Das Sichtfeld (Field of View, FOV) ist ein entscheidendes Merkmal jeder Kamera, da es festlegt, wie viel von der Szene vor Ihnen auf dem Sensor erfasst wird. Es ist die maximale Fläche, die zu einem bestimmten Zeitpunkt durch das Objektiv sichtbar ist. Das Verständnis des Sichtfelds ist unerlässlich, um die Funktionsweise Ihrer Kamera zu begreifen und das passende Objektiv für unterschiedliche Aufnahmesituationen auszuwählen. Doch wie wird dieses Sichtfeld gemessen und berechnet, und welche Faktoren beeinflussen es?
Was genau ist das Sichtfeld einer Kamera?
Das Sichtfeld, oft auch als Bildwinkel bezeichnet, beschreibt den Winkelbereich, den eine Kamera oder ein Objektiv erfassen kann. Stellen Sie sich vor, Sie stehen an einem Punkt und schauen geradeaus. Ihr Sichtfeld ist der gesamte Bereich, den Sie sehen können, ohne Ihren Kopf zu bewegen. Bei einer Kamera funktioniert das ähnlich: Das Sichtfeld ist der Bereich der Welt, der durch das Objektiv auf den Sensor projiziert wird. Es ist der 'Ausschnitt', den Ihre Kamera 'sieht'. Ein weites Sichtfeld bedeutet, dass viel von der Szene erfasst wird (wie bei einem Weitwinkelobjektiv), während ein enges Sichtfeld nur einen kleinen Teil der Szene zeigt (wie bei einem Teleobjektiv).

Die entscheidenden Faktoren: Sensorgröße und Brennweite
Das Sichtfeld einer Kamera wird im Wesentlichen von zwei Hauptelementen bestimmt: der Größe des Kamerasensors und der Brennweite des Objektivs.
Früher, in der Ära der analogen Fotografie mit Kleinbildfilm (35 mm), war das Verständnis des Bildwinkels relativ einfach. Eine Brennweite von 50 mm galt als Normalbrennweite und entsprach ungefähr dem menschlichen Seheindruck, was einen klaren Bezugspunkt schuf. Fotografen wussten intuitiv, welcher Bildwinkel mit einer bestimmten Brennweite verbunden war.
Mit dem Aufkommen digitaler Sensoren unterschiedlicher Größen (wie APS-C, Micro Four Thirds, 1 Zoll etc.) wurde die Situation komplexer. Die Brennweite allein gibt nicht mehr direkt den Bildwinkel an, da dieser immer im Verhältnis zur Sensorgröße steht. Deshalb wird heute oft die "Kleinbild-äquivalente Brennweite" angegeben, um einen Vergleich zum vertrauten 35-mm-Format zu ermöglichen. Es ist jedoch der tatsächliche Bildwinkel, der zählt, und dieser hängt immer von der Kombination aus Brennweite und Sensorgröße ab.
Ein größerer Sensor erfasst bei gleicher Brennweite einen weiteren Bereich und hat somit ein größeres Sichtfeld. Umgekehrt hat ein kleinerer Sensor bei gleicher Brennweite ein engeres Sichtfeld. Dies bedeutet, dass man mit einem kleineren Sensor eine kürzere Brennweite benötigt, um denselben Bildwinkel wie mit einem größeren Sensor und einer längeren Brennweite zu erzielen.

Die Normalbrennweite eines Systems ist übrigens immer jene, die ungefähr der Diagonale des Sensors entspricht. Bei einer Kleinbildkamera ist dies etwa 50 mm, da die Diagonale des 35-mm-Films ca. 43,3 mm beträgt.
Berechnung des Bildwinkels (Sichtfeldes)
Für die exakte Berechnung des Bildwinkels, insbesondere bei auf Unendlich fokussierten Objektiven, kann man auf geometrische Prinzipien zurückgreifen. In diesem Fall entspricht der Abstand zwischen dem Objektiv und dem Sensor der Brennweite des Objektivs. Zieht man nun gedachte Linien von den Rändern des Sensors, die sich im optischen Zentrum des Objektivs treffen, so begrenzen diese Linien das erfasste Bildfeld, und der Winkel zwischen ihnen ist der Bildwinkel.
