Gibt es Kameras, die Radiowellen sehen können?

Visualisierung Unsichtbarer Signale: WLAN-Kameras

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Für das menschliche Auge sind sie unsichtbar, und doch umgeben sie uns ständig: Radiowellen. Ob Mobilfunk, Radio oder das allgegenwärtige WLAN – diese drahtlosen Signale sind ein fundamentaler Bestandteil unseres modernen Lebens. Sie gehören zum selben elektromagnetischen Spektrum wie das Licht, das wir sehen können, liegen aber in einem Frequenzbereich, der für unsere Netzhaut nicht zugänglich ist. Während wir Licht im Bereich von etwa 380 bis 700 Nanometern Wellenlänge (oder 400-790 Terahertz Frequenz) wahrnehmen, umfassen Radiowellen, Infrarot-, Ultraviolett- und Gammastrahlen Frequenzbereiche außerhalb dieses kleinen Fensters. Die Frage, die sich stellt, ist: Wenn wir sie nicht sehen können, können wir sie dann auf andere Weise sichtbar machen? Genau hier setzt die innovative Arbeit von Jan Neumann an, der mit seinen Projekten zeigt, wie Technologie uns helfen kann, die unsichtbare Welt der drahtlosen Signale zu visualisieren.

Die Herausforderung: Unsichtbares sichtbar machen

Die Tatsache, dass Radiowellen für uns unsichtbar sind, macht es schwierig, ihre Ausbreitung und Stärke in einem Raum zu verstehen. Warum ist der WLAN-Empfang im Wohnzimmer stark, aber in der Küche schwach? Wie beeinflussen Wände und Möbel das Signal? Solche Fragen sind entscheidend für die Optimierung drahtloser Netzwerke, aber ohne eine Möglichkeit, die Signale selbst zu sehen, ist man oft auf Trial-and-Error angewiesen. Es bedurfte eines kreativen Ansatzes, um eine Art „Auge“ für diese unsichtbaren Wellen zu entwickeln.

Wie erzeugt man eine Radiowelle?
Radiowellen werden künstlich durch zeitlich veränderliche elektrische Ströme erzeugt, die aus Elektronen bestehen, die in einem speziell geformten Metallleiter, einer sogenannten Antenne, hin und her fließen.

Der erste Schritt: Der 3D WiFi Scanner

Jan Neumanns Reise begann mit dem Projekt namens 3D WiFi Scanner. Wie der Name schon andeutet, zielte dieses Projekt darauf ab, dreidimensionale Bilder von drahtlosen Signalen zu erfassen. Die Kernidee war relativ einfach, aber genial: Man misst die Signalstärke an verschiedenen Punkten im Raum und nutzt diese Daten, um eine visuelle Darstellung zu erstellen. Für die Messung der Signalstärke, genauer gesagt des Received Signal Strength Indicator (RSSI), verwendete Neumann ein NodeMCU ESP32 Entwicklungsboard. Der RSSI-Wert gibt an, wie stark ein drahtloses Signal an einem bestimmten Empfangspunkt ist.

Um die dreidimensionale Erfassung zu ermöglichen, befestigte Neumann das NodeMCU-Board an einem 3D-Drucker. Der 3D-Drucker wurde so programmiert, dass er das Board systematisch durch ein dreidimensionales Raster bewegte und an jedem Punkt im Abstand von 1 cm den RSSI-Wert erfasste. Das Ergebnis dieser Messungen war eine Punktwolke. Jeder Punkt in dieser Wolke repräsentierte einen Messpunkt im Raum, und seine Größe sowie Farbe wurden durch den gemessenen RSSI-Wert bestimmt. Eine höhere Signalstärke konnte beispielsweise durch einen größeren oder farbintensiveren Punkt dargestellt werden. Diese Visualisierung zeigte auf eindrucksvolle Weise, wie die Signalstärke innerhalb eines Volumens variiert. Insbesondere konnte so die Wellenlänge des 2,4-GHz-WLAN-Signals, die bei etwa 12,5 cm liegt, sichtbar gemacht werden.

