirlianfotografie. Während die Bilder zweifellos existieren und beeindruckend aussehen, liegt die Kontroverse in ihrer Bedeutung und Interpretation.
Wissenschaftliche Untersuchungen der Kirlianfotografie
Um die Effekte der Kirlianfotografie wissenschaftlich zu untersuchen, wurden verschiedene Studien durchgeführt. Eine bemerkenswerte Untersuchung fand von 1989 bis 1990 an der TU Berlin statt. Ziel war es, die Faktoren zu identifizieren, welche die entstehenden Koronabilder beeinflussen.
Die Ergebnisse dieser Studie zeigten deutlich, dass die Muster der Koronaentladungen durch eine Vielzahl physischer und physiologischer Faktoren verändert werden konnten. Beispielsweise ließen sich Änderungen der Coronabilder durch Manipulation der Hautfeuchtigkeit der Testpersonen, durch das Waschen der Haut mit verschiedenen Reinigungsmitteln, durch Stresssituationen, Nikotineinfluss sowie – mit Einschränkung – durch Konzentrations- und Meditationsübungen erzeugen. Dies deutet darauf hin, dass die beobachteten Variationen in den Kirlianbildern von lebenden Organismen stark von externen und internen Zuständen abhängen, die die Oberflächeneigenschaften und die Leitfähigkeit der Haut beeinflussen.
Die Studie an der TU Berlin lieferte auch wichtige Erkenntnisse zu spezifischen, oft zitierten Phänomenen der Kirlianfotografie. Insbesondere der sogenannte „Phantomblatteffekt“ konnte in dieser Untersuchung nicht reproduziert werden. Der Phantomblatteffekt beschreibt die Behauptung, dass bei einem teilweise abgetrennten Pflanzenblatt auf dem Kirlianfoto angeblich die „Aura“ des fehlenden Teils sichtbar sei. Die Berliner Forscher konnten dieses Phänomen nicht beobachten. Interessanterweise stellten sie fest, dass sogar bei einem Gummibärchen, einem eindeutig unbelebten Objekt, eine Korona abgebildet wurde. Dies unterstreicht die physikalische Natur der Kirlianentladung, die nicht auf Lebenskraft oder ähnliche esoterische Konzepte beschränkt ist, sondern auf den elektrischen Eigenschaften und der Umgebung des Objekts beruht.
Warum sehen Kirlianbilder so aus, wie sie aussehen?
Die visuellen Muster in Kirlianbildern sind das Ergebnis der Pfade, die die elektrische Entladung durch das Gas nimmt. Diese Pfade werden von der Form des Objekts, seiner Oberfläche, seiner Leitfähigkeit und dem umgebenden Gas beeinflusst. Feuchtigkeit auf der Oberfläche eines Objekts (wie Haut) erhöht beispielsweise die Leitfähigkeit und kann die Form und Intensität der Entladung stark beeinflussen. Druck, der auf das Objekt ausgeübt wird, kann ebenfalls die Kontaktfläche und somit die Entladung verändern. Selbst die Zusammensetzung der Luft, einschließlich der Anwesenheit von Wasserdampf oder anderen Gasen, spielt eine Rolle.
Die farbigen Effekte, die oft in Kirlianfotos zu sehen sind, entstehen durch die Ionisierung verschiedener Gase in der Luft. Jedes Gas emittiert Licht bei bestimmten Wellenlängen, wenn es ionisiert wird. Die genaue Farbe und Intensität der Entladung hängt also von der Zusammensetzung der Luft und der Energie der Elektronen ab.
Häufig gestellte Fragen zur Kirlianfotografie
Angesichts der ungewöhnlichen und oft mystisch anmutenden Bilder der Kirlianfotografie tauchen naturgemäß viele Fragen auf:
Ist das Kirlianbild eine echte Aura?
