Ist die Kamera oder das Objektiv wichtiger?

Warum Objektive rund sind & Bilder eckig

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Es ist eine der kuriosesten Beobachtungen in der Welt der Fotografie: Wir schauen durch runde Objektive, die aus runden Linsen bestehen, doch das Endergebnis – das Bild auf dem Sensor und schließlich auf dem Bildschirm oder im Druck – ist stets rechteckig. Ebenso verhält es sich mit den Sensoren selbst, die das Licht einfangen, und oft auch mit den Spiegeln in DSLR-Kameras. Dieses scheinbare Paradoxon wirft die Frage auf: Warum sind Linsen und Objektive rund, wenn der Rest des Systems eckig ist?

Man könnte meinen, es gäbe praktische Vorteile, Objektive eckig zu konstruieren. Es wird spekuliert, dass sich dadurch Glas einsparen ließe, was die Herstellung von Linsen und somit ganzen Objektiven potenziell günstiger machen könnte. Weniger Material würde auch zu einem geringeren Gewicht führen – zumindest in der Theorie. Doch die Realität der Optik und Fotografie wird von grundlegenden physikalischen Prinzipien bestimmt, die eine andere Form nahelegen.

Warum sind Kameras rund, aber Bilder eckig?
Okay, vereinfacht ausgedrückt: Das Licht nutzt die komplette Fläche der Linse. Dies bündelt das Licht und schickt es zum Sensor. Eben deswegen ist die Linse rund. Denn wäre die Linse eckig, könnte diese weniger Licht bündeln.

Das Diktat des Lichts: Warum die Form zählt

Der Hauptgrund für die runde Form von Linsen und Objektiven liegt im Verhalten des Lichts. Um zu verstehen, warum diese Form so entscheidend ist, müssen wir betrachten, wie Licht durch ein Objektiv geleitet und gebündelt wird. Es mag kontraintuitiv erscheinen, aber Licht verhält sich nicht immer so „logisch“, wie wir es uns vorstellen. Man könnte annehmen, dass Licht, das von links kommt, nur den linken Teil des Sensors beeinflusst, und Licht von rechts den rechten. Doch das stimmt nicht.

Licht breitet sich nicht nur in eine einzige Richtung aus. Stattdessen verlässt es seine Quelle oder wird von Objekten reflektiert und strahlt in quasi alle Richtungen aus – wie ein dreidimensionaler Stern. Wenn dieses Licht auf die Frontlinse eines Objektivs trifft, ist es die Aufgabe der Linsen im Inneren, dieses weit gestreute Licht zu sammeln und zu bündeln. Dieses gebündelte Licht wird dann zielgerichtet zum Sensor geleitet, wo es auf einem bestimmten Punkt zusammentrifft, um das Bild zu erzeugen.

Wie Licht die gesamte Linsenfläche nutzt

Vereinfacht ausgedrückt, nutzt das Licht die gesamte Fläche der Linse, auf die es trifft. Die runde Form ermöglicht es der Linse, das Maximum an verfügbarem Licht aus einem bestimmten Winkel zu erfassen und effizient zum Sensor zu bündeln. Eine runde Öffnung, wie sie eine Linse oder eine Blende darstellt, ist die optimale Form, um Licht gleichmäßig und ohne Verzerrungen zu sammeln, das aus einem Punkt kommt und sich kugelförmig ausbreitet. Jeder Punkt auf der runden Oberfläche der Linse trägt dazu bei, das Licht korrekt zum Fokuspunkt zu lenken.

Stellen Sie sich vor, die Linse wäre eckig, zum Beispiel quadratisch. Die Ecken einer solchen Linse wären weiter vom Mittelpunkt entfernt als die Seiten. Licht, das auf diese Ecken trifft, müsste anders gebrochen werden als Licht, das auf die Mitte oder die Seiten trifft, um am gleichen Punkt auf dem Sensor zu landen. Dies würde zu erheblichen optischen Problemen führen. Viel wichtiger ist jedoch, dass eine eckige Form weniger Licht bündeln könnte als eine runde Linse gleicher Größe (gemessen am Durchmesser der längsten Seite einer rechteckigen Linse im Vergleich zum Durchmesser einer runden Linse). Dies liegt daran, dass die Lichtbündelung über die gesamte Linsenfläche erfolgt. Eine runde Linse maximiert die Fläche für einen gegebenen 'Durchmesser' (der relevant ist für das Gesichtsfeld), während eine rechteckige Form in den Ecken weniger effizient wäre oder aber mehr Material für die gleiche Lichtmenge benötigen würde, was den ursprünglichen Vorteil (Material sparen) zunichtemachen würde.

