Wenn du dich auf dem Kameramarkt umschaust, wirst du schnell feststellen, dass die überwiegende Mehrheit der Modelle primär für Rechtshänder konzipiert ist. Bedienelemente wie der Auslöser, Einstellräder und Menütasten sind in der Regel auf der rechten Seite angeordnet, um die Bedienung mit der rechten Hand zu erleichtern. Dies stellt für Linkshänder eine nicht unerhebliche Herausforderung dar. Es mag verwunderlich erscheinen, dass in einem so kreativen Bereich wie der Fotografie eine Gruppe von Menschen, denen oft besondere Kreativität nachgesagt wird, bei der Werkzeugwahl benachteiligt ist.

Die Gründe, warum jemand eine Kamera benötigt, die besser für die linke Hand geeignet ist, sind vielfältig. Sie reichen von physischen Einschränkungen wie Entzündungen (z. B. Tennisarm), gestörter Feinmotorik oder sogar Amputationen im rechten Arm oder der rechten Hand bis hin zur einfachen Tatsache, dass jemand von Natur aus Linkshänder ist und die Bedienung mit der dominanten Hand bevorzugt. Unabhängig vom Grund ist die eingeschränkte Verfügbarkeit spezieller Kameras für Linkshänder auf dem Markt auffällig.

Angesichts dieser Situation stellen sich viele Fragen: Gibt es überhaupt Kameras, die speziell für Linkshänder entwickelt wurden? Oder werden sie einfach nur nicht prominent beworben? Ist es möglich, eine Standardkamera für Rechtshänder so umzubauen, dass sie für Linkshänder besser nutzbar ist? Wir gehen diesen Fragen nach und beleuchten die aktuelle Lage sowie mögliche Alternativen.
Gibt es Kameras speziell für Linkshänder? Historische Modelle
Im Laufe der Jahre gab es immer wieder Gerüchte über Prototypen und spezielle Linkshänder-Editionen von Kameras, wie beispielsweise die angebliche Nikon F3L. Tatsächlich gab es in der historische Kameras des Marktes nur sehr wenige Modelle, die tatsächlich für Linkshänder geeignet waren oder von ihnen bevorzugt genutzt wurden. Bekannt sind insbesondere drei Kameras:
- Exakta Varex von Ihagee Dresden
- Yashica Samurai Z-L
- Ricoh RDC-7
Die Exakta Varex, eine analoge Kamera von Ihagee Dresden, war bei Linkshändern aufgrund ihrer linksseitig angeordneten Einstellmöglichkeiten beliebt. Sie wurde in verschiedenen Varianten bis 1970 produziert und ist heute nur noch auf dem Gebrauchtmarkt erhältlich.
Ein weiteres Modell, das explizit für Linkshänder entwickelt wurde, ist die Yashica Samurai Z-L. Diese analoge Kamera wurde 1989 vom Hersteller Kyocera eingeführt und gehörte zur Samurai-Serie. Sie unterschied sich von ihrem Pendant für Rechtshänder, der Yashica Samurai Z, durch einen umgekehrten Handgriff und entsprechend angeordnete Bedienelemente. Dies ermöglichte Linkshänder-Fotografen eine komfortablere Bedienung. Wie die Exakta Varex wird auch die Yashica Samurai Z-L nicht mehr hergestellt und ist nur noch gebraucht und oft mit etwas Glück zu finden.
Die Ricoh RDC-7 war ebenfalls ein Modell, das von Linkshändern gerne genutzt wurde, auch wenn es nicht explizit für sie konzipiert war. Ihre Beliebtheit bei Linkshändern rührte von der Tatsache her, dass sie im Querformat mit der linken Hand bedient werden konnte, da sie über zwei Auslöser verfügte. Dieses Modell wurde zwar weiterentwickelt, verschwand aber später ebenfalls vom Markt.
Prototypen und gescheiterte Projekte
Neben diesen wenigen historische Kameras gab es auch Versuche, spezielle Modelle für Linkshänder zu entwickeln, die jedoch nie den Massenmarkt erreichten. Das wohl bekannteste Gerücht betrifft eine angebliche Linkshänder-Version der Nikon F3. Auf Bitten der International Lefthander Association (ILA) entwickelten Ingenieure bei Nikon tatsächlich einen Prototypen, die Nikon F3L, basierend auf der Nikon F3HP. Diese Entwicklung ging jedoch nie über das Prototypenstadium hinaus und der Prototyp soll angeblich verschollen sein. Ob diese Geschichte der Wahrheit entspricht, ist bis heute ungeklärt.
Ein weiteres Beispiel für ein gescheitertes Projekt lieferte Nikon im Jahr 1998. Es wurden einige linkshändige Exemplare der Nikon F100 als Beta-Version entwickelt. Die Nachfrage war jedoch so gering, dass die Entwicklung eingestellt wurde und das Projekt nicht über dieses Stadium hinauskam.
Warum gibt es heute kaum Kameras für Linkshänder?