Der 3D WiFi Scanner war technisch beeindruckend und lieferte hochauflösende 3D-Bilder der Signalstärke. Allerdings hatte dieses Verfahren einen erheblichen Nachteil: Es war extrem langsam. Neumann berichtete, dass die Erfassung eines einzigen Bildes, also das Durchmessen des gesamten Rasters, etwa eine Stunde dauerte. Für die Untersuchung dynamischer Signalveränderungen oder für den praktischen Einsatz war dies ungeeignet.

Die Evolution: WiFi Cam 2.0

Um das Problem der Langsamkeit zu überwinden, entwickelte Jan Neumann ein Nachfolgeprojekt: die WiFi Cam 2.0. Das grundlegende Ziel blieb dasselbe – die Visualisierung von drahtlosen Signalen –, aber der Ansatz zur Datenerfassung wurde revolutioniert. Statt die Messpunkte nacheinander mit einem einzigen Sensor abzufahren, sollte die WiFi Cam 2.0 alle Punkte gleichzeitig überwachen.

Dies erforderte einen grundlegend anderen Hardware-Aufbau. Anstelle eines einzelnen NodeMCU-Boards nutzte Neumann ein Array von ESP-01 ESP8266 Entwicklungsboards. Jedes Board im Array ist im Prinzip für die Messung der Signalstärke an einem spezifischen Punkt im Raum zuständig. Der erste Prototyp dieses Arrays bestand aus 16 ESP-01 Boards, die in einem 4x4-Raster angeordnet waren. Für die Zukunft plant Neumann eine Erweiterung auf 64 Boards in einem 8x8-Raster. Alle diese ESP-01 Boards fungieren im „Slave“-Modus und kommunizieren über den I2C-Bus mit einem zentralen „Master“-Board, das die RSSI-Werte von allen Slaves sammelt und aufzeichnet.

Dieser parallele Ansatz zur Datenerfassung führt zu einer dramatischen Steigerung der Geschwindigkeit. Neumann gibt an, dass das geplante 8x8-Raster mit einer Bildrate von 5 FPS (Bildern pro Sekunde) arbeiten soll. Das ist 18.000 Mal schneller als die ursprüngliche, auf einem 3D-Drucker basierende Methode. Diese Geschwindigkeit ermöglicht es, Signalveränderungen nahezu in Echtzeit zu beobachten.

Der Preis für diese enorme Geschwindigkeitssteigerung ist eine geringere Auflösung und eine Beschränkung auf eine 2D-Visualisierung (zumindest in dieser Iteration). Das 8x8-Raster liefert ein Bild mit 64 Pixeln, wobei jedes Pixel die Signalstärke an der Position des entsprechenden ESP-01 Boards repräsentiert. Neumann hat die Boards im Raster mit einem Abstand von 26 cm positioniert. Dieser Abstand ist nicht zufällig gewählt: Er ermöglicht die Erfassung der stehenden Wellenmuster von 2,4 GHz oder 5 GHz WLAN-Signalen. Obwohl die Auflösung im Vergleich zum 3D WiFi Scanner geringer ist, ist das schnelle, niedrigauflösende Bild der WiFi Cam 2.0 für die Untersuchung dynamischer Signalveränderungen, die sich je nach Umgebung (z.B. durch sich bewegende Personen) ändern, tatsächlich nützlicher als ein langsames, hochauflösendes Bild.

Vergleich der Projekte

Um die Unterschiede zwischen den beiden Ansätzen zu verdeutlichen, bietet sich ein direkter Vergleich an:

Merkmal3D WiFi ScannerWiFi Cam 2.0
AnsatzSequenzielle Messung (ein Sensor bewegt sich)Parallele Messung (Array von Sensoren)
HardwareNodeMCU ESP32 + 3D-DruckerArray von ESP-01/ESP8266 Boards + Master Board
DatenerfassungPunkt für PunktAlle Punkte gleichzeitig
GeschwindigkeitSehr langsam (ca. 1 Stunde pro Bild)Sehr schnell (geplant 5 FPS)
AuflösungHoch (dichtes 3D-Raster)Niedrig (8x8 Grid geplant)
Dimension3D2D
BesonderheitHervorhebung der Wellenlänge (12,5 cm)Erfassung stehender Wellenmuster (26 cm Board-Abstand)
PraktikabilitätGering (zu langsam für dynamische Signale)Hoch (zeigt Echtzeit-Veränderungen)

Die Tabelle zeigt deutlich, dass die WiFi Cam 2.0 einen anderen Kompromiss eingeht: zugunsten von Geschwindigkeit und Praktikabilität wird Auflösung und eine Dimension geopfert. Doch dieser Kompromiss macht sie zu einem potenziell nützlicheren Werkzeug für bestimmte Anwendungen.