Das Ergebnis einer eckigen Linse wäre daher ein Bild, das deutlich weniger belichtet ist – es wäre dusterer. Eine rechteckige Linse wäre schlichtweg weniger lichtstark. Lichtstärke ist jedoch eine der wichtigsten Eigenschaften eines Objektivs, da sie bestimmt, wie viel Licht in einer bestimmten Zeit auf den Sensor fallen kann, was wiederum die Belichtungszeit und die Möglichkeit, bei wenig Licht zu fotografieren, beeinflusst.

Die Bedeutung für das Bokeh

Neben der reinen Lichtbündelung spielt die Form der Linse und insbesondere der Blendenöffnung auch eine entscheidende Rolle für die Qualität des Bokeh. Bokeh beschreibt die ästhetische Qualität der Unschärfe in den nicht fokussierten Bereichen eines Bildes. Es sind oft die kleinen Lichtpunkte im Hintergrund, die als weiche, runde Scheiben erscheinen, wenn das Bokeh ansprechend ist.

Wenn die Linse oder die Blendenöffnung – also die effektive Öffnung, durch die das Licht fällt – eine Form abseits von rund hätte, würde sich dies direkt auf die Form dieser Unschärfescheiben auswirken. Eine eckige Blende würde zu eckigen oder unregelmäßigen Unschärfekreisen führen. Das Ergebnis wäre ein unruhiges, unattraktives, ja sogar regelrecht hässliches Bokeh. Dieses Phänomen ist besonders bei Aufnahmen mit weit geöffneter Blende (kleine Blendenzahl) sichtbar, wo die Unschärfe im Hintergrund stark ausgeprägt ist.

Runde Blende für harmonisches Bokeh

Auch wenn die Blende, die sich innerhalb des Objektivs befindet, geschlossen wird (große Blendenzahl), um weniger Licht auf den Sensor zu lassen und die Schärfentiefe zu erhöhen, bleibt die Form wichtig. Bei geschlossener Blende wird der effektive Lichtkegel, der durch das Objektiv tritt, schmaler und nutzt nicht mehr die gesamte Fläche der Frontlinse. Man könnte meinen, dass in diesem Fall die Form der äußeren Linse weniger relevant ist.

Doch selbst bei kleineren Blendenöffnungen muss das Licht nicht zwingend exakt durch die Mitte der Linsen fallen. Die Hersteller zielen daher auf eine möglichst runde Blendenöffnung ab. Moderne Objektive erreichen dies durch eine große Anzahl von Blendenlamellen. Eine runde Blendenöffnung, selbst wenn sie klein ist, sorgt für ein ruhigeres und ästhetisch ansprechenderes Bokeh, da die Unschärfescheiben ihre runde Form beibehalten. Dies ist ein wichtiger Faktor für viele Fotografen, insbesondere in Bereichen wie Porträt- oder Reportagefotografie.

Vergleich: Runde vs. Eckige Linsen

Um die Vor- und Nachteile zu verdeutlichen, betrachten wir die Kernunterschiede basierend auf den physikalischen Anforderungen:

EigenschaftRunde Linse/ObjektivEckige Linse/Objektiv (hypothetisch)
LichtbündelungOptimal, nutzt gesamte Fläche effizient. Maximale Lichtstärke.Weniger effizient, Ecken problematisch. Geringere Lichtstärke.
BildbelichtungGleichmäßig und ausreichend, gute Belichtung.Potenziell ungleichmäßig, neigt zu Unterbelichtung.
Bokeh-QualitätRuhig und ästhetisch ansprechend (mit runder Blende).Unruhig und unattraktiv, eckige Unschärfescheiben.
Materialeinsparung (theoretisch)Standardverbrauch.Möglich, aber optische Nachteile wiegen schwerer.
Gewicht (theoretisch)Standardgewicht.Möglichst leichter, aber optische Nachteile wiegen schwerer.
FertigungsaufwandStandardisierte Prozesse, hohe Präzision erforderlich.Komplexere Optikberechnung und Fertigung für gleiche Qualität (wenn überhaupt möglich).

Die Tabelle zeigt deutlich, dass die theoretischen Vorteile einer eckigen Form (Material, Gewicht) durch die fundamentalen optischen Nachteile – geringere Lichtstärke und schlechteres Bokeh – bei weitem aufgewogen werden. Für die Funktion und die Bildqualität eines Objektivs sind Lichtstärke und Bokeh-Qualität von überragender Bedeutung.

