Wimmelbilder sind eine ganz besondere Form visueller Erzählung. Auf den ersten Blick wirken sie oft chaotisch, eine Ansammlung unzähliger kleiner Szenen, Figuren und Objekte, die sich über eine große Fläche erstrecken. Doch genau in dieser Fülle liegt ihr Zauber und ihr tiefgreifender Nutzen. Sie sind nicht einfach nur Bilder, sondern ganze Welten im Miniformat, die dazu einladen, entdeckt und erforscht zu werden.

Diese detailreichen Illustrationen, auf denen es buchstäblich von Leben und kleinen Geschichten „wimmelt“, fesseln die Betrachter jeden Alters. Man könnte meinen, es handle sich um reinen „Quatsch im Großformat“, wie es manchmal flapsig genannt wird – Häuser, die auf dem Kopf stehen, fantastische Wesen oder unwirkliche Begebenheiten. Doch hinter der vordergründigen Verspieltheit verbirgt sich ein beachtlicher pädagogischer und kognitiver Wert.
Warum heißen sie Wimmelbilder?
Der Name „Wimmelbild“ ist denkbar einfach und beschreibend. Er leitet sich direkt von der Eigenschaft dieser Bilder ab: Es wimmelt nur so von Details, Personen, Tieren, Pflanzen und Gegenständen. Überall gibt es etwas zu sehen, kleine Szenen und Interaktionen finden gleichzeitig statt. Diese visuelle Dichte erzeugt den Eindruck eines lebendigen, geschäftigen Durcheinanders – eben eines „Wimmelns“.
Obwohl der Begriff „Wimmelbild“ relativ modern ist, reicht die Tradition solcher detailreichen, figurenreichen Darstellungen weit zurück in die Kunstgeschichte. Schon Meister wie Pieter Bruegel der Ältere schufen im 16. Jahrhundert Werke, die als frühe Vorläufer heutiger Wimmelbilder gelten können, beispielsweise in seinem berühmten Gemälde „Die niederländischen Sprichwörter“. Hier wimmelt es ebenfalls von Figuren, die alltägliche (und sprichwörtliche) Handlungen ausführen, eingebettet in eine detailreiche Landschaft. Der moderne Begriff und das spezielle Buchformat etablierten sich jedoch erst viel später.
Wie funktionieren Wimmelbilder?
Ein Wimmelbild ist typischerweise eine großformatige Illustration, oft über eine Doppelseite eines Buches oder auf einem großen Poster. Anstatt einer einzelnen zentralen Szene oder Figur präsentieren Wimmelbilder eine Fülle parallel ablaufender Ereignisse und Details. Eine bestimmte Umgebung – sei es ein Zoo, ein Bahnhof, eine Stadtplatz, ein Bauernhof oder sogar eine Fantasiewelt – dient als Bühne für unzählige kleine Geschichten. Es gibt keinen einzelnen „roten Faden“ im Sinne einer linearen Erzählung, sondern vielmehr ein Netzwerk von visuellen Informationen, die der Betrachter selbst entschlüsseln und miteinander verknüpfen kann.
Die Magie des Wimmelbildes liegt in seiner Nicht-Linearität und der schieren Menge an visuellen Reizen. Man kann das Bild immer wieder betrachten und entdeckt jedes Mal etwas Neues. Die dargestellten Alltagsszenen sind oft leicht übertrieben oder humorvoll dargestellt, was den Entdeckungsreichtum zusätzlich erhöht. Moderne Wimmelbücher sind oft textlos, was die Konzentration ganz auf das Visuelle lenkt und die Fantasie anregt. Gelegentlich werden einzelne Elemente am Rand oder auf einer separaten Seite zur gezielten Suche präsentiert.

Der pädagogische und kognitive Nutzen von Wimmelbildern
Die Beschäftigung mit Wimmelbildern ist weit mehr als nur Zeitvertreib. Sie bietet eine Vielzahl von förderlichen Aspekten, insbesondere für die Entwicklung von Kindern, ist aber auch für Erwachsene kognitiv anregend.
Förderung der visuellen Wahrnehmung und Aufmerksamkeit
Einer der offensichtlichsten Vorteile ist die Stärkung der visuellen Wahrnehmung. Beim Betrachten eines Wimmelbildes müssen die Augen über die gesamte Fläche schweifen, Details identifizieren und Muster erkennen. Dies trainiert:
- Figur-Grund-Wahrnehmung: Die Fähigkeit, ein bestimmtes Objekt oder Detail aus dem geschäftigen Hintergrund herauszufiltern. Bei der Suche nach einem bestimmten Gegenstand muss das Gehirn irrelevante Informationen ausblenden und sich auf das Gesuchte konzentrieren.