Aus wissenschaftlicher Sicht ist das Kirlianbild eine Darstellung einer elektrischen Korona- oder Glimmentladung. Es ist ein reales physikalisches Phänomen. Ob dies der esoterisch verstandenen „Aura“ oder dem „Energiekörper“ entspricht, ist eine Frage des Glaubens und nicht wissenschaftlich belegt. Die wissenschaftlichen Untersuchungen zeigen, dass die Bilder stark von bekannten physikalischen und physiologischen Faktoren beeinflusst werden, nicht von einer hypothetischen Lebensenergie im esoterischen Sinne.
Kann Kirlianfotografie Krankheiten diagnostizieren?
Basierend auf der wissenschaftlichen Forschung, einschließlich der Studienergebnisse, die zeigen, wie leicht die Bilder durch äußere Faktoren manipuliert werden können, und der expliziten medizinischen Widerlegung, kann die Kirlianfotografie nicht als zuverlässiges Werkzeug zur Diagnose von Krankheiten betrachtet werden.
Ist Kirlianfotografie gefährlich?
Während die Stromstärke in der Regel gering ist, wird mit Hochspannung gearbeitet. Für die meisten Menschen ist die Methode bei korrekter Anwendung wahrscheinlich nicht gefährlich, aber es gibt Risiken. Personen mit Herzschrittmachern oder Herzproblemen sollten den Kontakt vermeiden. Zudem kann die Erzeugung von Ozon und Stickstoffdioxid bei höheren Spannungen in schlecht belüfteten Räumen gesundheitsschädlich sein.
Was hat es mit dem Phantomblatteffekt auf sich?
Der Phantomblatteffekt, bei dem ein fehlender Teil eines Blattes angeblich sichtbar sein soll, konnte in wissenschaftlichen Studien wie der an der TU Berlin nicht reproduziert werden. Die Beobachtung einer Korona bei unbelebten Objekten wie Gummibärchen deutet darauf hin, dass das Phänomen der Kirlianentladung nicht an die „Vitalität“ eines Objekts gebunden ist, sondern an seine physikalischen Eigenschaften und die Umgebung.
Vergleich: Physikalische Erklärung vs. Esoterische Interpretation
| Aspekt | Physikalische Erklärung | Esoterische Interpretation |
|---|---|---|
| Was wird abgebildet? | Elektrische Korona-/Glimmentladung | Aura, Energiekörper, Bioplasma |
| Ursache des Bildes | Hochspannung, Ionisierung von Gas, Oberflächeneigenschaften (Feuchtigkeit, Leitfähigkeit, Druck), Umgebungsgas | Vitalität, Lebensenergie, emotionaler/gesundheitlicher Zustand |
| Veränderbarkeit des Bildes | Ja, durch physikalische/physiologische Faktoren (Feuchtigkeit, Stress, etc.) | Ja, durch Zustandsänderungen des Organismus (Gesundheit, Emotionen), aber als Ausdruck innerer Zustände |
| Wissenschaftliche Validität | Physikalisches Phänomen ist real, Interpretation als Aura nicht wissenschaftlich belegt. Medizinische Diagnosefunktion widerlegt. | Nicht wissenschaftlich anerkannt, basierend auf Glaubenssystemen. |
Die Kirlianfotografie bleibt ein faszinierendes Beispiel dafür, wie ein physikalisches Phänomen unterschiedlich interpretiert werden kann. Die schillernden Bilder der elektrischen Entladungen regen die Fantasie an und haben zu weitreichenden Spekulationen geführt. Während die Wissenschaft eine klare Erklärung in den Gesetzen der Elektrizität und Gasentladung findet, sehen andere darin einen Beweis für subtile Energiefelder. Unabhängig von der Interpretation zeigt die Kirlianfotografie eindrucksvoll, dass auch das „Unsichtbare“ – in diesem Fall elektrische Entladungen – fotografisch sichtbar gemacht werden kann, wenn die richtigen technischen Bedingungen geschaffen werden.
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