Die Weltbevölkerung hat einen Anteil von etwa zehn bis 15 Prozent Linkshändern. In Deutschland liegt dieser Anteil laut Angaben bei etwa 10,6 Prozent. Bei einer aktuellen Einwohnerzahl von rund 83 Millionen Menschen in Deutschland (Stand 2020) entspricht dies einer Zahl von über 8,8 Millionen Linkshändern. Diese Zahl mag im ersten Moment hoch erscheinen, doch wie viele davon sind tatsächlich ambitionierte Fotografen, die eine professionelle Kamera nutzen oder benötigen und bereit wären, in ein spezielles, möglicherweise teureres Modell zu investieren?
Der Markt für dedizierte Kameras für Linkshänder ist aus wirtschaftlicher Sicht schlichtweg nicht vorhanden. Die geringe Nachfrage im Vergleich zu den Entwicklungskosten macht die Produktion unrentabel. Die Erfahrungen von Unternehmen wie Nikon mit ihren gescheiterten Projekten bestätigen dies. Seit der Einführung moderner Kamerasysteme wie Spiegelreflex-, System- und Kompaktkameras wurden Linkshänder in Bezug auf spezielle ergonomische Anpassungen weitgehend vernachlässigt. Weder große Hersteller wie Sony, Canon noch Panasonic haben derzeit Pläne bekannt gegeben, Kameras speziell für Linkshänder zu entwickeln.
Alternativen und Lösungen für linkshändige Fotografen
Da der Markt keine breite Palette an Kameras speziell für Linkshänder bietet, müssen Betroffene auf Alternativen und Anpassungen zurückgreifen. Glücklicherweise gibt es verschiedene Möglichkeiten, mit herkömmlichen Kameras gut zurechtzukommen oder die Bedienung zu erleichtern.
1. Sich an herkömmliche Kameras gewöhnen
Die einfachste, wenn auch anfangs vielleicht herausforderndste Alternative ist, sich an die Bedienung einer für Rechtshänder konzipierten Kamera zu gewöhnen. Es erfordert Übung und Geduld, die Koordination mit der nicht-dominanten Hand zu trainieren. Mit regelmäßiger Nutzung entwickeln viele Linkshänder jedoch ein gutes Gefühl für die Kamera und können sie effizient bedienen. Es ist nicht unmöglich, erfordert aber eine Umstellung und Anpassung.
2. Zusatzhandgriffe nutzen
Viele Kamerahersteller und Drittanbieter bieten Zusatzhandgriffe an, die die Ergonomie und Handhabung der Kamera verbessern sollen. Diese Griffe werden oft am Boden der Kamera befestigt und bieten eine größere oder anders geformte Grifffläche. Ein Vorteil für Linkshänder ist, dass viele dieser Griffe beidhändig bedienbar sind und somit auch mit der linken Hand einen besseren Halt und Zugang zu Bedienelementen ermöglichen können, die sich am Griff selbst befinden. Beispiele hierfür sind der Sony VCT-SGR1 Handgriff, der für bestimmte Sony-Kompaktkameras wie die RX100 VII verwendet werden kann, oder die Batteriegriffe von Canon wie der BG-E22 für die EOS R Serie oder der BG-E20 für die Canon 5D Mark IV. Beim Kauf eines solchen Griffs ist es wichtig, auf die Kompatibilität mit dem eigenen Kameramodell zu achten.
3. Gimbals für Smartphones nutzen
Für Videografen oder alle, die ihr Smartphone für Aufnahmen nutzen, sind Gimbals eine hervorragende Alternative. Diese Stabilisierungssysteme sorgen für verwacklungsfreie Aufnahmen. Viele Gimbals sind für die einhändige Bedienung konzipiert, wobei die Bedienelemente oft zentral angeordnet sind. Dies ermöglicht eine problemlose Bedienung mit der linken Hand. Modelle wie der DJI OM 4 SE sind leicht zu bedienen und bieten eine hohe Handlichkeit, was sie auch für Linkshänder attraktiv macht.

4. Smartphone-Fotografie mit Linkshänder-Modus
Für schnelle Schnappschüsse oder alltägliche Fotografie ist ein modernes Smartphone oft völlig ausreichend. Viele Smartphones bieten mittlerweile einen sogenannten Linkshänder-Modus in den Einstellungen. Durch Aktivierung dieses Modus wird die Benutzeroberfläche des Systems (und oft auch bestimmter Apps wie der Kamera-App) gespiegelt oder angepasst, um die Bedienung mit der linken Hand zu erleichtern. Dies kann die Handhabung deutlich komfortabler machen.
5. Stativ mit Kabel- oder Fernauslöser nutzen
Gerade im Bereich der statischen Fotografie, wie bei Landschafts-, Studio- oder Makroaufnahmen, ist die Nutzung eines Stativs weit verbreitet. In Kombination mit einem Kabelauslöser oder einem Fernauslöser bietet dies eine sehr gute Lösung für Linkshänder. Die Kamera wird sicher auf dem Stativ platziert, und der Auslöser wird über ein Kabel oder drahtlos mit der Kamera verbunden. Der Auslöser selbst ist oft ein kleines, handliches Gerät mit zentralem Knopf, das problemlos mit der linken Hand bedient werden kann. Ein Beispiel ist der Rollei Kabelfernauslöser für Canon. Im professionellen Bereich ist es zudem oft möglich, die Kamera komplett über einen angeschlossenen Laptop oder ein Tablet zu steuern, was ebenfalls eine komfortable Bedienung unabhängig von der Händigkeit erlaubt.