Häufig gestellte Fragen

Warum sind Sensoren dann eckig?

Während die Linsen das Licht bündeln, ist der Sensor dafür zuständig, es zu registrieren und in elektrische Signale umzuwandeln. Die rechteckige oder quadratische Form des Sensors ist optimal, um das so gebündelte Licht in einem rechteckigen Bildformat zu erfassen, das dem gängigen Sehfeld und den üblichen Darstellungsformaten (wie 3:2, 4:3, 16:9) entspricht. Die physikalische Struktur des Sensors, bestehend aus Millionen von Pixeln, lässt sich am einfachsten und effizientesten in einem rechteckigen Raster anordnen. Das Objektiv liefert das Licht in einem kreisförmigen Bildkreis auf den Sensor, und der rechteckige Sensor schneidet einfach den zentralen, schärfsten Teil dieses Kreises aus.

Würde eine eckige Linse überhaupt funktionieren?

Eine eckige Linse könnte prinzipiell Licht bündeln, aber wie im Artikel beschrieben, wäre sie optisch stark benachteiligt. Die Lichtbündelung wäre weniger effizient, die Lichtstärke geringer, und die Abbildungsfehler, insbesondere in den Ecken, wären wahrscheinlich erheblich. Das Bokeh wäre unansehnlich. Obwohl theoretisch möglich, wäre die resultierende Bildqualität so schlecht, dass sie für die meisten fotografischen Anwendungen unbrauchbar wäre. Die physikalischen Gesetze der Optik machen die runde Form für das Sammeln und Bündeln von Licht aus einem weiten Winkel einfach überlegen.

Ist die Blendenform immer rund?

Die Blendenöffnung ist nicht immer perfekt rund, kann aber durch eine hohe Anzahl von Blendenlamellen (oft 7, 9 oder mehr) angenähert werden. Viele Objektive verfügen über abgerundete Blendenlamellen, um die Rundheit der Öffnung bei kleineren Blenden zu verbessern und so ein schöneres Bokeh zu erzielen. Eine wirklich eckige Blendenöffnung würde jedoch, wie erwähnt, zu eckigen Unschärfekreisen führen.

Fazit

Auch wenn es auf den ersten Blick seltsam erscheinen mag, dass runde Objektive auf eckige Sensoren und rechteckige Bilder treffen, so hat die runde Form der Linsen und Objektive doch sehr triftige physikalische Gründe. Sie ist die optimale Form, um Licht effizient zu sammeln, zu bündeln und an den Sensor weiterzuleiten, was für eine gute Belichtung und eine hohe Lichtstärke unerlässlich ist. Darüber hinaus spielt die runde Form eine entscheidende Rolle für die ästhetische Qualität des Bokeh. Diese optischen Vorteile überwiegen bei weitem die potenziellen theoretischen Einsparungen bei Material oder Gewicht, die eine eckige Form bieten könnte. In der Fotografie diktieren die Gesetze der Optik die Form, und diese Gesetze machen runde Linsen zur klaren Wahl.

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Andenmatten Soltermann

Hallo! Ich bin Andenmatten Soltermann, ein Schweizer Fotograf, der leidenschaftlich die Essenz der Welt durch seine Linse einfängt. Geboren und aufgewachsen in den majestätischen Schweizer Alpen, haben die deutsche Sprache und atemberaubende Landschaften meine kreative Vision geprägt. Meine Liebe zur Fotografie begann mit einer alten analogen Kamera, und seitdem widme ich mein Leben der Kunst, visuelle Geschichten zu erzählen, die berühren und verbinden.In meinem Blog teile ich praktische Tipps, Techniken und Erfahrungen, um dir zu helfen, deine fotografischen Fähigkeiten zu verbessern – egal, ob du ein neugieriger Anfänger oder ein erfahrener Profi bist. Von der Beherrschung des natürlichen Lichts bis hin zu Ratschlägen für wirkungsvolle Bildkompositionen ist es mein Ziel, dich zu inspirieren, die Welt mit neuen Augen zu sehen. Mein Ansatz verbindet Technik mit Leidenschaft, immer auf der Suche nach dem Funken, der ein Foto unvergesslich macht.Wenn ich nicht hinter der Kamera stehe, findest du mich auf Bergpfaden, auf Reisen nach neuen Perspektiven oder beim Genießen der Schweizer Traditionen, die mir so am Herzen liegen. Begleite mich auf dieser visuellen Reise und entdecke, wie Fotografie die Art und Weise, wie du die Welt siehst, verändern kann.

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