Reisen in fremde Länder sind nicht nur ein Fest für die Augen, das ich als Fotograf besonders schätze, sondern auch eine wunderbare Gelegenheit, neue Geschmäcker zu entdecken. Estland, dieses oft übersehene Juwel im Baltikum, hält kulinarisch einige Überraschungen bereit. Ein einfacher Gang durch den lokalen Supermarkt kann hier zu einer faszinierenden Entdeckungsreise werden. Zwischen den bekannten Produkten finden sich Schätze, die tief in der estnischen Kultur verwurzelt sind. Einer dieser Schätze, der meine Neugier sofort weckte, ist ein mysteriöses Pulver namens Kama.
Was genau ist dieses Kama-Pulver?
Was verbirgt sich hinter diesem schlichten Namen? Kama ist weit mehr als nur Mehl. Es ist eine traditionell estnische Mischung aus geröstetem Roggen-, Gersten-, Hafer- und Erbsenmehl. Diese einzigartige Kombination verleiht dem Pulver seinen charakteristischen Geschmack und seine nahrhaften Eigenschaften. Es ist kein Gericht für sich allein, sondern vielmehr eine vielseitige Zutat, die auf verschiedene Weisen verwendet wird. Die Idee hinter Kama war ursprünglich, Getreide und Erbsen haltbar zu machen und eine nahrhafte Basis zu schaffen, die schnell zubereitet werden kann.
Das traditionelle Kama-Getränk
Die wohl bekannteste und traditionellste Verwendung von Kama ist als Getränk. Man rührt das Pulver einfach in Buttermilch oder Kefir ein. Das Ergebnis ist ein sättigendes, leicht sämiges Getränk, das in Estland besonders im Sommer beliebt ist. Es ist erfrischend und liefert Energie, perfekt für einen warmen Tag oder als schneller Snack. Die Zubereitung ist denkbar einfach: Pulver in das Milchprodukt geben, gut verrühren – fertig ist ein Stück estnischer Tradition. Die Textur kann für manche ungewohnt sein, leicht körnig, aber der Geschmack ist mild und angenehm getreidig. Manchmal wird noch etwas Zucker oder Honig hinzugefügt, um die Säure von Buttermilch oder Kefir auszugleichen, aber viele genießen es auch pur für seinen natürlichen Geschmack.
Kama in Desserts und darüber hinaus: Die Geschichte der Kamatahvel
Aber Kama ist nicht auf Getränke beschränkt. Findige estnische Bäcker und Köche haben das Potenzial dieses Pulvers längst erkannt. Es wird als Grundlage für Kuchen und andere Süßspeisen verwendet, denen es eine besondere Note und Textur verleiht. Es kann Cremes dicker machen, Teigen eine nussige Komponente hinzufügen oder als Topping verwendet werden. Die Vielseitigkeit des Pulvers erlaubt es, es in modernen Rezepten ebenso einzusetzen wie in überlieferten.
Eine besonders interessante Geschichte rankt sich um die Kamatahvel. In den 1970er Jahren, während der sowjetischen Ära, waren Kakaobohnen in Estland Mangelware und ein seltener Luxus. Um dennoch eine Art Schokolade herstellen zu können, ersetzte man den Kakao einfach durch Kama-Pulver. Das Ergebnis war die Kamatahvel, eine Süßigkeit, die heute als Nostalgieprodukt verkauft wird. Sie schmeckt natürlich anders als echte Schokolade – süß, mit einem deutlichen Kama-Aroma und einer leicht sandigen Textur, die an das Pulver erinnert. Aufgrund von EU-Richtlinien darf sie zwar nicht mehr offiziell "Schokolade" genannt werden, aber sie bleibt ein geliebtes Symbol für Einfallsreichtum in schwierigen Zeiten und ein Beweis für die Vielseitigkeit von Kama. Sie ist ein Muss für jeden, der ein Stück estnischer Geschichte und einen wirklich einzigartigen Geschmack erleben möchte.
Warum ist Kama so besonders?