Die mathematische Formel zur Berechnung des Bildwinkels (in Grad) basiert auf trigonometrischen Funktionen und lautet:
Bildwinkel = 2 × arctan (d / (2 × f))
Dabei ist 'd' die Dimension des Sensors (entweder Breite, Höhe oder Diagonale, je nachdem, welchen Bildwinkel Sie berechnen möchten) und 'f' ist die Brennweite des Objektivs. Die Funktion 'arctan' (Arkustangens) gibt den Winkel zurück, dessen Tangens der Wert in der Klammer ist. Das Ergebnis muss in Grad umgerechnet werden, falls Ihr Taschenrechner oder Software sie in Radiant ausgibt.
Beispielrechnung für den vertikalen Bildwinkel:
Nehmen wir die Werte aus dem bereitgestellten Material:
- Sensorhöhe (h): 4.7 mm
- Brennweite (F): 6 mm
Setzen wir dies in die Formel ein (wir verwenden 'h' für die Sensorhöhe und 'F' für die Brennweite, wie im Beispiel):
Bildwinkel (vertikal) = 2 × arctan (h / (2 × F))
Bildwinkel (vertikal) = 2 × arctan (4.7 mm / (2 × 6 mm))
Bildwinkel (vertikal) = 2 × arctan (4.7 / 12)
Bildwinkel (vertikal) = 2 × arctan (0.3917)
Bildwinkel (vertikal) ≈ 2 × 21.4°
Bildwinkel (vertikal) ≈ 42.8°
Dieses Beispiel zeigt, wie man den vertikalen Bildwinkel berechnen kann. Für den horizontalen Bildwinkel müssten Sie die horizontale Breite des Sensors und für den diagonalen Bildwinkel die Diagonale des Sensors in die Formel einsetzen.
Der Einfluss der Fokusdistanz auf das Sichtfeld
Die oben genannte Formel gilt exakt nur, wenn das Objektiv auf Unendlich fokussiert ist. Wenn Sie auf nähere Motive fokussieren, muss der Abstand zwischen dem Objektiv und dem Sensor vergrößert werden, um das Bild scharf abzubilden. Da der Sensor nun weiter vom Objektiv entfernt ist, erfasst er einen kleineren Winkelbereich. Dies führt zu einem Phänomen, das als Bildfeldschwund bezeichnet wird.

Der Bildfeldschwund ist umso ausgeprägter, je kürzer die eingestellte Fokusdistanz ist. Das bedeutet, dass bei sehr nahen Motiven das tatsächliche Sichtfeld enger sein kann als theoretisch für die gegebene Brennweite und Sensorgröße erwartet. Dieser Effekt ist besonders relevant in der Makrofotografie.
Bei einigen modernen Objektiven mit sogenannter Innenfokussierung kann ein gegenteiliger Effekt auftreten. Hierbei wird zur Fokussierung auf nahe Distanzen oft auch die effektive Brennweite verkürzt. Dies kann den Bildfeldschwund ausgleichen oder sogar dazu führen, dass im Nahbereich ein etwas größerer Bildwinkel erfasst wird als bei Fokus auf Unendlich. Die vom Hersteller angegebene Brennweite bezieht sich daher in der Regel immer auf die Einstellung für Unendlich.
Objektivtypen und ihr Sichtfeld
Die Art des Objektivs bestimmt ebenfalls, wie flexibel das Sichtfeld ist:
- Festbrennweiten-Objektive: Diese Objektive haben eine feste, nicht veränderbare Brennweite (z.B. 50mm, 85mm, 24mm). Dementsprechend ist ihr Bildwinkel permanent eingestellt und kann vom Benutzer nicht angepasst werden (abgesehen vom Einfluss der Fokusdistanz). Ihre Stärken liegen oft in höherer Lichtstärke und besserer Abbildungsqualität.
- Zoom- oder Vario-Objektive: Bei diesen Objektiven kann die Brennweite innerhalb eines bestimmten Bereichs manuell oder motorisch verstellt werden (z.B. 24-70mm, 70-200mm). Dies ermöglicht eine flexible Anpassung des Bildwinkels an die jeweilige Aufnahmesituation, von weitwinkelig bis tele. Sie bieten große Vielseitigkeit, können aber in Bezug auf Lichtstärke und Schärfe gegenüber Festbrennweiten Kompromisse eingehen.