- Formkonstanz: Gegenstände oder Figuren müssen auch dann erkannt werden, wenn sie teilweise verdeckt sind oder aus ungewöhnlichen Blickwinkeln dargestellt werden.
- Räumliche Beziehungen: Das Verständnis dafür, wie Objekte zueinander in Beziehung stehen (z.B. „unter dem Tisch“, „neben dem Baum“). Dies wird besonders gefordert, wenn gesuchte Objekte teilweise versteckt sind.
Gleichzeitig wird die Aufmerksamkeit auf vielfältige Weise geschult. Die schiere Menge an Details erfordert eine hohe Konzentration. Aufgaben wie „Finde alle roten Hüte“ oder „Suche fünf verschiedene Tiere“ fördern die gerichtete Aufmerksamkeit. Bei Spielen, die auf Wimmelbildern basieren (wie z.B. „Pictureka“), kommen oft zusätzliche Anforderungen hinzu, wie Zeitlimits oder die Suche nach thematisch verbundenen Objekten („alles, was kalt ist“). Solche Aufgaben erfordern nicht nur gerichtete Aufmerksamkeit, sondern auch die Fähigkeit zur geteilten Aufmerksamkeit, wenn man gleichzeitig das Bild absucht und vielleicht auf Mitspieler reagieren muss.
Stärkung sprachlicher Kompetenzen und Kommunikation
Wimmelbilder sind eine hervorragende Grundlage für die Sprachentwicklung und die Interaktion, insbesondere zwischen Erwachsenen und Kindern. Beim gemeinsamen Betrachten ergeben sich unzählige Gesprächsanlässe. Kinder werden ermutigt, zu benennen, was sie sehen, Handlungen zu beschreiben („Der Hund rennt dem Ball hinterher“), Zusammenhänge zu erkennen („Warum weint das Kind?“) und eigene Geschichten zu den dargestellten Szenen zu erfinden. Diese Form des Dialogs fördert den Wortschatz, den Satzbau und die Erzählfähigkeit.
Für Eltern oder Pädagogen bieten Wimmelbilder zudem die Möglichkeit zu erkennen, welche Details die Aufmerksamkeit des Kindes zuerst auf sich ziehen, was interessante Einblicke in seine Wahrnehmung und Interessen geben kann.
Förderung von Problemlösungsfähigkeiten und Selbstwirksamkeit
Suchaufgaben innerhalb eines Wimmelbildes sind kleine Problemlöseaufgaben. Das Kind muss eine Strategie entwickeln, wie es das Bild systematisch absucht, um das gesuchte Objekt zu finden. Bei manchen Wimmelbild-Spielen wird sogar eine Selbsteinschätzung gefordet: „Wie viele Insekten glaubst du, kannst du finden?“. Dies fördert die Fähigkeit zur realistischen Einschätzung der eigenen Fähigkeiten und stärkt bei erfolgreicher Suche das Gefühl der Selbstwirksamkeit.
Das Fehlen eines vorgegebenen Textes oder einer linearen Handlung ermutigt Kinder, ihre eigenen Interpretationen und Geschichten zu entwickeln. Sie lernen, die Welt um sie herum zu beobachten, Details zu verknüpfen und daraus eigene Bedeutungen zu ziehen. Dies ist ein wichtiger Schritt auf dem Weg zur Lesekompetenz und zum kritischen Denken – nicht durch Belehrung, sondern durch spielerische Entdeckung.

Wer malt Wimmelbilder und für wen sind sie?
Wimmelbilderbücher sind eine spezielle Form des Bilderbuchs. Sie zeichnen sich oft durch ein größeres Format als üblich aus (oft größer als A4) und sind meist auf stabilem Karton gedruckt, um der intensiven Nutzung standzuhalten. Obwohl es Wimmelbilder für alle Altersgruppen gibt, richten sich die klassischen Wimmelbücher in erster Linie an sehr junge Kinder, oft bereits ab 18 Monaten.
Die Popularität von Wimmelbüchern hat eine Reihe bekannter Illustratoren hervorgebracht. In Deutschland gilt Ali Mitgutsch als „Vater“ des modernen Wimmelbuches. Sein erstes Buch dieser Art, „Rundherum in meiner Stadt“, erschien 1968 und prägte das Genre maßgeblich. Weitere bekannte deutsche Wimmelbuch-Künstler sind Rotraut Susanne Berner (bekannt für ihre Jahreszeiten-Wimmelbücher), Eva Scherbarth, Hans Jürgen Press und Lila L. Leiber.