Die Besonderheit von Kama liegt in seiner Einfachheit, seiner Vielseitigkeit und seiner tiefen Verwurzelung in der estnischen ländlichen Tradition. Es war ursprünglich ein Weg, verschiedene Getreidesorten und Hülsenfrüchte haltbar und schnell konsumierbar zu machen. Das Rösten der Zutaten verleiht ihm ein einzigartiges Aroma, das nussig, leicht erdig und angenehm duftend ist. Es ist ein natürliches Produkt, reich an Ballaststoffen, Proteinen (durch die Erbsen) und komplexen Kohlenhydraten, das lange sättigt und dem Körper Energie liefert. Für Besucher ist es eine authentische Geschmackserfahrung und ein Einblick in die estnische Speisekammer. Es ist ein echtes Zauberpulver, das mit wenigen Handgriffen in nahrhafte Speisen und Getränke verwandelt werden kann.
Vergleich: Kama in verschiedenen Formen
Um die Vielseitigkeit von Kama zu verdeutlichen, lohnt sich ein Blick auf die unterschiedlichen Arten, wie es genossen wird:
| Form | Zutaten/Basis | Textur | Geschmacksprofil | Verwendung |
|---|---|---|---|---|
| Traditionelles Kama-Getränk | Kama-Pulver, Buttermilch/Kefir | Flüssig bis leicht sämig, leicht körnig | Mild getreidig, leicht säuerlich (je nach Basis), natürlich | Sättigendes Getränk, Snack, Frühstück, Erfrischung |
| Kama in Kuchen/Desserts | Kama-Pulver, Teigzutaten, Quark, Sahne etc. | Abhängig vom Rezept, oft cremig (Mousse) oder fest (Kuchen) | Getreidige/nussige Note, integriert in süße Aromen, komplex | Dessert, Kuchen, Süßspeisen, Puddings |
| Kamatahvel (Kama-"Schokolade") | Kama-Pulver, Zucker, Fett (oft pflanzlich) | Fest, ähnelt einer Tafel, leicht mehlig/sandig | Süß, deutliche Kama-Note, nicht typisch schokoladig, einzigartig | Süßigkeit, Snack, Nostalgieprodukt, Mitbringsel |
Estlands kulinarische Vielfalt: Mehr als nur Kama
Obwohl Kama ein Highlight ist, hat Estland noch viele andere kulinarische Entdeckungen zu bieten, die einen Besuch lohnen und den Einkaufskorb füllen können. Da sind zum Beispiel die Kohuke, diese unwiderstehlichen Quarkriegel in Schokoladen- oder anderer Glasur, denen im Supermarktregal oft eine ganze Abteilung gewidmet ist. Vom klassischen Vanille bis zu exotischen Geschmacksrichtungen – hier findet jeder seinen Favoriten. Ihre Konsistenz erinnert leicht an gefrorenen Käsekuchen, weshalb sie am besten direkt aus dem Kühlregal genossen werden. Nicht zu vergessen die legendäre estnische Nationalschokolade von Kalev, benannt nach einem Helden des Nationalepos. Besonders beliebt sind die Tafeln mit interessanten Zusätzen wie Knusperreis und Beeren, die eine spannende Textur und Fruchtigkeit bieten. Für Herzhaftes gibt es die Küüslauguleivad, frittierte Schwarzbrotstücke mit Knoblauch, oft mit einem Sauerrahm-Dip serviert – ein perfekter Snack zum Bier, auch wenn man danach vielleicht auf den direkten Kontakt mit Mitmenschen verzichten sollte. Oder die Kiluvõileib, das estnische Fischbrötchen, einfach, aber lecker, mit Schwarzbrot, Sprotten, Ei und Zwiebel – eine baltische Spezialität. Wer es flüssig mag, kann Kali probieren, die estnische Version von Kvass, einem fermentierten Brotgetränk, dessen Geschmack oft polarisiert (ähnlich wie Malzbier), aber eine Chance verdient, um die lokale Getränkekultur kennenzulernen. Und als süßer Abschluss empfiehlt sich Kissel, ein mit Stärke angedickter Beerensaft, ähnlich wie Rote Grütze, oft warm mit Vanillesoße genossen – wirklich zum Verlieben und ein wohliges Dessert, besonders an kühleren Tagen. Diese Vielfalt zeigt, wie reichhaltig und einzigartig die estnische Küche sein kann, oft geprägt von einfachen, aber wirkungsvollen Zutaten wie Kama, die Geschichten erzählen und Traditionen am Leben erhalten.