Warum das Sichtfeld wichtig ist: Praktische Anwendungen
Das Verständnis des Sichtfeldes ist aus mehreren Gründen entscheidend für Fotografen:
- Bildgestaltung: Das Sichtfeld bestimmt, wie viel von der Szene in Ihr Bild passt. Ein weites Sichtfeld (erreicht durch kurze Brennweiten und/oder große Sensoren) eignet sich hervorragend für Landschafts-, Architektur- oder Innenaufnahmen, bei denen Sie viel von der Umgebung erfassen möchten.
- Motivisolierung: Ein enges Sichtfeld (erreicht durch lange Brennweiten und/oder kleine Sensoren) isoliert Ihr Motiv vom Hintergrund und lässt es größer erscheinen. Dies ist ideal für Porträts, Sport- oder Tierfotografie, wo Sie ein bestimmtes Objekt nah heranholen möchten, ohne störende Elemente im Bild zu haben.
- Perspektive: Obwohl die Brennweite die Perspektive im strengen Sinne nicht verändert (diese hängt vom Aufnahmeabstand ab), beeinflusst das Sichtfeld indirekt die scheinbare Perspektive, da es bestimmt, wie nah Sie am Motiv sein müssen, um es bildfüllend abzubilden. Kürzere Brennweiten erfordern Nähe und betonen die scheinbare Größe von Objekten im Vordergrund im Vergleich zum Hintergrund (starke Perspektive), während längere Brennweiten aus der Distanz komprimierter wirken (flachere Perspektive).
- Objektivauswahl: Die gewünschte Art von Fotografie (Weitwinkel, Normal, Tele) hängt direkt vom benötigten Sichtfeld ab und leitet so die Wahl des passenden Objektivs. Für ein weites Sichtfeld wählen Sie Weitwinkel- oder Ultra-Weitwinkelobjektive; für ein enges Sichtfeld Teleobjektive.
Ein Objektiv mit weitem Winkel (kurze Brennweite, großes Sichtfeld) eignet sich also zur Abdeckung großer Flächen wie Plätze oder Hallen, während ein Objektiv mit engem Winkel (lange Brennweite, kleines Sichtfeld) besser geeignet ist, um spezifische Details oder entfernte Objekte hervorzuheben, wie z.B. Kassenbereiche, Eingänge oder Wildtiere. Die Wahl des Sichtfeldes ist ein fundamentales Werkzeug zur Steuerung der Bildwirkung.
Sichtfeld im Vergleich: Sensorgrößen und Brennweiten
Um den Einfluss von Sensorgröße und Brennweite zu veranschaulichen, betrachten wir einige Beispiele. Beachten Sie, dass dies ungefähre Werte sind, da die genauen Sensorabmessungen leicht variieren können.

Vergleich: Ungefähres diagonales Sichtfeld einer 50mm Festbrennweite auf verschiedenen Sensorgrößen
Sensorgröße | Ungefähre Diagonale des Sensors | Ungefähres Sichtfeld (diagonal) bei 50mm |
---|---|---|
Kleinbild (Full Frame) | ca. 43.3 mm | ca. 46.8° |
APS-C (Canon) | ca. 26.7 mm | ca. 29.2° |
APS-C (Nikon/Sony/Fuji) | ca. 28.2 mm | ca. 30.6° |
Micro Four Thirds (MFT) | ca. 21.6 mm | ca. 23.7° |
1 Zoll | ca. 15.9 mm | ca. 17.9° |
Wie Sie sehen, wird das Sichtfeld bei gleicher Brennweite (50mm) erheblich kleiner, je kleiner der Sensor ist. Dies ist der Grund für den sogenannten "Crop-Faktor": Ein 50mm-Objektiv auf einer APS-C-Kamera hat einen ähnlichen Bildwinkel wie ein ~75-80mm-Objektiv auf einer Kleinbildkamera.
Vergleich: Ungefähres diagonales Sichtfeld auf einem Kleinbildsensor bei verschiedenen Brennweiten
Brennweite | Ungefähres Sichtfeld (diagonal) auf Kleinbildsensor |
---|---|
14 mm (Ultra-Weitwinkel) | ca. 114.2° |
20 mm (Ultra-Weitwinkel) | ca. 94.5° |
35 mm (Weitwinkel) | ca. 63.4° |
50 mm (Normal) | ca. 46.8° |
85 mm (Tele/Portrait) | ca. 28.6° |
200 mm (Tele) | ca. 12.3° |
400 mm (Super-Tele) | ca. 6.2° |
Dieser Vergleich zeigt deutlich, wie sich das Sichtfeld bei konstanter Sensorgröße (Kleinbild) mit der Brennweite ändert. Kürzere Brennweiten bieten ein weites Sichtfeld, längere Brennweiten ein enges. Dies verdeutlicht die Funktion unterschiedlicher Objektive.