International erfreuen sich Wimmelbilder ebenfalls großer Beliebtheit. Ein weltweit bekannter Vertreter ist der britische Illustrator Martin Handford, der die „Wo ist Walter?“ (im Original „Where's Wally?“) Bücher schuf. Diese sind stärker auf die gezielte Suche nach einer bestimmten Figur ausgerichtet und sprechen oft auch ältere Kinder und Erwachsene an. Mit Millionen verkauften Exemplaren zeigen Handfords Bücher die globale Anziehungskraft des Wimmelbild-Konzepts.
Trotz der primären Zielgruppe der Kleinkinder sind Wimmelbilder quer durch alle Altersgruppen beliebt. Für Erwachsene bieten sie eine Möglichkeit zur Entspannung, zur Nostalgie oder einfach eine unterhaltsame Herausforderung beim Suchen und Entdecken. Die zeitlose Anziehungskraft liegt wohl in der Kombination aus Detailreichtum, Wiederentdeckungswert und der Möglichkeit, in eine andere, oft idealisierte oder humorvolle Welt einzutauchen.
Wimmelbilder im Vergleich: Klassisch vs. Suchbild
Man kann grob zwei Haupttypen von Wimmelbildern unterscheiden, auch wenn die Grenzen fließend sind:
| Merkmal | Klassisches Wimmelbild | Such-Wimmelbild (z.B. "Wo ist Walter?") |
|---|---|---|
| Hauptzweck | Freies Entdecken, Erzählen von Geschichten, Sprachförderung, allgemeine visuelle Anregung | Gezielte Suche nach bestimmten Elementen/Figuren, Förderung spezifischer Suchstrategien und Aufmerksamkeit |
| Schwerpunkt | Vielfalt kleiner Alltagsszenen, Interaktionen, Atmosphäre einer Umgebung | Herausforderung, das Gesuchte in der Masse zu finden, oft mit höherem Detailgrad oder ähnlichen Ablenkungen |
| Text | Oft textlos oder mit kurzen Bildunterschriften/Erzählungen | Oft mit Listen der zu findenden Objekte oder Figuren |
| Komplexität | Variiert, aber oft zugänglicher für jüngere Kinder | Kann sehr komplex sein, spricht oft auch ältere Kinder und Erwachsene an |
Beide Formen haben ihren Reiz und ihren spezifischen Nutzen. Das klassische Wimmelbild lädt zum freien Fabulieren und Beobachten ein, während das Such-Wimmelbild den Fokus auf kognitive Suchprozesse legt.

Häufig gestellte Fragen zu Wimmelbildern
Sind Wimmelbilder nur für Kleinkinder geeignet?
Nein, obwohl sie oft für Kinder ab 18 Monaten empfohlen werden und eine wichtige Rolle in der frühen Kindheit spielen, erfreuen sich Wimmelbilder quer durch alle Altersgruppen großer Beliebtheit. Es gibt auch Wimmelbilder für ältere Kinder und Erwachsene, die komplexere Szenen oder anspruchsvollere Suchaufgaben bieten. Der Reiz des Entdeckens und Suchens ist zeitlos.
Welche Fähigkeiten fördern Wimmelbilder konkret?
Sie fördern insbesondere die visuelle Wahrnehmung (Figur-Grund, Formkonstanz, räumliche Beziehungen), verschiedene Formen der Aufmerksamkeit (gerichtet, geteilt), sprachliche Kompetenzen (Wortschatz, Satzbau, Erzählfähigkeit), Kommunikationsfähigkeiten, Problemlösungsstrategien und die Fähigkeit zur Selbsteinschätzung.
Warum sind Wimmelbilder pädagogisch wertvoll?
Sie unterstützen Kinder auf spielerische Weise in ihrer kognitiven und sprachlichen Entwicklung. Sie regen zur Interaktion an, fördern die Beobachtungsgabe, die Fantasie und das Verständnis für alltägliche Situationen. Sie bieten einen niederschwelligen Zugang zur Welt des Betrachtens und „Lesens“ von Bildern, was eine wichtige Grundlage für die spätere Lesekompetenz bildet.
Wer hat das moderne Wimmelbuch erfunden?
Als „Vater“ des modernen Wimmelbuches in Deutschland gilt der Illustrator Ali Mitgutsch, der 1968 das erste Buch dieser Art veröffentlichte. Die Idee der detailreichen Bilder ist aber älter und reicht bis in die Kunstgeschichte zurück.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Wimmelbilder weit mehr sind als nur unterhaltsame Bilderbücher. Sie sind faszinierende, detailreiche Kunstwerke, die Betrachter jeden Alters in ihren Bann ziehen und dabei ganz nebenbei wichtige kognitive und sprachliche Fähigkeiten fördern. Ihre zeitlose Anziehungskraft liegt in ihrer Fähigkeit, ganze Welten auf einer Seite zu erschaffen, die immer wieder aufs Neue entdeckt und belebt werden können.
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