Potenzielle Anwendungen der WiFi Cam 2.0

Die Fähigkeit, drahtlose Signale schnell zu visualisieren, eröffnet verschiedene interessante Möglichkeiten:

  • Optimierung des WLAN-Empfangs: Der offensichtlichste Anwendungsfall ist die Analyse und Optimierung der WLAN-Abdeckung in Wohnungen oder Büros. Durch die Visualisierung der Signalstärke können Nutzer leicht erkennen, wo die Signalabdeckung gut oder schlecht ist und wie sich Änderungen (z.B. das Verschieben des Routers oder das Entfernen von Hindernissen) auf die Signalverteilung auswirken. Dies könnte helfen, Funklöcher zu identifizieren und zu beseitigen oder die Position von Access Points zu optimieren.
  • Bewegungserkennung: Neumann erwähnt, dass die WiFi Cam 2.0 theoretisch auch zur Bewegungserkennung eingesetzt werden könnte, ähnlich wie bei etablierten Wi-Fi-Backscatter-Techniken. Da sich WLAN-Signale durch die Anwesenheit und Bewegung von Personen verändern, könnten diese Veränderungen im Signalmuster von der WiFi Cam 2.0 erfasst und zur Detektion von Bewegungen genutzt werden, ohne dass zusätzliche Sensoren benötigt werden.
  • Bildung und Demonstration: Das Gerät könnte ein hervorragendes Werkzeug sein, um die unsichtbare Welt der Radiowellen für Bildungszwecke zu demonstrieren und das Verständnis für drahtlose Kommunikation zu fördern.

Diese Anwendungen zeigen, dass die Visualisierung von WLAN-Signalen mehr ist als nur eine technische Spielerei – sie kann praktische Probleme lösen und neue Interaktionsmöglichkeiten mit unserer drahtlosen Umgebung eröffnen.

Gibt es Kameras, die Radiowellen sehen können?
Drahtlose Funksignale sind für das menschliche Auge unsichtbar, doch Jan Neumanns WiFi Cam 2.0 kann Bilder davon aufnehmen. Funkwellen, auch solche zur digitalen Datenübertragung, gehören zum selben elektromagnetischen Spektrum wie das sichtbare Licht, das wir mit unseren Augen wahrnehmen.

Häufig gestellte Fragen (FAQs)

Im Zusammenhang mit solchen Projekten treten oft Fragen auf. Hier sind einige, basierend auf den Informationen:

Was sind Radiowellen?

Radiowellen sind eine Form der elektromagnetischen Strahlung, ähnlich wie sichtbares Licht oder Röntgenstrahlen. Sie unterscheiden sich von sichtbarem Licht durch ihre viel längere Wellenlänge und niedrigere Frequenz. Sie werden zur Übertragung von Informationen über Entfernungen genutzt, z.B. bei Radio, Fernsehen, Mobilfunk und WLAN.

Kann eine normale Kamera Radiowellen sehen?

Nein, normale Kameras, die für die Fotografie oder Videoaufzeichnung entwickelt wurden, verwenden Sensoren (wie CMOS oder CCD), die für den Bereich des sichtbaren Lichts des elektromagnetischen Spektrums optimiert sind. Sie können keine Radiowellen erfassen.

Wie „sieht“ die WiFi Cam 2.0 Radiowellen?

Die WiFi Cam 2.0 „sieht“ Radiowellen nicht im optischen Sinne. Stattdessen misst sie die Stärke des WLAN-Signals (RSSI) an vielen verschiedenen Punkten gleichzeitig mithilfe eines Arrays von spezialisierten Sensoren (ESP-01 Boards). Diese gemessenen Signalstärken werden dann in eine visuelle Darstellung übersetzt, z.B. als Farbmuster auf einem Bildschirm, wobei unterschiedliche Farben oder Helligkeiten unterschiedliche Signalstärken repräsentieren. Es ist eine Visualisierung von Daten, keine direkte optische Aufnahme.