Wo finden Sie Informationen zum Sichtfeld Ihrer Kamera?
Die genauen Spezifikationen zum Sichtfeld oder Bildwinkel eines Objektivs in Kombination mit einem bestimmten Kamerasensor finden Sie in der Regel im technischen Datenblatt (Specifications Sheet) Ihrer Kamera oder Ihres Objektivs. Oft wird dort die Brennweite (oder der Brennweitenbereich bei Zooms) sowie die Größe des Sensors angegeben, womit Sie den Bildwinkel berechnen oder zumindest einschätzen können. Manche Hersteller geben auch direkt den Bildwinkel für verschiedene Brennweiten an.
Häufig gestellte Fragen (FAQ)
- Was ist der Unterschied zwischen Brennweite und Sichtfeld?
- Die Brennweite ist eine physikalische Eigenschaft des Objektivs (vereinfacht gesagt, der Abstand vom optischen Zentrum zum Sensor bei Unendlich-Fokus). Das Sichtfeld (oder Bildwinkel) ist der Bereich, der auf dem Sensor abgebildet wird, und hängt sowohl von der Brennweite als auch von der Größe des Kamerasensors ab. Die Brennweite ist ein Faktor, der das Sichtfeld bestimmt.
- Warum wird oft die Kleinbild-äquivalente Brennweite angegeben?
- Da digitale Sensoren unterschiedliche Größen haben, dient die Umrechnung auf das Kleinbildformat (35 mm) als Standardreferenz. Sie ermöglicht es Fotografen, den Bildwinkel eines Objektivs an einer Kamera mit beliebigem Sensor besser einzuschätzen, basierend auf ihrer Erfahrung mit dem 35-mm-Format. Es ist eine Vergleichsgröße.
- Beeinflusst die Blende das Sichtfeld?
- Nein, die Blende (Apertur) beeinflusst die Lichtmenge, die Schärfentiefe und die Bildqualität, aber nicht den Bildwinkel oder das Sichtfeld der Kamera. Das Sichtfeld wird nur durch Brennweite und Sensorgröße bestimmt (und geringfügig durch die Fokusdistanz).
- Verändert die Fokussierung das Sichtfeld?
- Ja, bei den meisten Objektiven wird das Sichtfeld beim Fokussieren auf nähere Motive geringfügig enger (Bildfeldschwund). Bei manchen Objektiven mit Innenfokussierung kann sich die Brennweite beim Nahfokussieren verkürzen, was diesen Effekt teilweise oder ganz kompensiert.
- Wie kann ich das Sichtfeld visuell überprüfen?
- Der einfachste Weg ist, durch den Sucher Ihrer Kamera zu schauen oder das Live-View-Bild auf dem Display zu betrachten. Dies zeigt Ihnen genau den Bereich, der erfasst wird. Für eine quantitative Messung benötigen Sie die Sensorgröße und die effektive Brennweite des Objektivs.
- Hat die Auflösung des Sensors Einfluss auf das Sichtfeld?
- Nein, die Auflösung (Anzahl der Megapixel) beeinflusst die Detailmenge im Bild, aber nicht den Winkelbereich, der von der Kombination aus Objektiv und Sensor erfasst wird. Das Sichtfeld hängt von den physikalischen Abmessungen des Sensors ab, nicht von der Anzahl der Pixel darauf.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass das Sichtfeld einer Kamera ein dynamisches Merkmal ist, das untrennbar mit der Sensorgröße und der Brennweite des verwendeten Objektivs verbunden ist. Ein fundiertes Verständnis dieser Zusammenhänge ermöglicht es Ihnen, bewusstere Entscheidungen bei der Wahl Ihrer Ausrüstung zu treffen und Ihre fotografische Vision präziser umzusetzen. Experimentieren Sie mit verschiedenen Brennweiten, um ein Gefühl für die unterschiedlichen Sichtfelder und deren Wirkung auf Ihre Bilder zu bekommen.
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