Häufig gestellte Fragen zu Kama
Wo kann ich Kama kaufen?
Kama-Pulver ist in Estland in den meisten Supermärkten und Lebensmittelläden in der Abteilung für Getreideprodukte oder traditionelle Lebensmittel erhältlich. Es wird üblicherweise in Tüten oder Kartons verkauft. Auch online findet man spezialisierte Shops, die estnische Produkte anbieten und Kama international versenden, falls Sie es zu Hause probieren möchten.
Wie schmeckt Kama?
Kama hat einen milden, nussigen und leicht süßlichen Geschmack, der von den gerösteten Getreidesorten (Roggen, Gerste, Hafer) und den Erbsen herrührt. Das Rösten intensiviert die Aromen und macht sie komplexer. Wenn es mit Buttermilch oder Kefir gemischt wird, kommt noch eine säuerliche Note hinzu, die dem Getränk eine erfrischende Komponente verleiht. Es ist ein sehr natürlicher, erdiger Geschmack, der sich gut mit süßen oder säuerlichen Elementen kombinieren lässt.
Ist Kama gesund?
Ja, Kama gilt als nahrhaft und gesund. Es ist reich an Ballaststoffen, die gut für die Verdauung sind und lange sättigen. Durch die Erbsen enthält es auch eine gute Menge an pflanzlichem Protein. Die komplexen Kohlenhydrate aus den Getreidesorten liefern langanhaltende Energie. Es ist ein vollwertiges Produkt ohne Zusatzstoffe, wenn man reines Kama-Pulver kauft.
Ist Kama einzigartig für Estland?
Ähnliche geröstete Mehlmischungen gibt es auch in anderen baltischen und nordischen Ländern, oft unter anderen Namen und mit leicht abweichenden Zusammensetzungen (z.B. Talkkuna in Finnland oder Talkkuna in Teilen Russlands). Kama ist jedoch die spezifische estnische Variante, deren Mischung aus Roggen, Gerste, Hafer und Erbsen charakteristisch ist und die in Estland eine besondere kulturelle Bedeutung und weite Verbreitung hat. Man kann sagen, Kama ist ein estnisches Nationalprodukt.
Kann man Kama auch anders verwenden als im Getränk oder in Desserts?
Absolut! Obwohl das Getränk und die Verwendung in Süßspeisen am bekanntesten sind, kann Kama auch in herzhaften Gerichten verwendet werden. Man kann es Suppen und Eintöpfen beifügen, um sie anzudicken und ihnen eine nussige Note zu geben, oder es als Zutat in Brot und Gebäck verwenden. Einige experimentieren auch damit in Smoothies oder Müslis. Der Fantasie sind kaum Grenzen gesetzt, wenn man bereit ist, mit diesem vielseitigen Pulver zu experimentieren.
Fazit: Ein Geschmack, der bleibt
Kama ist weit mehr als nur ein einfaches Pulver. Es ist ein Symbol für estnische Tradition, Einfallsreichtum und die Wertschätzung einfacher, nahrhafter Zutaten. Ob als erfrischendes Sommergetränk, in einem köstlichen Dessert oder als historische Kamatahvel – Kama bietet einen authentischen Einblick in die estnische Seele und Küche. Es ist ein Geschmack, der neugierig macht und oft in guter Erinnerung bleibt. Bei Ihrem nächsten Besuch in Estland sollten Sie unbedingt die Augen offen halten und dieses faszinierende Zauberpulver selbst probieren. Nehmen Sie vielleicht sogar eine Packung als Souvenir mit nach Hause. Es ist eine kulinarische Erfahrung, die man nicht vergessen wird und die zeigt, wie viel Geschichte und Geschmack in einem unscheinbaren Päckchen Pulver stecken können.
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