Was ist RSSI?

RSSI steht für Received Signal Strength Indicator. Es ist ein Maß für die Stärke eines empfangenen drahtlosen Signals. Ein höherer RSSI-Wert bedeutet ein stärkeres Signal.

Ist die WiFi Cam 2.0 eine echte Kamera im herkömmlichen Sinne?

Nicht im herkömmlichen Sinne einer Kamera, die Bilder von Objekten im sichtbaren Licht aufnimmt. Sie ist eher ein Messgerät, das Daten über die Signalstärke sammelt und diese Daten dann in ein visuelles Format umwandelt. Man könnte sie als eine Art „Signal-Kamera“ oder „Feldstärke-Visualisierer“ bezeichnen.

Warum ist die WiFi Cam 2.0 schneller als der 3D WiFi Scanner?

Der 3D WiFi Scanner maß die Signalstärke sequenziell, Punkt für Punkt, indem er einen einzelnen Sensor bewegte. Die WiFi Cam 2.0 misst die Signalstärke an vielen Punkten gleichzeitig, da sie ein Array von Sensoren verwendet. Das parallele Messverfahren ist exponentiell schneller.

Warum ist die niedrigere Auflösung der WiFi Cam 2.0 nützlicher?

Für die Untersuchung dynamischer Signale, die sich schnell ändern (z.B. durch Bewegung oder Interferenzen), ist eine schnelle Bildrate wichtiger als eine hohe Auflösung. Ein schnelles, wenn auch grobes, Bild kann die Veränderungen in Echtzeit zeigen, während ein langsames, hochauflösendes Bild die aktuelle Situation möglicherweise nicht mehr korrekt wiedergibt, wenn es fertig ist.

Fazit

Während unsere Augen nicht in der Lage sind, Radiowellen direkt zu sehen, zeigt die Arbeit von Jan Neumann, dass Technologie uns Werkzeuge an die Hand geben kann, um diese unsichtbare Welt zu erforschen und zu verstehen. Projekte wie der 3D WiFi Scanner und insbesondere die schnellere WiFi Cam 2.0 sind faszinierende Beispiele dafür, wie kreative Ingenieurskunst komplexe physikalische Phänomene greifbar machen kann. Die Möglichkeit, WLAN-Signale zu visualisieren, hat das Potenzial, die Art und Weise, wie wir drahtlose Netzwerke planen, optimieren und sogar mit ihnen interagieren, zu beeinflussen. Es ist ein spannendes Feld, das die Grenzen dessen erweitert, was wir mit „Sehen“ meinen, und uns einen Einblick in die unsichtbare Infrastruktur unserer digitalen Welt gibt.

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Andenmatten Soltermann

Hallo! Ich bin Andenmatten Soltermann, ein Schweizer Fotograf, der leidenschaftlich die Essenz der Welt durch seine Linse einfängt. Geboren und aufgewachsen in den majestätischen Schweizer Alpen, haben die deutsche Sprache und atemberaubende Landschaften meine kreative Vision geprägt. Meine Liebe zur Fotografie begann mit einer alten analogen Kamera, und seitdem widme ich mein Leben der Kunst, visuelle Geschichten zu erzählen, die berühren und verbinden.In meinem Blog teile ich praktische Tipps, Techniken und Erfahrungen, um dir zu helfen, deine fotografischen Fähigkeiten zu verbessern – egal, ob du ein neugieriger Anfänger oder ein erfahrener Profi bist. Von der Beherrschung des natürlichen Lichts bis hin zu Ratschlägen für wirkungsvolle Bildkompositionen ist es mein Ziel, dich zu inspirieren, die Welt mit neuen Augen zu sehen. Mein Ansatz verbindet Technik mit Leidenschaft, immer auf der Suche nach dem Funken, der ein Foto unvergesslich macht.Wenn ich nicht hinter der Kamera stehe, findest du mich auf Bergpfaden, auf Reisen nach neuen Perspektiven oder beim Genießen der Schweizer Traditionen, die mir so am Herzen liegen. Begleite mich auf dieser visuellen Reise und entdecke, wie Fotografie die Art und Weise, wie du die Welt siehst, verändern kann.

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