6. Kameras mit Touchscreen nutzen
Immer mehr moderne Kameras verfügen über einen Touchscreen. Dieser ermöglicht die Bedienung zahlreicher Funktionen, einschließlich der Einstellung von Parametern und sogar des Auslösens, direkt über den Bildschirm. Zwar sind die physischen Bedienelemente weiterhin vorhanden und meist für Rechtshänder optimiert, aber die Touch-Bedienung bietet eine vollwertige Alternative. Ein Touchscreen kann die Notwendigkeit, die für Linkshänder ungünstig platzierten physischen Knöpfe zu nutzen, erheblich reduzieren. Kameras wie die Panasonic Lumix G Systemkameras oder die Sony Alpha 7 IV, deren Touchscreen zudem neigbar ist, bieten hier flexible Möglichkeiten.
Vergleich historischer Linkshänder-Kameras
Modell | Hersteller | Typ | Linkshänder-Feature(s) | Verfügbarkeit | Produktionszeitraum (ungefähr) |
---|---|---|---|---|---|
Exakta Varex | Ihagee Dresden | Analog (?) | Einstellungen linksseitig | Gebraucht | Bis 1970 |
Yashica Samurai Z-L | Kyocera | Analog | Umgekehrter Handgriff & Bedienelemente | Gebraucht | Ab 1989 (als Teil der Serie) |
Ricoh RDC-7 | Ricoh | Modell (Digital?) | Zwei Auslöser (ermöglicht Querformat mit links) | Vom Markt | Nach einiger Zeit verschwunden |
*Bitte beachten: Die genaue Produktionsdauer der Ricoh RDC-7 und die genaue Technologie der Exakta Varex (ob ausschließlich analog) basieren auf der Interpretation der verfügbaren Informationen und gängigem Wissen über die Modelle.
Häufig gestellte Fragen zu Kameras für Linkshänder
Gibt es aktuell Kameras, die speziell für Linkshänder hergestellt werden?
Nein, derzeit produzieren die großen Kamerahersteller keine Modelle, die explizit für Linkshänder entwickelt oder optimiert sind.
Wurden jemals Kameras für Linkshänder produziert?
Ja, historisch gab es einige wenige Modelle, die entweder speziell für Linkshänder entwickelt wurden oder aufgrund ihrer Konstruktion gut für sie nutzbar waren. Dazu zählen die Exakta Varex, die Yashica Samurai Z-L und die Ricoh RDC-7.
Sind die historischen Linkshänder-Kameras noch erhältlich?
Die historische Kameras wie die Exakta Varex und die Yashica Samurai Z-L werden nicht mehr produziert und sind nur noch gebraucht auf dem Sammler- oder Second-Hand-Markt erhältlich. Die Ricoh RDC-7 ist ebenfalls nicht mehr regulär auf dem Markt.
Gibt es Zubehör, das Linkshändern bei der Kamerabedienung hilft?
Ja, es gibt verschiedene Zubehörteile, die die Bedienung einer Standardkamera für Linkshänder erleichtern können. Dazu gehören Zusatzhandgriffe, Kabel- oder Fernauslöser und die Nutzung von Stativen.
Können Smartphones eine Alternative für Linkshänder sein?
Für Gelegenheitsfotografie oder Videoaufnahmen mit Stabilisierung (Gimbal) können Smartphones eine gute Alternative darstellen. Viele Smartphones bieten zudem einen Linkshänder-Modus, der die Benutzeroberfläche anpasst.
Helfen Kameras mit Touchscreen Linkshändern?
Ja, Kameras mit Touchscreen können eine gute Alternative sein, da viele Einstellungen und sogar das Auslösen direkt über den Bildschirm erfolgen können, was die Abhängigkeit von den für Rechtshänder optimierten physischen Bedienelementen reduziert.
Fazit
Auch wenn der Markt für spezialisierte Linkshänder-Kameras bedauerlicherweise sehr klein ist und aktuell keine neuen Modelle von großen Herstellern zu erwarten sind, bedeutet das nicht das Ende der Fotografie für Linkshänder. Zwar müssen sie sich oft an Kameras gewöhnen, die primär für Rechtshänder konzipiert sind, oder auf historische Kameras zurückgreifen, die nur noch gebraucht verfügbar sind. Doch die aufgezeigten Alternativen bieten praktikable Lösungen. Ob durch die Nutzung von Zusatzhandgriffen, Fernauslösern, Touchscreen-Bedienung oder einfach durch bewusste Übung und Anpassung – Linkshänder können sehr wohl qualitativ hochwertige Fotografie betreiben. Die Technologie entwickelt sich weiter, und auch wenn die "perfekte" Linkshänder-Kamera fehlt, gibt es heute mehr Möglichkeiten als je zuvor, die Herausforderungen zu meistern und die eigene Kreativität voll zu entfalten.
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